shit-in in Moabit

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Sie kennen ein sit-in?

Der Kommunarde Karl-Heinz Pawla wurde am 06. September 1968 für eine Defäkation zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt.

An sich ein höchst natürlicher Vorgang.

Der Ort war natürlich ungewöhnlich: Direkt vor dem Richtertisch.

Die Tatumstände wiederum ungewöhnlich: Aus der Akte 272-103/68 riß er acht Seiten heraus und reinigte sich damit von Anhaftungen. Keinerlei Schuldbewußtsein; lediglich der Umstand, daß er das komische Barrett auf dem Richtertisch nicht erwischt habe, ärgerte ihn.

Aus der Begründung des Urteils des Schöffengerichtes:

Am 4. September 1968 fand gegen den Angeklagten … eine Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht Tiergarten unter dem Vorsitz des Amtsgerichtsrats Loch im Kriminalgericht Moabit in Berlin statt. Nach der Vernehmung der in dieser Sache geladenen Zeugen etwa um 10.25 Uhr sagte der Angeklagte, er möchte eine Erklärung abgeben. Er begab sich daraufhin zu dem vor dem Richtertisch stehenden Zeugentisch, drehte sich mit dem Rücken zum Gericht, zog seine Hose herunter und kotete vor den Zeugentisch in den Gerichtssaal. Sodann drehte sich der Angeklagte um, ging zum Richtertisch, griff zu den auf diesem liegenden Gerichtsakten 272-103/68, riß aus diesen acht Seiten heraus und wischte sich damit das Gesäß ab, wodurch diese Aktenblätter mit Kot beschmutzt wurden. Er wollte dadurch dem Gericht, insbesondere dem Vorsitzenden Amtsgerichtsrat Loch, seine Mißachtung kundgeben.

Der Amtsgerichtspräsident als Dienstvorgesetzter hat gegen den Angeklagten wegen Beleidigung des Amtsgerichtsrats Loch Strafantrag gestellt.

Der Angeklagte gibt die Tat zu und läßt sich wie folgt ein: Er habe die „Scheiße“ konkret machen wollen. Deshalb habe er Abführtabletten eingenommen, deren Wirkung er vorher ausprobiert habe. Er ärgere sich nur, daß er das komische Barett auf dem Richtertisch nicht erwischt habe.

Hiernach hat sich der Angeklagte der Beleidigung des Amtsgerichtsrats Loch gemäß § 185 StGB in Tateinheit mit einem Vergehen nach § 133 StGB schuldig gemacht. Durch das Koten vor dem Zeugentisch hat er symbolisch den Anspruch des Gerichts und insbesondere des Gerichtsvorsitzenden Loch auf angemessene, der Würde eines Gerichts entsprechende Behandlung verletzt und dadurch seine Mißachtung bekundet (§ 185 StGB). Weiter hat er den Tatbestand eines Verwahrungsbruchs gemäß § 133 Abs. 1 StGB erfüllt … Dadurch, daß der Angeklagte acht Seiten aus dieser Akte herausriß, sich hiermit das Gesäß abwischte und diese Seiten mit seinem Kot beschmutzte, hat er die Akte beschädigt. Der Angeklagte hat auch vorsätzlich gehandelt, da er die Tatumstände kannte und wollte. Beide Taten sind wegen ihres engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs als natürliche Handlungseinheit anzusehen …

Strafschärfend fiel … ins Gewicht, daß der Angeklagte durch die Tat eine Mißachtung gegenüber den Grundregeln jeglichen menschlichen Zusammenlebens und eine derart niedere Gesinnung gezeigt hat, die einem Menschen an sich nicht zuzutrauen ist.

Strafschärfend war ferner zu werten, daß es sich bei der Tat nicht um eine sogenannte „Spontanreaktion“ gegen die vorhandene Gesellschaftsordnung gehandelt hat. Vielmehr hat der Angeklagte nach seinem eigenen Zugeständnis in der Hauptverhandlung die Tat durch Einnahme von Abführtabletten mit vorangegangener Probe zielstrebig vorbereitet … Zur Sühne und Abschreckung (konnte) nur eine empfindlichere Freiheitsstrafe den Strafzweck erreichen. Eine Gefängnisstrafe von zehn Monaten erschien schuldangemessen.

Fragen Sie mich bitte nicht, wieso ich nun gerade an diesen Vorfall gedacht habe.

4 Kommentare
  1. TeeKrieger
    TeeKrieger sagte:

    Der Witz ist doch so alt aus dem Zoo… aber hat Potential: leicht übertragbar und gut ausbaufähig

    • RA Jede:
      Kein Witz, Realität. Realität aus 1968.

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  2. Luigi Weisszwang
    Luigi Weisszwang sagte:

    Frage: die acht Seiten aus den Gerichtsakten – 272-103/68, wenn man der SPIEGEL-Berichterstattung glauben darf -, die in nachbereitender Unterstützung der Defäkation des Delinquenten zur Verwendung kamen, mussten ja sicherlich wieder ihrer ordnungsgemäßen Bestimmung zugeführt werden? Ist etwas über den Umstand und Aufwand diesbezüglicher Reinigungsmaßnahmen bekannt?

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