Ausnahmefall Regelvermutung
Es gibt ihn doch, den Ausnahmefall!
§ 5 WaffG regelt, wer die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
Absatz 1 der Vorschrift listet die Fälle der unwiderleglichen Unzuverlässigkeit auf.
Der Einleitung des zweiten Absatzes läßt viele hoffen:
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, …
Wo eine Regel, da sind auch Ausnahmen. Liegt nicht trotz der Verurteilung zu 60 Tagessätzen oder mehr ein Ausnahmefall vor? Wir hatten dem vor Jahren einen Beitrag gewidmet: Regelvermutung.
Wer es vor den Verwaltungsgerichten versucht, liest dann im vernichtenden Urteil regelmäßig:
Eine Abweichung von der Vermutung kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind.
Dieser Satz soll dann begründen, warum ein Ausnahmefall nicht gegeben sei.
Es geht aber auch anders. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juli 2025 – 6 S 929/24 – hat in der Berufung das Urteil des VG Karlsruhe vom 20. Februar 2024 – 12 K 1804/23 – gehalten. Die Gerichte haben auf den langen Zeitabstand zwischen Straftat und Erlaß des Widerspruchsbescheides abgestellt.
- Letzte Tat 18.04.2013
- Strafbefehl über 150 Tagessätze rechtskräftig am 25.09.2019
- Erlaß Widerspruchsbescheid 18.04.2023, also exakt 10 Jahre nach der letzten Tat.
Das Gericht berücksichtigte auch, auf welche Umstände die lange Verfahrensdauer zurückzuführen war:
Ist das Verfahren dagegen aufgrund von Umständen, die nicht in der Sphäre des Betroffenen liegen, nicht binnen angemessener Zeit abgeschlossen worden, wird regelmäßig ein Ausnahmefall zu bejahen sein, sofern die Tatumstände die Annahme eines solchen nicht ausschließen
(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Juli 2025 – 6 S 929/24 –, Rn. 34)
Und gibt dem Rechtsanwender mit auf den Weg:
Bei einer hypothetischen Betrachtung wäre das Strafverfahren ohne die aufgezeigten Verzögerungen mindestens vier Jahre früher rechtskräftig abgeschlossen worden. In diesem Fall hätte die Verurteilung, wenngleich sie vermutlich höher ausgefallen wäre, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im April 2023 nicht dreieinhalb, sondern mindestens siebeneinhalb Jahre zurückgelegen, sodass der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG nicht erfüllt gewesen wäre.
(a.a.O., Rn. 36)
Sobald Ihnen der Widerruf Ihrer waffenrechtlichen Erlaubnisse angedroht wird, sollte eine sorgfältige Durchsicht der Akten, ggf. auch der Strafakten, erfolgen. Wir erledigen das für Sie!
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