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RAK Berlin kippt Robenpflicht

Der Vorstand hat in seiner Sitzung v. 11.11.2009 beschlossen:

Der Vorstand wird die derzeitige tatsächliche Handhabung des Tragens einer Robe vor Gerichten des Landes Berlin evaluieren. Das Ergebnis der Evaluierung wird im Berliner Anwaltsblatt veröffentlicht. Bis zur Veröffentlichung dieses Ergebnisses wird der Vorstand das Auftreten von Anwältinnen und Anwälten vor Berliner Gerichten nicht ahnden.

Der Beschluß erging mit zwei drei Gegenstimmen.

Wenn die Kammer nicht gehorcht

ZuchtmittelSo ganz theoretisch ist die Überlegung nicht: Was passiert wenn der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Gesetz oder Satzung nicht beachtet, insbesondere die der Rechtsanwaltskammer übertragenen Aufgaben nicht erfüllt?

Beispielsweise, weil die Mehrheit der Vorstandsmitglieder ihre politischen Ansichten durchsetzen möchte, die sich mit der Gesetzes- bzw. Satzungslage nicht in Übereinstimmung bringen läßt?

§ 62 BRAO bestimmt, daß die Landesjustizverwaltung die Staatsaufsicht über die Rechtsanwaltskammern führt. Dies ist reine Rechtsaufsicht, keine Fachaufsicht, die nur zu berücksichtigen hat, ob Gesetz und Satzung beachtet sind. In Ermessensentscheidungen darf die Staatsaufsicht nicht eingreifen, es sei denn, die Entscheidung ist ermessensfehlerhaft.

Als Eingriffsinstrumentarium stehen ihr Weiterlesen

Robe oder nicht Robe? Das ist hier die Frage!

Die taz berichtet unter der Schlagzeile Freiheit nach 283 Jahren

Eine lange Auseinandersetzung geht ihrem Ende entgegen: Rechtsanwälte in Berlin müssen vor Gericht bald offenbar keine Robe mehr tragen. Viele linke Anwälte hatten den Robenzwang als künstliche Entfremdung von ihren Mandanten und als eines der Symbole des Obrigkeitsstaates kritisiert. Am Mittwochabend hat die Rechtsanwaltskammer Berlin die Kleiderordnung gelockert, erfuhr die taz aus dem Kreis des Vorstands. Offiziell will die Kammer sich allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt zu den Ergebnissen der Vorstandssitzung äußern.
Quelle: taz v. 16.10.2009

Nun starten wir eine Umfrage zum Thema, nachdem wir bereits im Juli über das Vorprellen des Berliner Justizstaatsekretärs berichteten und gestern Königs Kommentar im Anwaltsblatt kommentierten

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Üblich i.S.d. § 20 BORA

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Jahrelang hat sich keiner für den Schandkittel interessiert und nun auf einmal schaffte es das Thema in die Gazetten und Blogs.

Wir berichteten über die erstaulichen Ansichten des Berliner Staatssekretärs Hasso Lieber: Die totale Freiheit nach 283 Jahren, der bekannte Strafverteidiger und Presserechtler Johannes Eisenberg ließ die Hüllen fallen und Carsten Hoenig und andere jubelten schon.

Eisenbergs Sozius Dr. Stefan König kommentierte dann auch ganzseitig im Anwaltsblatt 10/2009 (2009, 687)

Wenn die Hüllen fallen, verlieren Anwälte nichts

Wirklich nichts? So gar nichts?

Darf ich altmodisch an Calamandrei erinnern:

… Ich liebe die Robe, nicht wegen des Goldkrams, der sie schmückt, noch wegen der weiten Ärmel, die den Gesten ein feierliches Ansehen geben, sondern wegen ihrer stilisierten Gleichförmigkeit, welche sinnbildlich alles persönliche Unmaß korrigiert und die individuellen Unterschiede von Mensch zu Mensch unter der dunklen Uniform der Funktion verdeckt. Die für alle gleiche Robe macht aus dem, der sie zur Verteidigung des Rechts trägt, – einen Rechtsanwalt -sowie der, welcher auf der Gerichtsbank sitzt,- ein Richter – ist, ohne Namen und Titel.Auch die Perücke der englischen Anwälte, die als ein lächerlicher Anachronismus erscheinen mag, hat das nämliche Ziel: das Amt über den Menschen zu erheben und den Berufsausübenden, welcher kahlköpfig oder grauhaarig sein mag, unter dem Beruf zu verbergen, der stets das gleiche Alter und die gleiche Würde hat. …

Der entscheidende Satz des geltenden Rechts, § 20 BORA lautet:

Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist.

und nun schließt man messerscharf aus der Aufhebung einer gerichtsverfassungsrechtlichen Norm, die neben berufsrechtlichen Normen unabhängig Bestand haben kann, daß üblich nicht üblich sein muß.

Zwang und Übung, das verträgt sich nicht: Robenpflicht ist überflüssig.

wird im Kommentar groß hervorgehoben. Übung ist Übung nur, wenn zwanglose Übung?

Nachdem die „totale Freiheit“ ausgebrochen ist, muß sich eine „Übung“ erst herausbilden.

Wow! Übung ist also nicht empirisch ermittelbar, sondern hat normative Merkmale?

Lang, lang ist es her, da habe ich bei Larenz, Methodenlehre, 343ff, gelesen:

Da der Wortsinn die möglichen Auslegungen einer Bestimmung begrenzt, empfiehlt es sich, bei ihm zu beginnen; dadurch wird man alsbald zu dem Bedeutungszusammenhang geführt, in dem diese Bestimmung zu anderen steht.

und es für einen Kalauer gehalten (ich halte es immer noch so). Sicherheitshalber habe ich nochmal im Grimm nachgeguckt: ÜBLICH adj.

Es bleibt dabei: üblich beschreibt Tatsachen. Diese Üblichkeit mag viele Ursachen haben, bewußte und unbekannte. Verhaltensweisen können sich ändern und die Feststellung, ob etwas üblich ist beeinflussen. Auch unter der Geltung der aufgehobenen Allgemeinverfügungen haben sich die Gewohnheiten verändert, beispielsweise ist es nicht üblich, vor den Berliner Arbeitsgerichten in Robe zu verhandeln.

Andererseits hat sich auch dort, wo es keine gerichtsverfassungsrechtliche Verpflichtung zum Tragen der Robe gab – vor den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten – der Brauch, die Üblichkeit, entwickelt, in Robe zu verhandeln.

Totale Freiheit nach 283 Jahren – der ewige Streit um die Robe

Totale Freiheit nach 283 Jahren titelte der Berliner Justizstaatsekretär Hasso Lieber im Berliner Anwaltsblatt 2009, 223.

Jahrelang hatten wir uns gegen die Bevormundung durch die Justizverwaltung gewehrt, die uns die Farbe der Hemden und Krawatten während unserer Berufsausübung vor Gericht vorschrieb. Nachdem sie vor dem Oberverwaltungsgericht siegreich blieb (Beschluß v. 31.05.2007 – 12 N 55.07 -), hatte sie ein Einsehen und hob die überflüssigen Bestimmungen für Rechtsanwälte auf. Lieber schrieb in seinem Gastbeitrag:

Mit der Allgemeinen Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz vom 23. März 2009 ist die staatlich verordnete Pflicht für Rechtsanwälte entfallen, eine Amtstracht vor den Berliner Gerichten zu tragen. Das heißt, Rechtsanwälte dürfen eine Robe tragen, müssen dies aber nicht.
Quelle: BerlAnwBl 2009, 223

So ein Unsinn! Bis vor das Oberverwaltungsgericht hat die Senatsverwaltung ihr Recht verteidigt, den Anwälten die Farbe der Krawatte und des Hemdes vorzuschreiben, und nun die „totale Freiheit“?.

Das mir erbrachte Geburtstagsgeschenk blieb weithin – zu Recht – unbeachtet, wurde es doch als Allgemeine Verfügung über die Amtstracht der Berliner Rechtspflegeorgane
Vom 23. März 2009
nur im von Anwälten selten gelesenen Amtsblatt für Berlin (2009, 1002) veröffentlicht und fiel dort wohl auch nur dem auf, der danach suchte. Der Beitrag von Lieber wurde aber gelesen und sofort vom ehemaligen Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Berlin, Johannes Eisenberg, umgesetzt. Sonst eher pressescheu, weigerte er sich in einer Verhandlung vor einer Großen Strafkammer die Robe zu tragen und erschien in Jeans und Freizeithemd. Die TAZ übertrieb:

Anwalt läßt die Hüllen fallen

Und die Berliner Zeitung:

Schwarz ist nicht mehr Pflicht

Unsere zutreffende Argumentation gegenüber der Justizverwaltung war und ist, daß ihr die Normsetzungskompetenz für eine derartige Regelung fehle und der Bundesgesetzgeber eine Regelung getroffen habe.

In § 59b II 6 c) BRAO hat der Gesetzgeber der Rechtsanwaltschaft aufgegeben, das Tragen der Berufstracht in einer Satzung zu regeln. Diesem Auftrag ist mit § 20 BORA nachgekommen worden:

Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht als Berufstracht die Robe, soweit das üblich ist. Eine Berufspflicht zum Erscheinen in Robe besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

Es handelt sich schlicht um eine Ente wenn behauptet wird, die Robenpflicht sei für Rechtsanwälte aufgehoben. Bisher gab es eine Doppelfunktion der Verpflichtung zum Tragen der Robe: Berufspflicht und verfahrensrechtliche Pflicht. Letztere ist zurecht entfallen. Die Berufspflicht besteht fort! Die Ahndung der Verstöße gegen diese Berufspflicht obliegt den Vorständen der Kammern.

Die Kabinettsorder Friedrich Wilhelm I. vom 15.12.1726 für Gerichte und Juristen-Fakultäten:

Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man die Spitzbuben schon von weitem erkennt.

bleibt insofern aktuell, als die verfaßte Anwaltschaft die ihr vom Gesetzgeber auferlegte Verpflichtung selbst ausgestaltet.