Schiedsrichter zeigt die rote Karte

Kanzleistil

Gerade las ich im Schreiben einer Kollegin „besten“ Kanzleistil:

Die Unterzeichnende versichert anwaltlich ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung.

Liest sich doch viel schöner als:

Ich bin bevollmächtigt.

Irgendjemand muß ihr einmal erzählt haben, daß „Frau“ keinen Satz mit „Ich“ beginnen soll! Seitdem sind aber etliche Jahre vergangen und sie hat geheiratet. Nur so erklärt sich, daß sie, bedingt durch den langen Doppelnamen, fürs Unterschreiben so lange braucht, daß sie immer noch unten zeichnet, während ich oben das Traktat schon lese.

Sie ziert sich nicht nur vor dem „Ich“, sondern auch vor dem alten „Unterzeichnete„. Wenn ich schreibe: „der Unterzeichnete“, grenze ich mich damit von der Kanzlei ab, in deren Namen ich ausweislich des Briefpapieres schreibe. Das bedeutet dann auch nicht, daß Tinte auf meiner Haut haftet! Das Wort „unterzeichnen“ ist nur scheinbar passivisch (nicht anscheinend, das ist schon wieder ein anderes Thema) und reflexiv.

Das scheinbar passivische Wort hat aktivischen Sinn, denn es gehört zu dem alten reflexiven sich unterzeichnen „unterschreiben“ (vgl. der Verliebte zu sich verlieben). Somit ist der Unterzeichnete derjenige, der sich unterzeichnet hat. Da ein Brief weder während des Schreibens noch während des Lesens unterzeichnet wird, kann man das 1. Partizip der Unterzeichnende nicht verwenden…

Quelle: Duden, Bd. 9

Die Kollegin mit dem langen Namen ist nicht nur bevollmächtigt; sie ist ordnungsgemäß bevollmächtigt! Sie und ihr Auftraggeber haben die Ordnungsvorschriften über die Erteilung der Vollmacht beachtet. Sehr geehrte Frau Kollegin XY-Gammaquadrat, welche Vorschriften meinen Sie denn? In dieser simplen Sache, in der Sie mich anschrieben, kommt weder eine Bestimmung über die Erteilung der Vollmacht, noch für deren Nachweis in Betracht.

Für den Nachweis der Vollmacht wäre eine Versicherung ‚eh nicht ausreichend. Diesen Mangel kann man auch mit einer anwaltlichen Versicherung nicht beheben!

Sehr geehrte Frau Kollegin XY-Gammelquadrat, machen Sie es doch wie wir! Wir werden grundsätzlich nicht ohne Vollmacht tätig. Wir unterstellen das auch bei unseren Kolleginnen und Kollegen. Und wenn wir uns irren, haftet der Kollege nach § 179 BGB – es sei denn, er war nicht geschäftsfähig. Dann hilft uns seine Versicherung, die anwaltliche, aber auch nicht. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Wenn Sie sich im Kanzleistil üben wollen: Anleitung