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Verfassungsschutz und Waffenbehörden

Verfassungsschutz darf nicht alles an die Waffenbehörden berichten

Es ist ein ständiges Mantra dieses Blogs, auf das Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizeibehörden hinzuweisen. Das Thema ist stets aktuell, zuletzt durch die Forderungen nach einer erneuten Verschärfung des Waffengesetzes als Reaktion auf die Razzien bei Reichsbürgern.  Meine Meinung habe ich in einem Interview für den Deutschlandfunk Nova klar akzentuiert.

Mancher Politiker-Heißsporn hat offenbar die dicken Pflöcke, die das Bundesverfassungsgericht eingerammt hat, nicht wahrgenommen. Im Verfassungs-Sprech heißt das Thema „Informationelles Trennungsgebot“ oder „Informationelles Trennungsprinzip“.  Im Jahr 2022 hat das BVerfG diesbezüglich den Gesetzgebern zwei massive Klatschen erteilt:

  • Die Entscheidung mit Gesetzeskraft „Bayerisches Verfassungsschutzgesetz“ vom 26.04.2022 – 1 BvR 1619/17, für die sich der Senat 5 Jahre Zeit genommen hat und dann das Gesetz vor allem im Hinblick auf die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangter Informationen für teilweise verfassungswidrig erklärte. Der Entscheidung ist ein mehrseitiges Inhaltsverzeichnis vorangestellt.
  • Die Entscheidung mit Gesetzeskraft „Bundesverfassungsschutzgesetz – Übermittlungsbefugnisse“ vom 28.09.2022 – 1 BvR 2354/13, für die sich der Senat knapp 10 Jahre Zeit genommen hat und dann die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobener personenbezogener Daten im Gesetz für teilweise verfassungswidrig geißelte.

Den Entscheidungen vorangestellt ist die selbstverständliche Feststellung, daß die weitreichenden Überwachungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden können, wenn die aus der Überwachung gewonnenen Informationen nicht ohne Weiteres an andere Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen übermittelt werden dürfen („informationelles Trennungsprinzip“). Die Politik ist sich dessen offenbar nicht bewußt und fordert ständig den Austausch zwischen den Behörden, ich habe das den morgendlichen Stuhlkreis genannt.

Bedingungen für die erlaubte Datenübermittlung

Beide Entscheidungen sind für den Juristen, den Waffenrechtler allemal, sehr lesenswert. Das BVerfG schreibt die Bedingungen fest, unter denen eine Übermittlung der Daten zulässig ist.

  1. Die Datenübermittlung muß verhältnismäßig im engeren Sinne sein.
  2. Nach dem Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung muß geprüft werden, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln neu erhoben werden dürften. Das bemisst sich danach, ob bspw. der Waffenbehörde unter den gegebenen Bedingungen eine eigene Befugnis eingeräumt werden dürfte, die Daten mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln wie dem ersten Eingriff erneut zu erheben.
  3. Die Übermittlung – auch von aus weniger eingriffsintensiven Maßnahmen erlangten Informationen – darf nur zum Schutz eines Rechtsguts von herausragendem öffentlichem Interesse erfolgen.
  4. Als Übermittlungsschwelle für Übermittlungen durch den Verfassungsschutz an Gefahrenabwehrbehörden muss wenigstens eine konkretisierte Gefahr bestehen. „Der Begriff der hinreichend konkretisierten Gefahr ist dabei weiter als der der konkreten Gefahr, die eine Sachlage voraussetzt, bei der im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die jeweiligen Rechtsgüter eintreten wird (vgl. BVerfGE 115, 320 <362>).Die konkretisierte Gefahr verlangt, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter bestehen. Dies kann schon dann der Fall sein, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen (vgl. BVerfGE 141, 220 <272 f. Rn. 112>).“
    (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2022 – 1 BvR 2354/13 –, Rn. 134, juris)

§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 WaffG verpflichtet die Waffenbehörde, Auskünfte der Verfassungsschutzbehörde einzuholen. Diese wird aufgrund der dezidierten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sehr genau prüfen, welche Daten sie bekannt gibt. Insbesondere die Übermittlungsschwelle stellt hier eine sinnvolle Barriere dar.

Jeder Bürger darf davon ausgehen, daß auch die drei deutschen Geheimdienste offene, verdeckte oder legendierte Maßnahmen in digitalen Medien, dem Internet und sozialen Plattformen durchführen (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage am 09.12.20222)

 

AfD-Mitglieder und Waffen

Sie sind AfD-Mitglied und im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis?

Gefährlich!

Sie wohnen auch noch im Freistaat Thüringen?

Brandgefährlich!

Der Wohnsitz entscheidet über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit?

Das Thüringer Innenministerium will den Waffenbesitz von AfD-Mitgliedern im Freistaat unterbinden. Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner sieht diesen Vorstoß auf „juristisch sicheren Beinen“.

berichtete u.a. der MDR und dort wird Prof. Brenner zitiert – leider ohne Begründung seiner Ansicht. Aus anderen Bundesländern hörte man hierzu bisher noch nichts.

Wir haben uns dezidiert mit dem Thema auseinander gesetzt und kommen zum Ergebnis, daß das Parteienprivileg dem widerspricht: Die waffenrechtliche (Un-) Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG

Julia Klaus bringt in einem Beitrag auf ZDFheute einen sehr interessanten Gedanken ein: Was ist mit Dienstwaffenträgern, die Mitglied der AfD sind? Polizisten unterliegen bekanntlich nicht den Vorschriften des Waffegesetzes, § 55 WaffG.

Georg Maier, Innenminister Thüringen (SPD), sieht das dann eigenartigerweise differenzierter. Erst wenn ein Polizist „aktiv extremistische Bestrebungen unterstützen“ sollte, würden dienstrechtliche Konsequenzen eingeleitet.

Das läßt staunen. Das „einfache“ Mitglied verliert seinen Jagdschein und führt als Polizist weiter eine Waffe, für die die Waffenbehörde ihn als unzuverlässig betrachtet? Auf einsamen nächtlichem Streifendienst als Polizist waffenrechtlich zuverlässig, nachts auf dem Hochsitz im Wald als Jäger nicht?

Parteienprivileg

Was wird wohl das Bundesverfassungsgericht dazu sagen, wenn die Mitgliedschaft in einer nicht als verfassungswidrig festgestellten Partei ausreicht, um als waffenrechtlich unzuverlässig (auch im Bundeszentralregister) gebrandmarkt zu werden?

Ich denke, daß diese Entscheidung immer noch aktuell ist:

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu. (BVerfG Leitsatz 1, Urteil v. 21.03.1961 – 2 BvR 27/60)

Ich bin neugierig, ob die Verfassungsschutzbehörden den Waffenbehörden die „einfache“ Mitgliedschaft in der AfD melden. Wohlgemerkt: Es geht mir nicht um die extremistischen Mitglieder einer Partei, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen. Hier geht es darum, ob das verfassungstreue Mitglied einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt ist, seinen Jagdschein oder sonstige waffenrechtliche Erlaubnisse verliert.

Wird hier die waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung als Mittel der politischen Auseinandersetzung mißbraucht? Wer sich mit dem Thema ernstlich beschäftigen will, kommt an unserem bereits oben verlinkten Beitrag Die waffenrechtliche (Un-) Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG nicht vorbei.

Auch dort ist die Kommentarfunktion weiterhin aktiv. Nicht nur dort freuen wir uns über sachliche Kommentare.

 

Schiedsrichter zeigt die rote Karte

Der III. Weg

Der III. Weg ist eine rechtsextremistische Kleinstpartei.[1]

Daher sollten Sie als Legalwaffenbesitzer tunlichst darauf achten, keine ihrer Veranstaltungen zu besuchen.

Sonnwendfeier

Sie wollen eine „Sonnwendfeier“ besuchen? Verschaffen Sie sich zuvor lieber Gewißheit über den Veranstalter.

Ein Waffenbesitzer besuchte zwei Veranstaltungen der Partei „Der III. Weg“ Eine Sonnwendfeier und ein Heldengedenken. Er machte geltend, weder bei der „Sonnwendfeier“ noch beim „Heldengedenken“ seien verfassungsfeindliche Ziele der Partei zum Ausdruck gekommen.  Das überzeugte die Waffenbehörde und das Verwaltungsgericht nicht, das Oberverwaltungsgericht bestätigte die verwaltungsgerichtliche Entscheidung.

Es liege ein Fall der Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG in der Fassung vom 30. Juni 2017 vor. Der Kläger habe an zwei Veranstaltungen der Partei „Der Dritte Weg“ teilgenommen. Damit liege eine Tatsache vor, die annehmen lasse, dass der Kläger zumindest zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses einzeln Bestrebungen unterstützt habe, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet haben.

Das hat mich doch erschüttert. Der Besuch einer Sonnwendfeier als Unterstützungshandlung? Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – 24 ZB 21.167 vom 21.07.2021 – schreibt:

hat das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargelegt, dass die Partei „Der Dritte Weg“ als eine Partei einzustufen ist, die rechtsextremes Gedankengut vertritt, und dass die von dieser Partei regelmäßig organisierten Veranstaltungen der „Sonnwendfeier“ und des „Heldengedenkens“ nicht nur als reine Pflege von Brauchtum, sondern als öffentlichkeitswirksame Aktionen anzusehen sind. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen ist geeignet, nach außen hin die Bestrebungen der Partei zu unterstützen. Dass eine solche Außenwirkung bei den vom Kläger besuchten Veranstaltungen nicht vorlag, konnte der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht substantiiert in Frage stellen.

Bloße Teilnahme ist Unterstützungshandlung der Bestrebungen des Veranstalters

Wenn ich mich als aufrechter Demokrat, der die freiheitlich demokratische Grundordnung auf seine Fahne geschrieben hat, über extremistische Parteien informieren will, indem ich mir selbst ein Bild mache und eine ihrer Veranstaltungen besuche, bin ich meine waffenrechtlichen Erlaubnisse los.

Gibt und gab das Gesetz das her?

§ 5 Abs. 2 Nr. 3a WaffG a.F.:

Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,

3.

bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die

a)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung … gerichtet sind.
Die Teilnahme an öffentlichkeitswirksamen Aktionen ist geeignet, nach außen hin die Bestrebungen der Veranstalter zu unterstützen.

 

Mit der neuen Fassung des Gesetzes – § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. c WaffG – hat sich substantiell nichts geändert:

3.Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren …

a)
Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die

aa)
gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
b)
Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c)
eine solche Vereinigung unterstützt haben …

Sicherlich spielt es rechtlich keine Rolle, ob Sie an der öffentlichkeitswirksamen Veranstaltung einer rechts- oder linksextremistischen Partei teilnehmen.

Verfassungsschutz, Dein Freund und Helfer!

Berührt es Sie eigentlich eigenartig, daß die Waffenbehörde erfuhr, daß der Kläger an einer Sonnwendfeier teilgenommen hat? Denunziantentum?

Aufgrund § 5 Abs. 5 Satz 3 WaffG ist der Verfassungsschutz verpflichtet, im Nachbericht neue Erkenntnisse über den Waffenbesitzer der Waffenbehörde mitzuteilen.

Es wird wohl so gewesen sein, daß ein Informant den Verfassungsschutz über die Teilnahme eines Bürgers informierte. Sicherlich war es ein sorgfältig ausgewählter und überprüfter Informant, schlicht über jeden Zweifel erhaben. Sie können auch diesbezüglich den Verfassungsschutzbehörden Ihr vollstes Vertrauen schenken! Überprüfen kann man es schließlich defacto nicht.

Ich überlege gerade, ob ich oder einer der anderen Teilnehmer beim letzten Stammtisch etwas gesagt haben, was einen falschen Eindruck erwecken könnte. Am Nebentisch hörte ein einsamer Gast interessiert zu.

Fürs Protokoll: Ich distanziere mich ausdrücklich und eindrücklich von Äußerungen und Verhaltensweisen anderer, die eine Tendenz zur Anwendung, Androhung oder Billigung von Gewalt erkennen lassen oder einschüchternde Wirkung haben.[2]

Ja, mich graust es!

Falls Sie sich für das Thema Regelanfrage interessieren: Regelanfrage Verfassungsschutz

Ihnen wird die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit unterstellt? Bevor Sie auf die Anhörung reagieren: Sprechen Sie bitte mit uns!

 

  1. [1]vgl. bspw. Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2020 S. 179 ff
  2. [2]vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. November 2020 – 6 B 33/20 –, Rn. 3, juris
Berühmtes Bild Goethes. Ob über ihn wohl eine Regelanfrage eingeholt worden wäre?

AfD-Mitglieder waffenrechtlich zuverlässig?

Die waffenrechtliche (Un-) Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG

Das 3. Waffenrechtsänderungsgesetz und die Zuverlässigkeit sind auf unserem LawBlog Dauerthema:

3. WaffRÄndG, insbesondere die Verstöße gegen das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizeibehörden.

Jetzt ist auf einmal auch eine breitere Öffentlichkeit an dem Thema interessiert:

  • Mit welchen Mitteln gehen wir gegen den politischen Gegner vor?
  • Wie können wir Bürger davon abhalten, Mitglied der Alternative für Deutschland (AfD) zu werden?
  • Oder widersprechen solche Überlegungen unserem Rechtsstaat, insbesondere dem Parteienprivileg des Grundgesetzes, Art. 21 GG?

Ausgangspunkt ist die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die AfD als Verdachtsfall einzustufen.

Diese Entscheidung könnte in der Folge dazu führen, daß die Mitglieder der AfD im Regelfall als waffenrechtlich unzuverlässig eingestuft werden und als Jäger oder Sportschützen ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse zurückgeben müssen, die ansonsten widerrufen bzw. eingezogen würden.

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Rechtslage Zuverlässigkeit vor dem 20.02.2020

§ 5 Abs. 2 Nr. 3

Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht,
bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die
a) gegen die verfassungsmäßige Ordnung … gerichtet sind. …

Rechtslage Zuverlässigkeit seit dem 20.02.2020

§ 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG

Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, …
3. Bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, …
b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
c) eine solche Vereinigung unterstützt haben, …

Begründung der Regelung zur Änderung der Zuverlässigkeit

Diese Vorschrift wurde aufgrund der Beschlußempfehlung des Ausschuss für Inneres und Heimat (4. Ausschuss) vom 11.12.2019 – Bundestags-Drucksache 19/15875 eingeführt.

In der einleitenden Begründung wird erklärt: „Die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung soll künftig zur waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit führen, auch wenn diese Vereinigung noch nicht verboten ist.“ (Seite 4 der BT-Drs.)

Das Adverb „noch“ gibt zu interessanten Spekulationen Anlaß!

Warum ist es dem Satz hinzugefügt? „… noch nicht verboten ist.“ Offenkundig sollte etwas anderes ausgedrückt werden als „ … auch wenn diese Vereinigung nicht verboten ist.

Den Abgeordneten des Bundestages wurde suggeriert: Es geht um die Fälle, in denen ein Verbotsverfahren zumindest auf dem Weg ist. Diese Intention hat im Gesetzeswortlaut, wie wir oben sehen, keine Entsprechung gefunden; ist aber bei der Auslegung als Wille des Gesetzgebers zu berücksichtigen.

Aber schon die weitere Begründung  läßt mich wieder schaudern und das „noch“ wird in Klammern gesetzt, zur Bekräftigung oder als Einschränkung?

3.
Der Ausschuss betont, dass alle geeigneten Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zu verhindern, dass Verfassungsfeinde und Extremisten legal in den Besitz von Schusswaffen gelangen können. Die gesetzlichen Grundlagen hierzu werden durch den Gesetzentwurf erweitert. So kann künftig Mitgliedern verfassungsfeindlicher Vereinigungen auch dann die Waffenerlaubnis verweigert bzw. entzogen werden, wenn die betreffende Vereinigung (noch) nicht verboten ist.“ (Seite 24 der BT-Drs.)

Absolut konsensfähig! Aber wer sind die Verfassungsfeinde, wer ist ein Extremist? Da wirft jeder Einäugige dem anderen Einäugigkeit vor. Und vorbei ist es mit dem Konsens.

Regelungslücke Un-Zuverlässigkeit ohne Aktivitäten

Der Gesetzgeber meint, es habe bisher eine Regelungslücke gegeben, des es zu schließen galt:

Nach § 5 Absatz 2 Nummer 3 sind ferner Antragsteller als in der Regel waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen, wenn sie individuell oder als Mitglied einer Vereinigung bestimmte verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder unterstützt haben. Wenn hingegen zwar die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung – die nicht bereits verboten ist – bekannt ist, über dortige Aktivitäten aber keine nachweislichen Erkenntnisse vorliegen, begründet dies gegenwärtig nicht die Regelunzuverlässigkeit.“ (Seite 36 der BT-Drs.)

Das war die Abkehr vom erforderlichen Nachweis der verfassungsfeindlichen Betätigung des Antragstellers, die Mitgliedschaft oder Unterstützung soll nunmehr ausreichen. Dafür wird auch eine Begründung angegeben:

Dies ist sachgerecht, weil die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung typischerweise einschließt, dass diese Person nachhaltig die verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung teilt, also die Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck bringt. Die mitgliedschaftliche Einbindung in die Vereinigung ist dazu sogar eher gewichtiger aussagekräftig als eine bloße Unterstützung von außen und daher zumindest ebenso geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass eine Person mit Waffen verantwortungsvoll umgeht. Auch zu ihrem Nachweis soll daher, wie bisher schon bei der Verfolgung der aufgezählten Bestrebungen, ausreichend sein, dass Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen, d.h. schon der tatsachengegründete Verdacht ist versagungsbegründend (bereits risikovermeidender Ansatz).“ (Seite 36 der BT-Drs.)

Partei als Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG?

Bei einer Vereinigung denkt man zunächst an alle möglichen Gruppen, beispielsweise an Rockergangs (OMCG) aber nicht an Parteien.

Nun, das Parteiengesetz (§ 2 Abs. 1 Satz 1 PartG) definiert eine Partei als Vereinigung von Bürgern. Und dem Gesetzgeber des 3. WaffRÄndG war dies ausweislich der Änderungsbegründung bekannt:

Der Begriff der „Vereinigung“ als Oberbegriff umfasst sowohl Vereine im Sinne des Vereins- als auch Parteien im Sinne des Parteiengesetzes (vgl. § 2 Absatz 1 des Parteiengesetzes).“ (Seite 36 der BT-Drs.)

Der Gesetzgeber hat eingesehen, daß das zu weitgehend ist und hat in der Begründung eine deutliche Einschränkung des Anwendungsgebietes vorgenommen:

Beschränkung auf festgestellte verfassungsfeindliche Bestrebungen durch das BVerfG

Unter den geänderten § 5 Absatz 2 Nummer 3 fallen auch Parteien, bei denen das Bundesverfassungsgericht im Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes festgestellt hat, dass sie auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzielende Bestrebungen verfolgen, deren Verbot mangels Anhaltspunkten, die die Zielerreichung zumindest möglich erscheinen lassen, jedoch nicht ausgesprochen wurde.“ (Seite 36 der BT-Drs.)

Das kann m.E. nur bedeuten, daß von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG nur verbotene Parteien und diejenigen Parteien betroffen sind, bei denen das BVerfG verfassungsfeindliche Bestrebungen festgestellt hat; sonst bedürfte es dieser Klarstellung nicht. Die Zuverlässigkeit sonstiger Parteimitglieder ist nicht in Frage gestellt. Etwas anderes ließe sich auch mit dem Parteienprivileg des Art. 21 GG nicht vereinbaren.

Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen. Insofern kommt dieser Entscheidung konstitutive Bedeutung zu. (BVerfG Leitsatz 1, Urteil v. 21.03.1961 – 2 BvR 27/60)

Diese Entscheidung ist durch die Änderung des Art 21 GG seit dem 20.07.2017 nicht obsolet. Nunmehr entscheidet das BVerfG auch über die Frage, ob Parteien nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung v. 19.06.2019 – 6 C 9/18 (RN 17) – ausdrücklich darauf verwiesen, daß die Neuregelung des GG auf seine Entscheidung noch nicht anwendbar sei.

Spannungsverhältnis zwischen § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) und § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG

Durch die oben dargestellte Gesetzesänderung hat sich bezüglich der Parteien eine absurde Situation ergeben.

In der Regel unzuverlässig ist:

  1. Wer Mitglied in einer Partei ist, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG) oder
  2. bei wem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er Mitglied in einer Partei ist, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG).

§ 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG läßt den Verdacht einer Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei genügen; § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG setzt das Parteienprivileg um und fordert die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei durch das BVerfG, um die Regelunzuverlässigkeit zu vermuten. Die Diskussion um das Spannungsverhältnis nach der alten Rechtslage, lex specialis oder nicht [1], hat sich damit erledigt. § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr. Die nachgewiesene Mitgliedschaft bestätigt die Vermutung der Mitgliedschaft.

Das Parteienprivileg

Wir haben es in diesem Beitrag bereits erwähnt, das Parteienprivileg, und auf den Leitsatz der Entscheidung des BVerfG 2 BvR 27/60 verwiesen. Es schützt die Partei in ihrem Bestand, solange ihre Verfassungswidrigkeit nicht festgestellt ist. Bis zu diesem Zeitpunkt darf die Partei in ihrer politischen Tätigkeit nicht behindert werden. Ihren Ursprung hat das Prinzip in Art. 21 GG.

Letztlich geht es darum, daß eine politische Partei nicht ohne ihre Mitglieder und Funktionäre existieren kann und deshalb wegen des Schutzes der Parteien keine rechtlichen Nachteile daran geknüpft werden dürfen, Mitglied einer Partei zu sein, die nicht verboten wurde.

Für die Frage der Zuverlässigkeit ist dieses Thema in der Rechtsprechung in zwei Fällen hochgekocht.

BVerwG 6 C 29/08 DVU

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2009- 6 C 28/08 – betraf ein Mitglied der Deutschen Volksunion, die nicht verboten war. Das Gericht hat sich hier ausführlich mit dem Parteienprivileg beschäftigt, meint aber, die Parteien seien durch eine waffenrechtliche Sonderbehandlung ihrer Mitglieder nicht beeinträchtigt:

Dagegen beeinträchtigt die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder -anhängers nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise. Zwar kann grundsätzlich das, was dem Mitglied oder Anhänger einer Partei an parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit von Verfassungs wegen gestattet ist, nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden, soll nicht die Rechtsordnung zu sich selbst in Widerspruch treten (s. in diesem Sinne bereits BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 – 1 BvR 486/59BVerfGE 13, 46 <52> und vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73BVerfGE 39, 334 <357 f.>). Dieser Grundsatz erleidet aber dann eine Ausnahme, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen.“ (BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29/08 –, Rn. 21, juris)

Zunächst die Bestätigung des Grundsatzes, daß Parteimitglieder aus ihrer Mitgliedschaft keine nachteiligen Rechtsfolgen hinzunehmen haben. Um sodann im nächsten Satz den Hammer der konkurrierenden Grundrechte herauszuholen:

wohl aber die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die den Gesetzgeber berechtigt, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten.

Das BVerwG hat dann zurückverwiesen weil nicht klar war, ob die vom Kläger verfolgten Bestrebungen verfassungswidrig waren und ob nicht der lange beanstandungsfreie Waffenbesitz die Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt. Damals galt noch der Grundsatz, daß der Betroffene die Bestrebungen verfolgt oder unterstützt haben mußte (siehe oben 1.1 alte Rechtslage). Nach neuer Rechtslage soll bereits die Mitgliedschaft ausreichen.

BVerwG 6 C 9/18 NPD

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.06.2019 – 6 C 9/18 – betraf ein Mitglied der NPD, die nicht verboten ist.

Der Entscheidung voraus gingen Entscheidungen des  Sächsischen Oberverwaltungsgericht v. 16. März 2018 – 3 A 556/17 – und die Ausgangsentscheidung des Verwaltungsgerichtes Dresden

Vorinstanz VG Dresden – 4 K 286/16

Das Verwaltungsgericht Dresden beschäftigte sich in seiner Entscheidung vom 23.06.2016 – 4 K 286/16 ausführlich mit der Problematik des Parteienprivilegs, gab der Klage des Parteimitgliedes statt und widersprach ausdrücklich der Entscheidung des BVerwG in der DVU-Sache. Und das mit ziemlich markanten Worten:

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Schutzpflichtendimension des Art. 2 Abs. 2 GG, welche vom Bundesverwaltungsgericht (aaO, Rdnr. 21) als Rechtfertigung dazu herangezogen wird, eine Ausnahme vom Verbot zu statuieren, an die parteioffizielle Tätigkeit in nicht verbotenen Parteien nachteilige Folgen zu knüpfen. Abgesehen davon, dass Umfang und Reichweite der staatlichen Schutzpflichten weitgehend unbestimmt sind, führt diese Art von Ausnahme zur Aushöhlung des Parteienprivilegs. Denn das – bisher unbewiesene – Argument der Gefährlichkeit eines bestimmten Verhaltens und der Notwendigkeit, die Allgemeinheit waffenrechtlich davor zu schützen, lässt sich auf eine Vielzahl anderer Fälle von Betätigungen und Verhaltensweisen übertragen, deren Ausübung durch politisch missliebige Parteien und deren Mitglieder als inopportun erscheinen mag. Würde man dem folgen, bliebe vom materiellen Gehalt des Parteienprivilegs so gut wie nichts mehr übrig (Wiedemann/Snowadsky, aaO, 106). Es spricht für sich, dass es in den Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs. 2 und 3 WaffG nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, das Parteienprivileg über Art. 2 Abs. 2 GG einzuschränken. Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist es, den Staat in seine rechtsstaatlichen Schranken zu weisen, nicht aber vorauseilend eigene Rechtspolitik zu betreiben.“ (VG Dresden, Urteil vom 23. Juni 2016 – 4 K 286/16 –, Rn. 23, juris)

Dem ist aus meiner Sicht nichts mehr hinzuzufügen. Anders jedoch das Bundesgericht.

Auseinandersetzung mit dem Parteienprivileg in BVerwG 6 C 9/18

Ausdrücklich stellt das Gericht zunächst darauf ab, daß auf seine Entscheidung noch nicht die Änderung des Art. 21 GG anzuwenden sei, mit der dem BVerfG die Kompetenz der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei außerhalb des Parteiverbotsverfahrens eingeräumt wurde. Seit der Änderung kann in einem gesonderten Verfahren [2] die Verfassungswidrigkeit auch in den Fällen festgestellt werden, in denen ein Verbot nicht in Frage kommt.

Seitdem gilt m.E. noch mehr der oben zitierte Leitsatz des BVerfG, daß bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen kann. 

Zunächst behauptet das Gericht, ein zielgerichteter Eingriff in die Freiheit der politischen Betätigung der betreffenden Partei liege nicht vor, da waffenrechtliche Erlaubnisse für eine solche Betätigung ohne Relevanz sind. Wirklich? Das Gericht kratzt noch die Kurve und relativiert:

Allerdings ist eine mittelbare bzw. faktische Beeinträchtigung nicht auszuschließen, wenn die Aussicht der Nichterteilung oder des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis bei einem Teil der Anhänger der Partei dazu führen kann, von Aktivitäten für die Partei abzusehen.

Ich erlaube mir die Prognose, daß kaum ein Jäger bereit sein wird, die Jagd für seine politische Betätigung aufzugeben. Und auch unter den Sportschützen wird sich wohl nur ein geringer Anteil derjenigen finden, der für seine Teilhabe an der politischen Meinungsbildung seinen Sport aufzugeben bereit ist.

Jäger und Sportschützen können nur noch in den anderen Parteien Mitglied werden, ohne ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse zu verlieren? Die Mitgliedschaft in der AfD und Jäger oder Sportschütze zu sein ist inkompatibel?

Den Behörden steht bei der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse im Regelfall kein Ermessen zu, § 4 Abs. 1 WaffG. Der Bürger hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnisse, sofern die Voraussetzungen erfüllt werden. Die vom BVerwG (im DVU-Urteil) in Bezug genommenen Entscheidungen betrafen Ermessensentscheidungsfälle.

Das Gericht vertieft die Problematik nicht, sondern zieht sich auf seine zehn Jahre zurückliegende Entscheidung zurück und zeigt wieder die Keule der Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit:

Von dem Grundsatz, dass eine von Verfassungs wegen erlaubte parteioffizielle oder parteiverbundene Tätigkeit von Mitgliedern oder Anhängern einer Partei nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Juni 1961 – 1 BvR 486/59BVerfGE 13, 46 <52> und vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73BVerfGE 39, 334 <357 f.>), ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesetzgeber aufgrund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen.“ (BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 – 6 C 9/18 –, BVerwGE 166, 45-64, Rn. 18)

Sebastian Roßner hat auf die Wertungswidersprüche zu Recht hingewiesen:

Die Rechtsprechung des BVerwG ist auch aus einem anderen Grunde nicht überzeugend. Denn wenn die Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gerade dadurch begründet werden, dass die Partei verfassungsfeindlich ist, welcher der Betreffende angehört, werden die zuständigen Behörden und Gerichte immer wieder dazu gezwungen, die betreffende Partei politisch-inhaltlich zu bewerten und an diese Bewertung ggfs. negative rechtliche Konsequenzen zu knüpfen. Dies ist aber nach dem sogenannten Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 und neuerdings auch aus Abs. 3 GG den Verfassungsrichtern vorbehalten.

Verfassungsmäßige Ordnung

Der Begriff verfassungsmäßige Ordnung ist mehrdeutig, bezeichnet beispielsweise auch die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die formell und materiell im Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung stehen (vgl. BVerfGE 6, 32 <37 f.>). Wer eine Änderung einer Vorschrift des BGB anstrebt, verstößt sicherlich nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung im Sinne der Regelungen zur Zuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG.

Exkurs WaffRNeuRegG

Eingeführt wurde der Begriff in das WaffG durch das WaffRNeuRegG 2002.

Der Gesetzentwurf der BReg sah die Formulierung vor

„3. einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt haben, „

Der Bundesrat fand das nicht konkret genug und beanstandete dies:

Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG-E soll ein Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit bereits dann eingreifen, wenn der Betroffene – einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung – verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt hat. Es erheben sich angesichts des weit gefassten Tatbestands Zweifel, ob die Grundrechtsbeschränkung (jedenfalls des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 GG) hinreichend verfassungsrechtlich legitimiert ist, namentlich dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung trägt (s. im Übrigen zum „Entscheidungsmonopol“ des Bundesverfassungsgerichts bei der Verwirkung von Grundrechten: Jarass in Jarass/Pieroth, GG-Komm., 5. Aufl. 2000, Artikel 18 Rn. 3 m. w. N.; s. weiter zum „Parteienprivileg“ Artikel 21 Abs. 2 GG). Kriterien für eine – einschränkende – Auslegung des Merkmals des „Verfolgens (verfassungsfeindlicher Bestrebungen)“ sind nicht ersichtlich; ausweislich der Begründung (S. 103) soll „jedwede – individuelle oder kollektive – verfassungsfeindliche Betätigung“ genügen. Eine (verfassungskonforme) Konkretisierung des Tatbestandes erscheint geboten. Hierfür bietet sich eine Anlehnung an die Vorschrift des § 86 Nr. 2 AuslG (und zugleich an die – in der Begründung (S. 103) wohl angesprochenen – Oberbegriffe in § 4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 BVerfSchG bzw. § 92 Abs. 3 StGB) an.“ (BT-Drs. 14/7558 Seite 105)

Der Bundesrat schlug folgende Formulierung vor:

3. einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt haben, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind,“

Die BReg stimmte den Bedenken zu [3], wollte jedoch den Rekurs auf Art. 9 Abs. 2 GG.

Gewollt ist die in Art. 9 Abs. 2 GG genannte verfassungsmäßige Ordnung , die die freiheitliche demokratische Grundordnung meint, also die grundlegenden demokratischen Prinzipien.

Freiheitlich demokratische Grundordnung

Das ist immer noch wenig konkret. Hilfreich ist hierzu der vom BRat herangezogene § 4 Abs. 2 BVerfSchG

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes zählen:
a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
e) die Unabhängigkeit der Gerichte,
f) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und
g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.

Fazit Zuverlässigkeit

Bis zur Rechtsänderung durch das 3. WaffRÄndG 2020 war derjenige regelmäßig waffenrechtlich unzuverlässig, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigten, daß er Bestrebungen verfolgte oder unterstützte, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Solange keine nachweislichen Erkenntnisse vorlagen konnte die Zuverlässigkeit nicht abgesprochen werden.

Seit der Gesetzesänderung bestimmt § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG, daß derjenige die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzt, bei dem Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß er Mitglied in einer Vereinigung ist, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.

Die mangelnde Zuverlässigkeit ergibt sich also bereits aus dem Verdacht der Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung; nachweisliche Erkenntnisse über die dortigen Aktivitäten des Mitgliedes sind nicht mehr erforderlich.

Parteien sind Vereinigungen im Sinne des Gesetzes.

Art. 21 Abs. 4 GG bestimmt, daß ausschließlich das BVerfG die Verfassungswidrigkeit einer Partei feststellt. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen; die Mitgliedschaft darf in anderen Rechtsbereichen nicht mit nachteiligen Folgen verknüpft werden.

 

  1. [1](VG Dresden, Urteil vom 23. Juni 2016 – 4 K 286/16 –, Rn. 21, juris)
  2. [2]§ 43 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG
  3. [3] In der BT-Drs. 14/75558 Seite 128 antwortet die Bundesregierung auf den Vorwurf der fehlenden Konkretisierung (Seite 105) : „Die Bundesregierung hält das Anliegen des Bundesrates, den Tatbestand zu konkretisieren, im Grundsatz für berechtigt. Sie hält es aber für vorzugswürdig, sich an der verfassungsrechtlichen Umschreibung des Artikels 9 Abs. 2 des Grundgesetzes zu orientieren“

Vollständige Unterwerfung

Wenn Sie im Landkreis Göttingen wohnen und Ihren Jagdschein verlängern wollen, sollten Sie vorher mit Ihrem Anwalt reden.

Mit dem Widerruf des Jagdscheins schon bei Antragstellung einverstanden

Sie fordern von Ihnen Ihr Einverständnis mit dem Widerruf des Jagdscheines und Ihren Verzicht auf die Anrufung des Verwaltungsgerichtes. Die totale Unterwerfung.

Wenn Sie das Formular für den Jagdschein ausfüllen und unterschreiben geben Sie automatisch diese Erklärung ab:

6. Erklärung
Ich erkläre hiermit nach bestem Wissen und Gewissen:
– der Jagdschein ist mir bisher nicht entzogen bzw. versagt worden,
– ich wurde seit der letzten Erteilung nicht gerichtlich verurteilt,
– ein Ermittlungs- oder Strafverfahren steht gegen mich nicht an,
– eine Beeinträchtigung meiner körperlichen und geistigen Eignung liegt nicht vor
Es ist mir nicht bekannt, dass bei der zuständigen Verfassungsschutzbehörde Tatsachen vorliegen, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit gemäß § 5 Absatz 2 und 3 WaffG begründen.
Sollte die ausstehende Zuverlässigkeitsprüfung gemäß § 5 Absatz 5 Nummer 4 WaffG dennoch Bedenken gegen meine Zuverlässigkeit begründen, bin ich mit dem Widerruf des Jagscheines einverstanden und werde gegen eine ggf. erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung keinen Antrag gemäß § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stellen.

Sie halten die Unterwerfung für einen Scherz? Hier haben wir einen Screenshot des Formulares, zu finden auf der Seite des Landkreises Göttingen:

Bedingunslose Unterwerfung und Verzicht auf Rechtsmittel

 

Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Sollten Bedenken bestehen, ist man mit dem Widerruf des Jagdscheines einverstanden. Haben Sie das fehlende „d“ entdeckt? Kann man ein „d“ entdecken wenn es fehlt :-)

Widerruf?

Natürlich nicht. Ein Jagdschein wird nicht widerrufen, sondern für ungültig erklärt und das Dokument eingezogen, § 18 BJagdG.

Natürlich geht es um die elende Regelanfrage und den immensen Zeitdruck, bis zum Beginn des Jagdjahres am 01.04. die Jagdscheine verlängern zu müssen. Wir haben bereits berichtet: Regierungsversagen Waffengesetz. Aber hier ging die Kreativität denn doch deutlich zu weit.

Verzicht auf einstweiligen Rechtsschutz

Eigentlich, ja eigentlich, haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, § 80 VwGO. Der Gesetzgeber macht davon aber im Waffenrecht zahlreiche Ausnahmen und die Behörden können die sofortige Vollziehung in den verbliebenen Fällen anordnen. Die einzige Chance, daß sich dann ein Volljurist der Sache annimmt, ist, zum Gericht mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu rennen. Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung anordnen oder wiederherstellen. Das passiert dann in einem Eilverfahren anstatt im jahrelangen Regelverfahren.

Auf dieses – wir meinen elementare – Recht soll der Antragsteller bei Verlängerung seines Jagdscheines auch verzichten. Warum eigentlich diese vollständige Unterwerfung?

Wenn diese Erklärung vor den Gerichten bestand haben sollte, müssen Sie das normale Klageverfahren vor den Verwaltungsgerichten durchlaufen und das dauert etliche Jahre. Die Zeit hat der Jäger in der Regel nicht.

Wir empfehlen, die gesamte Erklärung durchzustreichen. Sie findet im Gesetz keine Stütze und ist auch kaum verständlich. Hört sich ja nett an und jeder kann sich (etwas anderes) darunter vorstellen:

  • ein Ermittlungs- oder Strafverfahren steht gegen mich nicht an

Woher wollen Sie wissen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen Sie geführt wird? Die Behörden ermitteln vorzugsweise ohne Sie darüber zu informieren.

Im Zweifel sollten Sie einen Anwalt zu Rate ziehen. Uns erreichen Sie hier: Kontakt