Last not least

Der Verteidiger darf gemäß § 147 Abs. 1 StPO die dem Gericht vorliegenden Akten einsehen und zwar unabhängig davon, ob er Wahlverteidiger (§ 137 StPO) oder Pflichtverteidiger (§ 141 StPO) ist. Das Akteneinsichtsrecht ist notwendiger Bestandteil jedes rechtstaatlichen Verfahrens und dient der Verwirklichung höchster verfassungsrechtlicher Prinzipien wie „Fairness im Verfahren“, „Waffengleichheit“ oder „rechtliches Gehör“. Schließlich kann der (beschuldigte) Bürger ohne die Möglichkeit, vom Inhalt der sein Verfahren betreffenden Akten Kenntnis zu nehmen, seine Rechte nicht wirksam wahrnehmen. Zumindest im Strafverfahren erfolgt die Gewährung der Akteneinsicht regelmäßig reibungslos, wäre da nicht dieser ewige Versuch behördlicherseits, die Wahrnehmung dieses essentiellen Rechts von der Vorlage einer schriftlichen Bevollmächtigung abhängig machen zu wollen.

Wir gehen standardgemäß auf diese angebliche Verpflichtung zur Vorlage einer Vollmacht nicht ein. Wir werden nicht ohne Auftrag und Vollmacht tätig, wir sind Organe der Rechtspflege. Sofern die Behörde oder das Gericht nachvollziehbare Zweifel an unserer Bevollmächtigung darlegt, versichern wir die ordnungsgemäße Bevollmächtigung und legen notfalls das Original vor (es gelangt keine Kopie zur Akte, s.u.)

In unseren Augen stellt der Versuch, uns eine Vorlage der Bevollmächtigung abzuringen, einen prozessualen Kuhhandel dar: Schließlich wird hier ein selbstverständliches Recht von einer Bedingung abhängig gemacht, die gesetzlich überhaupt nicht statuiert ist. So verlangt das Gesetz grundsätzlich für keine einzige (strafprozessuale) Verfahrenshandlung die Vorlage der schriftlichen Bevollmächtigung. Eine Ausnahme besteht lediglich für die Fälle der Vertretung des nicht zur Anwesenheit verpflichteten Angeklagten (vgl. § 234, § 329, § 350, § 387, § 411 Abs. 2 StPO).

Warum geben sich dann aber die Behörden damit gelegentlich nicht zufrieden?

Dazu muß man wissen, daß die Abgabe der schriftlichen Vollmacht an die Behörden, die diese wiederum zu den Akten heften, eine Verpflichtung für den Strafverteidiger mit sich bringt, Zustellungen und sonstige Mitteilungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen (§ 145a StPO). Diese den Verteidiger zum Gerichtsboten degradierende gesetzliche Anordnung ist zwingender Natur, d.h. sie kann nicht etwa mit dem Verweis auf den fehlenden Willen des Mandanten umgangen werden (vgl. OLG Dresden, NStZ-RR 2005, S. 244; OLG Köln, NJW 2004, S. 3196; Schmitt, in: Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 63. Aufl. 2020, § 145a, Rdnr. 2).

Im Klartext: Befindet sich die Verteidigungsvollmacht bei den Akten, wird der Verteidiger qua gesetzlicher Anordnung empfangsbevollmächtigt. Diese Erweiterung des Adressatenkreises behördlicher Mitteilungen bedeutet für die Strafverfolgungsbehörde eine enorme Erleichterung: Sie muß sich nicht mehr auf die umständliche Suche häufig schwer auffindbarer Beschuldigter machen, sondern kann ganz einfach an den Verteidiger zustellen, dem es dann wiederum obliegt, den Beschuldigten vom Inhalt der Mitteilung in Kenntnis zu setzen.

Regelmäßig stehen zwar Verteidiger und Mandant in engem Kontakt, aber es könnte – aus welchen Gründen auch immer – vorkommen, daß der Mandant für uns nicht erreichbar ist. Dies hätte dann zur Folge, daß wir mit behördlichen Maßnahmen konfrontiert werden, auf die wir ohne Rücksprache mit dem Mandanten reagieren müssen. Von Waffengleichheit kann dann keine Rede mehr sein – ein eindeutiger Nachteil für eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie. So könnten sogar behördliche Maßnahmen Rechtskraft entfalten, ohne daß der Mandant davon irgendwelche Kenntnis hat. Das worst-case-Szenario wäre die Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung an den Verteidiger. Fehlt der Angeklagte dann im Termin, weil der Verteidiger seinen Mandanten davon nicht in Kenntnis setzen konnte, hat dies regelmäßig den Erlaß eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO zur Folge.

Unter Berücksichtigung der fehlenden gesetzlichen Vorgaben ist es konsequenterweise ständige Rechtsprechung und absolut herrschende Meinung im Schrifttum, daß die Vorlage der schriftlichen Vollmacht zur wirksamen Vornahme von Verfahrungshandlungen nicht notwendig ist (vgl. BGHSt 36, 259-262; LG Oldenburg, in: StV 1990, S. 59; LG Bonn, in: AnwBl. 2001, S. 300; LG Cottbus, StraFo 2002, S. 233; H. Dahs, Handbuch des Strafverteidiger, 6. Auflage 1999, Rdnr. 92; Schmitt, in: Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 63. Aufl. 2020, Einl. v. § 137, Rdnr. 9; W. Ruß, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, 5. Auflage 2003, § 297, Rdnr. 1; K.-H. Schnarr, Das Schicksal der Vollmacht nach Beiordnung des gewählten Verteidigers, in: NStZ 1986, S. 490 [493]; H.-D. Weiß, Die Verteidigervollmacht – ein tückischer Sprachgebrauch, in: NJW 1983, S. 89 [91]).

Ausdrücklich betont der BGH, daß für den Nachweis des Verteidigungsverhältnisses entweder die Anzeige des Beschuldigten oder des Verteidigers genügt, wobei allein schon die Vermutung für die Bevollmächtigung eines sich als Verteidiger bezeichnenden Rechtsanwalts spricht (vgl. BGH NStZ-RR 1998, S. 18). Lediglich wenn sich begründete Zweifel ergeben, kann unter Umständen der Nachweis der Verteidigerbestellung erforderlich sein; ein besonderes Formerfordernis für das Zustandekommen des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages besteht aber nicht (vgl. KG Berlin, 3 Ws 290/04). In Berlin war der Generalstaatsanwalt auch seit Jahren dieser Auffassung (AktZ: 1451 E Bd. IIa Bl.4), die Staatsanwaltschaft hat nun  in einer Stellungnahme (vgl. Meyer-Lohkamp, Venn; StraFo_2009-265) zu recht daraufhingewiesen, daß lediglich bei „konkreten und gewichtigen Zweifeln“ die Vorlage erforderlich sei. Nun hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.09.2011 – 2 BvR 449/11 – bestätigt, daß der Verteidiger regelmäßig keine Vollmacht vorlegen muß. Ob das zur Kenntnis genommen und beachtet wird?

Und ganz aktuell die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Rheinland-Pfalz vom 28.01.2021 – VGH B 71/2 – :

„1. Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde durch den Verteidiger bedarf es grundsätzlich nicht
2. Legt der Verteidiger ein Rechtsmittel ein (hier: Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid) spricht eine Vermutung dafür, dass der Verteidiger dazu bevollmächtigt ist.“

Im Ergebnis vereinfacht die Rechtsfolge des § 145a StPO das in den Aufgabenkreis der Behörden fallende Zustellungswesen zum Nachteil des Verteidigers. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, daß wir es tunlichst vermeiden, die schriftliche Vollmacht in die behördlichen Akten gelangen zu lassen. Anders liegt der Fall natürlich, wenn uns ein Mandant dazu beauftragt, für ihn zustellungsbereit zu sein.

Weitere Nachweise zum Thema Vorlage der Vollmacht finden sie im Internet auf den Webseiten der Kanzlei Hoenig, dem VollMachtsBlog und natürlich auch auf unserem Blog

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RA Andreas Schulze

RA Dr. Karl-Heinz Schmitz

Karl-Heinz Schmitz

Karl-Heinz Schmitz

Der Namensgeber der Partnerschaft, Dr. Karl-Heinz Schmitz, war waschechter Berliner. Seine Vita ist noch heute prägend für die Kanzlei, die er gründete; die Mitarbeiter sind seinen Prinzipien auch weiterhin verpflichtet.

1932 wurde er in der Charité geboren. Nach seinem Abitur in Berlin hat er an der Freien Universität und später an der Universität in Hamburg Rechts- und Volkswissenschaft studiert.

Er war verheiratet, hat zwei Kinder und sechs Enkel.

Fast gleichzeitig mit dem Assessorexamen in Berlin wurde Karl-Heinz Schmitz für die CDU in das Abgeordnetenhaus gewählt, dem er, mit Unterbrechung (1963-1967), bis 1985 angehörte.

In dieser Zeit war er auch vorübergehend Mitglied des Deutschen Bundestages.

Das Mandat im Deutschen Bundestag gab er im Interesse seiner Berliner politischen Aufgaben auf, denn er war von 1963-1982 geschäftsführender Vorsitzender und später zweiter Landesvorsitzender der CDU Berlin.

Gleichzeitig war Karl-Heinz Schmitz Mitglied des Rundfunkrates des SFB (Vorsitzender).

Er war Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse sowie Träger von verschiedenen ausländischen Orden.

Nach 1985 konzentrierte er sich auf seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar (RA von 1959 bis 2012, Notar bis zum Jahr 2002).

Der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit war in den letzten Jahren das Kassenvertragsrecht aber auch Gesellschaftsrecht mit internationalem Einschlag.

Sein außerberufliches Interesse galt vor allem Asien, das er von 1969 bis zu seinem Tod häufig bereiste.

Er erhielt den Ehrendoktor der Yonsei Universität in Seoul Korea im Jahr 1978 und 1985 den Ehrendoktor der Fu-Yen Universität Taipeh, Taiwan.

Seit Anfang der 70er Jahre war er Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft in Berlin und auch der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft, Freunde Taiwans.

Neben diesen Gesellschaften war er auch Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, da ihn von Beginn seiner beruflichen und politischen Tätigkeit an mit Israel ein besonderes Interesse verbindet.

Weiter war er, neben seiner Mitgliedschaft in der CDU, Gründer des Polizeiarbeitskreises (Ehrenvorsitzender), Mitglied des Arbeitskreises christlich-demokratischer Juristen, des Unionshilfswerks, der Vereinigung ehemaliger Abgeordneter in Berlin und des Bundes (Parlamentarische Gesellschaft).

Er war ferner Mitglied des Weißen Rings und vieler anderer wohltätiger Organisationen.

Er verstarb 2016.

Den Nachruf des Abgeordnetenhauses von Berlin können Sie hier sehen:

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Rechtsanwältin Sabine Jede

RAin Sabine Jede

Sabine Jede, Jahrgang 1961, studierte in Berlin und Lausanne (Schweiz), legte 1995 das 2. Staatsexamen ab und ist seit dem 07.07.1995 in Berlin zugelassene Rechtsanwältin.

Zunächst betrieb sie ihre eigene Kanzlei in Bürogemeinschaft mit einer mittelgroßen Sozietät und gründete dann zusammen mit ihrem Ehemann Andreas Jede und ihrem Vater Dr. Karl-Heinz Schmitz die Partnerschaftsgesellschaft Dr. Schmitz & Partner.

Als erfahrene Vorstandsvorsitzende eines etwas größeren Familienunternehmens (Haushaltsführung, Erziehung, Vermittlung haushaltstypischer Fertigkeiten in einem Haushalt mit fünf Männern, davon vier Söhne) übernahm sie auch in der Kanzlei den Bereich des Personalmanagements – von der Einstellung über Organisation bis zur Azubi-Ausbildung.

Ihre spezialisierten Rechtsgebiete sind Mietrecht, Erbrecht und das Renten- und Entschädigungsrecht der überlebenden Holocaust-Opfer. Sie hat daher enge Kontakte nach New York und Tel Aviv. Seit Neuestem ist sie auch im Betreuungsrecht unterwegs – speziell für ältere und/oder demente Menschen.

Im Rahmen des Referats Opferschutz betreut Sabine Jede insbesondere weibliche Mandanten.

S.Jede@DrSchmitz.de