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Prognose Unzuverlässigkeit

Prognose-Entscheidung § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG

Die Prognose der absoluten Unzuverlässigkeit eines Waffenbesitzers ist ausgesprochen kompliziert anzustellen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof stellt im Beschluß v. 20.04.2023 – 24 CS 23.495 – die Struktur der Prognoseentscheidung und Prognosemethode dar:

  1. Zunächst ist der zukünftige Sachverhalt bzw. Zustand zu identifizieren, auf dessen (Nicht-)Eintritt es kraft Gesetzes ankommt (Prognoseereignis).
  2. Sodann ist zu bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit dieses Ereignis (nicht) eintreten muss (darf).
  3. Schließlich bedarf es der Anwendung einer Prognosemethode, und zwar einer Anwendung auf gegenwärtig bekannte Tatsachen (sog. Prognosebasis), um einen zumindest validen Schluss auf den Eintritt oder Nichteintritt des Prognoseereignisses zu ziehen.

Das Prognoseereignis (1.) gibt der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vor: die unsorgfältige Verwahrung von Waffen oder Munition.

Für die Wahrscheinlichkeit (2.) gilt: Es bedarf nicht etwa einer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, es genügt vielmehr eine gewisse bzw. hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Verwahrung. „Erst und nur unterhalb der Schwelle dieser niedrigen Wahrscheinlichkeit sind die gleichwohl unvermeidbaren Restrisiken hinnehmbar.

Schwieriger wird es mit der Prognosemethode (3.): Hier genügt die Erfahrung, daß Wiederholung den Verhaltenskanon des Menschen prägt und es zutrifft,  „wenn das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten grundsätzlich die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit – in Gestalt zu erwartender Verwahrungsverstöße im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG – rechtfertigen kann.

Dann macht der Senat aber die Tür weit auf und lehnt einen Automatismus im Sinne „einmal verstoßen, immer verstoßen“ ab:

Es besteht kein Automatismus in dem Sinne, dass ein nachgewiesener Verstoß unweigerlich eine negative Prognose ergibt (vgl. VG Ansbach, U.v. 3.12.2003 – AN 15 K 03.00325 – juris Rn. 29). Das wäre mit dem prospektiven Charakter des Zuverlässigkeitskriteriums unvereinbar. Anders als § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG stellt § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG keine Fiktion dahingehend auf, dass aus bestimmtem Verhalten der Vergangenheit die Unzuverlässigkeit zwingend abzuleiten ist. Insoweit lässt die Prognose auch Raum für die Annahme menschlicher Einsichtsfähigkeit und Verhaltensänderung. Insgesamt ist daher entscheidend, ob die ermittelten Tatsachen nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig das prognoserelevante Verhalten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG) begehen wird (BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17). Hierbei ist zu beachten, dass eine Annahme der Wiederholung umso mehr gerechtfertigt ist, je mehr in dem nachgewiesenen Verhalten eine allgemeine Distanz des Betroffenen zu den gesetzlich, insbesondere waffenrechtlich begründeten (Sorgfalts-)Pflichten zum Ausdruck kommt; je geringfügiger der Verstoß ist, umso eher kann die schlichte Annahme einer Wiederholung verneint werden (zu Bagatellverstößen vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 3.5.2022 – 6 B 118/22 – juris Rn. 11; OVG Hamburg, B.v. 7.8.2015 – 5 Bs 135/15 – juris Rn. 19 ff.; BayVGH, B.v. 31.7.2015 – 21 CS 15.1156 – juris Rn. 12). (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. April 2023 – 24 CS 23.495 –, Rn. 25, juris)

Die Behörden werden künftig einen höheren Begründungsaufwand betreiben müssen. Bei der Prognose nur noch darauf hinzuweisen, daß bspw. bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten grundsätzlich die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen kann, wird nicht mehr reichen.

  • Handelt es sich bspw. um ein Augenblicksversagen oder um Nachlässigkeit?
  • War es nur ein Bagatellverstoß?
  • Ist der Betroffene einsichtig und gibt es Tatsachen, die eine Verhaltensänderung belegen?

Sprechen Sie mit einem Waffenrechtler bitte bevor Sie die Stellungnahme zur Anhörung gegenüber der Waffenbehörde abgeben. Uns erreichen Sie auf vielfältigen Wegen: Kontakt

 

 

Waffenverbot

Waffenverbot für den Einzelfall, § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG

Die Waffenbehörde widerruft die waffenrechtlichen Erlaubnisse und ordnet gleichzeitig ein Waffenverbot an. Diese „Paketlösung“ wird von einigen Behörden angewandt. Wir berichteten hier über einen besonders gelegenen Fall: Affenfaust

Mit dem Waffenverbot gem. § 41 WaffG wird jemandem auch der Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und der Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagt. Damit darf er dann auch die vielen erlaubten Waffen nicht erwerben und besitzen.

Insbesondere für aktive Wettkampfschützen eine weitere erhebliche Einschränkung. Das ist deswegen besonders bitter, da ihnen nunmehr auch der vorübergehende Erwerb einer Waffe und Munition zum Schießen auf einer Schießstätte (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 5 WaffG, § 12 Abs. 2 Nr. 2 WaffG) versagt ist.

Das OVG München hat nun ein paar Pflöcke eingeschlagen.

Es ging um einen „Reichsbürger“. Ihm wurden die Erlaubnisse wegen mangelnder Zuverlässigkeit widerrufen und die Behörde untersagte ihm zugleich auf Dauer, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen.

Begründet wurde dies mit § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG, ihm fehle die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit und verwies auf die im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dazu angestellte Prognose. Das Verwaltungsgericht bestätigte die Ansicht der Behörde.

Die Entscheidung des OVG München über die Beschwerde hat es in sich.

OVG München urteilt schützenfreundlich

Der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2023 – 24 CS 23.785 – hat ein paar Pflöcke für die Zuverlässigkeitsprüfungen im Waffenrecht eingeschlagen, nachdem er wenige Wochen zuvor Systematisches zur Prognoseentscheidung veröffentlichte: Beschluss v. 20.04.2023 – 24 CS 23.495

Daran anschließend stellt er in der Entscheidung v. 08.05.2023 überzeugend dar, daß die Prognose im Rahmen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG auf den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und Munition auszurichten ist und nicht unmittelbar von § 5 WaffG gesteuert wird.

Diese Passage werden wir wohl demnächst öfter zitieren:

Vor diesem Hintergrund ist die Erforderlichkeit des Waffenverbots immer gesondert durch die Behörde zu prüfen (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, Rn. 1024) und kann gerade nicht gleichsam eines Automatismus als einheitliches „Paket“ zusammen mit einem Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 5 WaffG angeordnet werden. (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2023 – 24 CS 23.785 –, Rn. 26, juris)

Anders als im Fall des Widerrufs hat die Behörde ein Ermessen in den Fällen des § 41 WaffG auszuüben, zu entscheiden, ob und wie. Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Behörde insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Dabei hat sie zu beachten, daß das Waffenverbot gegenüber einem Widerruf der Waffenbesitzkarte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG eine erheblich größere Wirkungsbreite hat und insoweit einen intensiveren Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt.

Entscheidungen, wie die seinerzeitige Affenfaustentscheidung, dürften daher künftig ausgeschlossen sein.

Was tun bei lang zurückliegendem Waffenverbot?

Das Waffenverbot ist ein Dauerverwaltungsakt, für dessen Rechtmäßigkeitsbeurteilung es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Auch wenn der Bescheid bestandskräftig ist, können Sie bei der Waffenbehörde jederzeit die Aufhebung beantragen. Die Behörde muß dann überprüfen, ob gegenwärtig noch ein Verbot erforderlich ist. Gegen den ggf. daraufhin ergehenden ablehnenden Bescheid steht Ihnen der Rechtsweg zum zuständigen Verwaltungsgericht offen.

Sie ahnen es bereits? Wir beraten und vertreten Sie gerne: Kontakt

Tragfläche eines Flugzeuges über den Wolken

Waffenversand

Das Thema Waffenversand wird von der neuesten waffenrechtlichen Entscheidung der 16. Kammer des VG Ansbach, Beschluss vom 27.01.2023 – AN 16 S 23.36 – sorgsam dargestellt und sie ist für Versender vom höchsten Interesse.

Rechtliche Grundlagen zum Waffenversand

Waffengesetz

Grundsätzlich dürfen Waffen oder Munition nur an berechtigte Personen überlassen werden, § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Ein Verstoß ist mit erheblichen Strafen bewehrt, § 52 Abs. 3 Nr. 7 WaffG.

Die Bedürfnisse der gewerblichen Beförderung verlangen eine Ausnahme, die der Gesetzgeber mit § 12 Abs. 1 Nr. 2 WaffG gestattet: Einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe bedarf nicht, wer diese vorübergehend von einem Berechtigten zur gewerbsmäßigen Beförderung erwirbt. Damit ist der gewerbsmäßige Beförderer von der Erlaubnispflicht insoweit befreit.

Damit keine Lücke entsteht, bestimmt § 34 Abs. 2 Satz 3 WaffG, daß, wer Waffen oder Munition einem anderen lediglich zur gewerbsmäßigen Beförderung gemäß § 12 Absatz 1 Nummer 2 oder Absatz 2 Nummer 1 an einen Dritten übergibt, sie dem Dritten überlässt. Dabei hat der Versender die ordnungsgemäße Beförderung sicherzustellen und Vorkehrungen gegen Abhandenkommen zu treffen, § 34 Abs. 2 Satz 1 WaffG.

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV)

Einzelheiten regeln Nr. 12.1.2 WaffVwV u.a.:

  • Die Verpackung darf keine sichtbaren Hinweise auf die Art der Waren enthalten.
  • Die Verpackung muss so beschaffen sein, dass ein unbeabsichtigtes Öffnen unterbunden wird.
  • Die Verpackung muss mit einem Etikett oder Ähnlichem versehen sein, durch das ein Öffnen erkennbar wird.
  • Die Spedition muss eine ständige Rückverfolgbarkeit der Ware gewährleisten.

Weitere Einzelheiten sind ein wenig versteckt in Nr. 36.3 WaffVwV bestimmt: Der Versender ist verpflichtet,

  • 36.3.1 dafür zu sorgen, dass der Beförderer über den Inhalt der Warensendung informiert ist;
  • 36.3.2 sicherzustellen, dass ihm der Beförderer das Abhandenkommen von Schusswaffen oder Munition unverzüglich mitteilt.

Da der Versender dem Dritten die Waffen überläßt, hat er sicherzustellen, daß der Dritte eine berechtigte Person ist, dies muß offensichtlich sein oder nachgewiesen werden, § 34 Abs. 1 Satz 2 WaffG. Bei erlaubnispflichtigen Waffen und Munition wird von einer Offensichtlichkeit der Erwerbsberechtigung nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden können (Nr. 34.2 WaffVwV); die Erwerbsberechtigung ist nachzuweisen.

VG Ansbach, 27.01.2023 – AN 16 S 23.36 – Waffenversand; Empfangsberechtigung, Verpackung

Dem Antragsteller dieses Verfahrens sind die oben dargestellten Regelungen zum Verhängnis geworden, er ist voraussichtlich waffenrechtlich unzuverlässig und verlor seine waffenrechtlichen Erlaubnisse im Sofortvollzug.

Die Waffenbehörde hat ihm noch vorgeworfen, daß er DHL mit dem Versand beauftragt habe und damit habe ein Versäumnis bereits in der Auswahl des Transportunternehmens gelegen. Das Gericht ist über diesen Vorwurf hinweggegangen, hat aber seine Unzuverlässigkeit bereits an der Verpackung der Sendung festgemacht.

  1. Verpackung der Waffe in einem einfachen, offenbar wiederverwerteten Pappkarton und dem bloßen Umschlagen der Waffenteile mit etwas Zeitungs- bzw. Packpapier ohne weitere Verpackung der Waffenteile. Die Verpackung bot keine Gewähr dafür, dass sie allen Beanspruchungen zuverlässig standhält, denen sie erfahrungsgemäß beim Transport ausgesetzt ist, und ein Abhandenkommen der gesamten Waffe oder von Teilen verhindert wird.
  2. Zusätzlich wurde durch die Bezeichnung des Adressaten mit unnötigen weiteren Angaben leicht erkennbar gemacht, dass es sich bei dem Inhalt des Paketes um eine Waffe bzw. Waffenteile handeln könnte. Man wird hier also darauf achten müssen, auf Zusatzangaben zum Empfänger, wie z.B. „Waffenhandel“, etc., zu verzichten.
  3. Der Antragsteller hat den Transportdienstleister auch nicht über den Inhalt der Sendung informiert und sichergestellt, dass ihm der Beförderer das Abhandenkommen von Schusswaffen oder Munition unverzüglich mitteilt.
  4. Seiner Pflicht, Waffen nur berechtigten Personen zu überlassen, ist der Antragsteller bei dem Versand der Waffe nicht nachgekommen. Er hat es unterlassen, den Transportdienstleister nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzuweisen (vgl. AGB DHL Paket, hier Ziffer 4 Abs. 2 …, 26.01.2023), die waffenrechtlich relevanten Gegenstände nur an eine berechtigte Person i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten Ersatzempfänger – wie hier an eine Person, die über keinerlei waffenrechtliche Erlaubnisse verfügt – auszuschließen.

Spezialversender für Waffenversand auswählen

Wir raten dringend, die oben dargestellten Regeln einzuhalten. Sicherheitshalber sollte ein Spezial-Spediteur beauftragt werden, bei dem man dann davon ausgehen darf, daß er die Bedingungen nach der WaffVwV erfüllt.

Für den Transport auf dem Luftweg gelten besondere Bedingungen, insbesondere die des § 11 LuftSiG und die der Fluggesellschaften. Gelegentlich werden wir darüber berichten.

Wir beraten und vertreten Sie in (fast) allen waffenrechtlichen Fragen: Kontakt

 

 

 

Kleiner Waffenschein und Alkohol

Die Entscheidung erging im Fall eines Kleinen Waffenscheins, ist aber für alle Inhaber einer WBK relevant. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit  Urteil vom 30.11.2022 – 4 A 2186/20 – ein Urteil der 2. Kammer des VG Gießen aufgehoben.

Was ist passiert?

Der Kläger führte eine SRS-Waffe (Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen). Das durfte er, er war im Besitz eines Kleinen Waffenscheins.

Fatal wurde für ihn der gemessene Anteil Alkohol in der Atemluft in Höhe von 2,73 Promille. Wir berichteten bereits über einen Fall der Inhaberin einer WBK und 1,6 ‰ Atemalkohol.

VG Gießen, 2. Mai 2019, 9 K 5182/17.GI

Das VG Gießen hatte sich strikt ans Gesetz gehalten und dem Kläger den Waffenschein erhalten:

  • Es ergäben sich keine Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, der Kläger werde Waffen oder Munition künftig missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würde.
  • Weder im Waffengesetz noch in der Allgemeinen Waffenverordnung oder den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften sei vorgegeben, dass eine Waffe nur nüchtern geführt werden dürfe.
  • Der Gesetzgeber habe für den Fall, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass eine Person alkoholabhängig sei, in § 6 WaffG ein spezielles Verfahren für den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse vorgesehen.
  • Das Gefährdungspotential von Schreckschusswaffen gegenüber „scharfen“ Waffen sei deutlich vermindert.

VGH Kassel 30.11.2022 – 4 A 2186/20

Das OVG sah dies gänzlich anders:

  • Er besäße die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, da bei ihm Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehe oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde ( § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG ).
  • Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit setzt die Fähigkeit und die Bereitschaft voraus, Risiken mit dem Potential der Schädigung Dritter strikt zu vermeiden.
  • Der Konsum von Alkohol führt typischerweise zur Minderung von Reaktionsgeschwindigkeit und Wahrnehmungsfähigkeit sowie zu Enthemmungen, d.h. zu Ausfallerscheinungen, die beim Schusswaffengebrauch die Gefahr der Schädigung Dritter hervorrufen (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 – 6 C 30.13 –

Das BVerwG hat auf den Gebrauch der Waffe abgestellt. Der VGH Kassel meint nun, daß es auf den Gebrauch der Waffe nicht ankäme, sondern bereits das Führen der Waffe unter Alkoholeinfluß die Zuverlässigkeit entfallen läßt.

Was ist mit dem Jäger, der von seiner Frau abgeholt, die Waffe in einem Transportbehältnis verschlossen nach Hause bringt? Nach dem Schüsseltreiben und geringem Alkoholgenuß? Vorsicht: Der Teufel ist ein Eichhörnchen!

 

AfD-Mitglieder und Waffen

Sie sind AfD-Mitglied und im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis?

Gefährlich!

Sie wohnen auch noch im Freistaat Thüringen?

Brandgefährlich!

Der Wohnsitz entscheidet über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit?

Das Thüringer Innenministerium will den Waffenbesitz von AfD-Mitgliedern im Freistaat unterbinden. Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner sieht diesen Vorstoß auf „juristisch sicheren Beinen“.

berichtete u.a. der MDR und dort wird Prof. Brenner zitiert – leider ohne Begründung seiner Ansicht. Aus anderen Bundesländern hörte man hierzu bisher noch nichts.

Wir haben uns dezidiert mit dem Thema auseinander gesetzt und kommen zum Ergebnis, daß das Parteienprivileg dem widerspricht: Die waffenrechtliche (Un-) Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG

Julia Klaus bringt in einem Beitrag auf ZDFheute einen sehr interessanten Gedanken ein: Was ist mit Dienstwaffenträgern, die Mitglied der AfD sind? Polizisten unterliegen bekanntlich nicht den Vorschriften des Waffegesetzes, § 55 WaffG.

Georg Maier, Innenminister Thüringen (SPD), sieht das dann eigenartigerweise differenzierter. Erst wenn ein Polizist „aktiv extremistische Bestrebungen unterstützen“ sollte, würden dienstrechtliche Konsequenzen eingeleitet.

Das läßt staunen. Das „einfache“ Mitglied verliert seinen Jagdschein und führt als Polizist weiter eine Waffe, für die die Waffenbehörde ihn als unzuverlässig betrachtet? Auf einsamen nächtlichem Streifendienst als Polizist waffenrechtlich zuverlässig, nachts auf dem Hochsitz im Wald als Jäger nicht?

Parteienprivileg

Was wird wohl das Bundesverfassungsgericht dazu sagen, wenn die Mitgliedschaft in einer nicht als verfassungswidrig festgestellten Partei ausreicht, um als waffenrechtlich unzuverlässig (auch im Bundeszentralregister) gebrandmarkt zu werden?

Ich denke, daß diese Entscheidung immer noch aktuell ist:

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu. (BVerfG Leitsatz 1, Urteil v. 21.03.1961 – 2 BvR 27/60)

Ich bin neugierig, ob die Verfassungsschutzbehörden den Waffenbehörden die „einfache“ Mitgliedschaft in der AfD melden. Wohlgemerkt: Es geht mir nicht um die extremistischen Mitglieder einer Partei, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Hier geht es darum, ob das verfassungstreue Mitglied einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt ist, seinen Jagdschein oder sonstige waffenrechtliche Erlaubnisse verliert.

Wird hier die waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung als Mittel der politischen Auseinandersetzung mißbraucht? Wer sich mit dem Thema ernstlich beschäftigen will, kommt an unserem bereits oben verlinkten Beitrag Die waffenrechtliche (Un-) Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG nicht vorbei.

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