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Vorgeschobener Eigenbedarf ist strafbar

Vorgeschobener Eigenbedarf ist vorgetäuschter Eigenbedarf. Oder glauben Sie wirklich, die Tochter Ihres Vermieters will hier einziehen?

Ausgangslage

Es rollt eine Lawine von Eigenbedarfskündigungen von Wohnraum über Berlin. Immer mehr Mietwohnungen werden von Privatpersonen vermietet. Da kommt es schon mal vor, dass der Sohn oder die Tochter auszieht und in eigene, noch vermietete, vier Wände strebt. Das ist dann echter Eigenbedarf.

Betroffene stellen aber immer öfter im Nachhinein fest, dass der Vermieter kinderlos ist, oder die Tochter in Amerika studiert, oder die von ihnen gerade geräumte Wohnung schon kurze Zeit später zu dem doppelten Mietzins, vielleicht jetzt möbliert oder zum Verkauf auf einem der einschlägigen Portale angeboten wird.

Zivilrechtlich löst diese Vorgehensweise eine Schadensersatzpflicht des unredlichen Ex-Vermieters aus. Hierzu gibt es ausreichend Rechtsprechung und bei Bedarf meine auf das Mietrecht spezialisierte Kollegin Sabine Jede.

Das Problem des Zivilprozesses ist, der Ex-Mieter wird seinen Schaden einklagen müssen, ihn trifft für die Unehrlichkeit seines damaligen Vermieters die volle Beweislast und er muss die Gerichtskosten vorschießen. Mal ganz abgesehen von der komplizierten Schadensberechnung.

Vorgeschobener Eigenbedarf – § 263 StGB

Vorgeschobener Eigenbedarf kann aber auch eine Straftat darstellen. Er erfüllt sämtliche Merkmale des Betruges; § 263 StGB.

Reicht eine Strafanzeige auf der Internetwache?

Ganz so einfach ist es dann doch nicht!

Die vorgeschobene Eigenbedarfskündigung fristet als Straftat noch ein Mauerblümchendasein.

Staatsanwaltschaften und Strafgerichte haben sich ihrer bisher nur selten annehmen müssen. Noch finden Sie bei Dr. Google nur wenig darüber. In ein paar Jahren wird sich das geändert haben.

Es ist also durch einen wohlbegründeten Strafantrag zunächst Überzeugungsarbeit zu leisten, damit der Staatsanwalt (m/w/d), der mit diesem Problem bisher noch nichts am Hut hatte, einen begründeten Anfangsverdacht teilt und die Ermittlungen gegen ihren Ex-Vermieter aufnimmt. Insbesondere die für die Annahme eines Betruges erforderliche Stoffgleichheit zwischen Vermögensvorteil des unredlichen Ex-Vermieters und dem durch die Eigenbedarfskündigung eingetretenen Vermögensnachteil beim Ex-Mieter ist sorgfältig darzustellen. Noch höhere Anforderungen an den Vortrag können dann gestellt sein, wenn der Ex-Vermieter keine Mitteilung über den zwischenzeitlichen Wegfall des Eigenbedarfes tätigt, ihm also Betrug durch Unterlassen vorzuwerfen ist.

Gelingt eine fundierte Strafanzeige, dann erhebt der Staatsanwalt die Beweise, die Sie im Zivilprozess mühsam hätten beschaffen müssen.

Wir beraten Sie auch zu diesem Thema umfangreich, rufen Sie uns einfach an: Kontakt

Eigenbedarf künstlich herbeigeführt

Eigenbedarf und Umgehung des Mieterschutzes

Man merkt der ZK 66 des LG Berlin an, daß ihr bei dieser Begründung einer Eigenbedarf-Kündigung „der Hut hochging“ (66 S 170/22 v. 02.06.2023):

  • Der Kläger kündigt die von seinem Ehemann bewohnte Wohnung, um einen optimalen Verkaufswert für eine leere Wohnung erzielen zu können.
  • Der Kläger kündigt sodann dem Beklagten unter Hinweis auf den nunmehr bestehenden Eigenbedarf für seinen Ehemann. Die Wohnung des Beklagten verfügt über keinerlei zusätzliche, ausgeprägtere oder „bessere“ Eigenschaften, als diejenige Wohnung, die der Kläger seinem Ehemann bereits überlassen aber gekündigt hatte.

Die 66. findet deutliche Worte:

Der darin [in der Eigenbedarfskündigung] geltend gemachte Wohnbedarf ist durch die Umgehung der Kündigungsbeschränkungen aus § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vom Kläger und seinem Ehemann geschaffen worden. Gegenüber dem Wohnraummieter, dessen Schutz die Beschränkung der Befugnisse des Eigentümers in § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB dient, ist eine solche Umgehung rechtsmissbräuchlich.

Der Kläger und sein Ehemann haben den Bedarf selbst herbeigeführt. Sich nunmehr auf diesen Bedarf zu berufen ist rechtsmißbräuchlich.

Orientierungssätze LG Berlin 66 S 170/22

1. Hat im Vorfeld einer Eigenbedarfskündigung die Bedarfsperson eine von ihr genutzte Wohnung an den kündigenden Vermieter zurückgegeben, damit dieser die Wohnung leer stehend zu einem besseren Kaufpreis veräußern kann, und kündigt der Vermieter daraufhin eine andere vermietete Wohnung, um die Bedarfsperson nunmehr dort unterzubringen, so ist die Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.
2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die veräußerte und die gekündigte Wohnung im wesentlichen vergleichbare Eigenschaften aufweisen, und wenn die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB im Verhältnis zum gekündigten Mieter nicht vorgelegen hätten.

Im Mietrecht berät und vertritt Sie Frau Rechtsanwältin Sabine Jede auch zum Themenbereich Eigenbedarfskündigung.

 

Zweckentfremdung Berlin

Zweckentfremdung nach dem Zweckentfremdungsverbot-Gesetz – ZwVbG wird vom Bezirksamt Mitte in einer Art und Weise definiert, die mich schaudern läßt.

Die Mandantin hat im Grunewald eine Wohnung, die Hauptwohnung.

Sie hat eine Nebenwohnung in Mitte. Sie arbeitet im Bezirk Mitte und manches mal hat sie schlicht keine Lust nach Grunewald zu fahren und bleibt in ihrer Wohnung in Mitte.

Völlig unproblematisch, denken Sie? Dann befinden Sie sich bei uns in bester Gesellschaft, auch wir dachten so. Bis wir diese Zeilen aus berufener Feder lasen:

Mit dem Schreiben vom 31.07.2019 teilten Sie mit, dass Sie in Berlin zwei Wohnungen bewohnen. Ein Berliner Wohnsitz schließt jedoch aus, eine weitere Wohnung in Berlin zu privaten Wohnzwecken zu nutzen. Denn von einem Wohnsitz kann nicht gesprochen werden, wenn noch ein weiterer Wohnsitz besteht. Gewohnt wird ausschließlich am selben Ort.

Daher handelt es sich um eine Zweckentfremdung von Wohnraum. Aus diesem Grund müssten Sie eine der beiden Wohnungen für den Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen.

Da steht mir doch der Schaum vor dem Mund. Nach Ansicht des Bezirksamtes Mitte ist es nicht erlaubt, in Berlin zwei Wohnungen zu bewohnen, eine ist dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen.

Grundlage ist § 2 ZwVbG und der besagt:

(1) Eine Zweckentfremdung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken genutzt wird, insbesondere …

Was für eine grandiose Gesetzesauslegung! Die Nutzung einer zweiten Wohnung zu Wohnzwecken ist eine Zweckentfremdung. Kann es vielleicht sein, daß da jemand überfordert ist oder einfach nur seine gesellschaftspolitischen Phantasien ausleben will?

Wohnraum wird nicht zweckentfremdet, wenn er nur von Zeit zu Zeit bzw. als zusätzliche Wohnung zu Wohnzwecken bewohnt wird, schreibt das VG Berlin in seiner Entscheidung vom 17.10.2018 – 6 K 666.17 – (RN 19) und verweist auf BVerfG v. 04.02.1975 – 2 BvL 5/74 – und auf die eigene Entscheidung v. 15.11.2017 – 6 K 1569.16 – RN 29 m.w.N.

Das BverfG führte seinerzeit aus:

Ferner kommt nur Wohnraum in Betracht, den der Verfügungsberechtigte nicht selbst nutzt oder zu nutzen beabsichtigt, und sei es nur von Zeit zu Zeit (aktueller und potentieller Eigenbedarf); denn Art. 6 MRVerbG führt keine Wohnraumbewirtschaftung im herkömmlichen Sinne ein, sondern beläßt dem Verfügungsberechtigten das Recht, nach eigenem Ermessen zu bestimmen, wieviel Wohnraum er zur Deckung seines Eigenbedarfs in Anspruch nehmen will, weil hierbei die Zweckbestimmung als Wohnraum nicht aufgehoben wird.
(BVerfG, Beschluss vom 04. Februar 1975 – 2 BvL 5/74 –, BVerfGE 38, 348-372, Rn. 54)

 

Wenn Sie auch ein Problem mit der Zweckentfremdung haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Rechtsanwältin Sabine Jede