Eins = Viele?

Jeder Strafverteidiger kennt das: Die Presse berichtet und der Verteidiger fragt sich, ob er am selben Prozeß wie die Journalisten teilgenommen hat.

Das diesbezügliche Highlight erlebte ich vor ein paar Tagen. Der Prozeß begann mit einem zuvor von mir angekündigten Befangenheitsantrag. In einer Verhandlungspause schleicht sich ein älterer Herr zum Staatsanwalt und bespricht etwas mit ihm. Er hat einen Block in der Hand und macht sich fleißig Notizen.

Am nächsten Tag beginnt ein Zeitungsbericht vorwurfsvoll mit der Mitteilung, daß sich die Berufsrichter zum Prozeßbeginn mit mehreren Befangenheitsanträgen auseinandersetzen mußten. Der Rest des Berichtes war ebenfalls überwiegend unrichtig.

Da kann der Typ noch nicht einmal zählen. Selbstverständlich hat er sich auch nicht mit einem der Verteidiger unterhalten. Und auf meinen Vorwurf an einem der nächsten Verhandlungstage, daß er wohl Schwierigkeiten mit dem Zählen habe antwortete er, mit mir würde er nicht diskutieren.

So viel zum Wahrheitsgehalt einfachster Nachrichten aus der Rubrik Journalistenschelte. Mehr zu deren Höchstleistungen in unseren Beiträgen

Am 18. und 19.09.2014 ist die Berliner Polizei Dein Freund und Blitzer

Liebe Autofahrer,

am 18. und 19. September veranstaltet die Polizei im Berliner Stadtgebiet ein besonderes Event:

Es ist Blitzermarathon 2014!

Er wird auf der Website der Polizei beworben, wobei zusätzlich Standorte genannt werden, an denen die Verkehrsüberwachung unter anderem stattfinden soll.

Entsprechend der Meldung der Polizei haben auch die mobilen Einsatzfahrzeuge mit ihren ProVida-Kameras (bekannt aus einschlägigen Fernseh-Dokusoaps) Ausfahrt. Zwar heißt das Event Blitzermarathon, wir gehen aber davon aus, dass auch die neuen mobilen sog. Schwarzblitzer (ohne sichtbaren roten Blitz) mitmachen dürfen.

Damit der Marathon ein Erfolg für die Verkehrssicherheit und nicht für die Landeskasse wird, raten wir Ihnen – wie üblich- die Geschwindigkeitsbegrenzung zu beherzigen und auf der Autobahn auf den Abstand zu achten.

Falls der Polizei in dem ganzen Stress Fehler unterlaufen, sind wir natürlich für Sie da.

Fliegen ist sicher? – BER TXL

BER (TXL) 2014

BER (TXL) 2014 Bild anklicken – Text lesen und das Grauen macht sich breit

Als Berliner Strafverteidiger im Waffenrecht ist man viel unterwegs.

Waffen sind gefährlich! Waffen in den falschen Händen können zu Katastrophen führen.

Wenn wir fliegen begeben wir uns zwangsweise in die Hände des Personals der Sicherheitsfirmen auf den Flughäfen, deren Vergangenheit sehr sorgsam (auch durch Abfrage beim Verfassungsschutz, Jugendregister etc.) überprüft wird.

Beim Lesen dieses Schildes an einer Schleuse des Berliner Flughafens Tegel sorge ich mich allerdings massiv um meine Sicherheit. Wegen der langen Wartezeiten komme ich ins Phantasieren und stelle mir vor, wie diese Mitarbeiter schriftliche Anweisungen nicht verstehen oder … ergänzend zur Überprüfung aller möglichen und unmöglichen Register ein Deutschtest durchgeführt wird und die Wartezeiten sich um Stunden verlängern. Immerhin, das Schild ist nicht von derjenigen verfaßt, die die Gepäckwagen schiebt, sondern von derjenigen, die „den Hut auf hat“.

In Deutschland sind nach einer Studie der Universität Hamburg[1] 2 Millionen Erwachsene totale Analphabeten und weitere 7,5 Millionen Erwachsene funktionale Analphabeten (Illetrismus)[2].
Zitat aus unserem Beitrag Ist das die Gewährung rechtlichen Gehörs?

  1. [1]Bericht der ZEIT: www.Zeit.de; Studie als .pdf
  2. [2]Funktionale Analphabeten sind Menschen, die zwar Buchstaben erkennen und durchaus in der Lage sind, ihren Namen und ein paar Wörter zu schreiben, die jedoch den Sinn eines etwas längeren Textes entweder gar nicht verstehen oder nicht schnell und mühelos genug verstehen, um praktischen Nutzen davon zu haben.

Was ist „Hähnchen Kebab“ ? Danke OVG!

Das OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10.07.2014, OVG 5 N 27.12) wurde kulinarisch tätig und hat die Verbrauchererwartung an ein Tiefkühlprodukt, dass als „Hähnchen Kebab“ verkauft wird definiert:

„Mit der Produktbezeichnung „Kebab“, gleichzusetzen mit „Döner Kebab“, verbindet der Verbraucher die Erwartung, es handele sich bei dem Erzeugnis um – wenn auch dünn geschnittene – Streifen aus Hähnchenfleisch „wie gewachsen“.“

„Danach weisen u.a. „Hähnchen-Döner Kebab“ als besondere Merkmale dünne Fleischscheiben, auf Drehspieß aufgesteckt, auf. Ferner wird bei Hähnchen-Döner Kebab kein wie Hackfleisch zerkleinertes Fleisch eingesetzt“

„Vor diesem Hintergrund erwartet der Verbraucher bei einem (Döner) Kebab Fleisch „wie gewachsen“, und bei einem Tiefkühlprodukt wie dem vorliegenden mit „arttypisch“ gewürzten gegarten Hähnchenfleisch-Teilchen geht seine Erwartung dahin, dass es nach dem Aufbraten so schmeckt wie das direkt vom Döner-Drehspieß abgesäbelte Hähnchenfleisch, das keine strukturellen Veränderungen gegenüber dem Fleisch „wie gewachsen“ aufweisen darf.“

Dementsprechend durfte das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg auf Veranlassung der Lebensmittelaufsicht davon ausgehen, dass ein aus zerkleinertem Hühnerfleisch hergestelltes und als „Hähnchen Kebab“ bezeichneten Tiefkühlprodukt eine irreführende Bezeichnung ist und eine Strafanzeige gegen den Produzenten erstatten.

Ich (RA Hahn) halte ein solches Produkt jedoch aus eher persönlichen Gründen für fragwürdig ;), bedankte mich jedoch bei dem OVG Berlin-Brandenburg für die „juristische Aufarbeitung“ des Sachverhaltes!

Ups: Kündigung des Mietvertrages wegen Verzug des Jobcenters…

Beziehern von ALG II oder – im aktuellen Jargon – den Kunden des Jobcenters werden Leistung für den Bedarf von Unterkunft und Heizung gewährt.

Ob die Auszahlung direkt an den Kunden oder den Vermieter erfolgt orientiert sich an § 22 VII SGB II. Hier heißt es in Satz 2:

„Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. „

Mit der Frage, ob der Kunde des Jobcenters in Verzug gerät, falls die Zahlung durch das Jobcenter „nicht sichergestellt“ ist und der Vermieter dem Kunden nunmehr die Wohnung kündigt, durfte sich in der Berufungsinstanz das LG Berlin (Urteil vom LG Berlin, Urteil vom 24. Juli 2014, 67 S 94/14) beschäftigen.

In dem entschiedenen Fall hatte das Jobcenter aufgrund eines Fehlers die Zahlung zweier Monatsmieten vergessen. Der Kunde und Mieter erhielt hiervon erst mit Zustellung der Klageschrift Kenntnis.

Das Amtsgericht Mitte (Urteil vom 11. Februar 2014, Az: 5 C 596/12) fand die Kündigung durch den Vermieter aus wichtigem Grund (§ 543 II S.1 Nr. 3 b BGB) in Ordnung und rechnete den Verzug des Jobcenters dem Kunden zu.

Hiervon hielt das Landgericht weniger.

Es entschied, dass der Mieter und Kunde des Jobcenters erst in Verzug gerät, wenn er das Ausbleiben von Zahlungen des Jobcenters gekannt hatte oder hätte kennen müssen.

Für die Nachfrage des Mieters beim Jobcenter, um die Gründe für das Ausbleiben der Mietzahlung(en) zu ergründen oder diese zu veranlassen, hält das Landgericht eine Frist von mindestens einem Monat für notwendig. Erst danach gerate der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug.

Die Leitsätze des Urteils des Landgerichtes lauten:

„1. Der Mieter gerät grundsätzlich auch dann in Zahlungsverzug, wenn die vom JobCenter für den Mieter an den Vermieter unmittelbar zu leistenden Mietzahlungen aufgrund eines Versehens des Jobcenters ausbleiben.

2. Solange der Mieter keine Kenntnis von einem allein vom JobCenter zu verantwortenden Ausfall der Mietzahlungen hat, befindet er sich in einem den Verzug gemäß § 286 Abs. 4 BGB ausschließenden unvermeidbaren Tatsachenirrtum.

3. Der so begründete Tatsachenirrtum entfällt erst nach Ablauf einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Frist zur Überprüfung der tatsächlichen Grundlagen der Mietschuld; im Regelfall beträgt die zur Nachfrage und Informationsgewinnung gegenüber dem JobCenter erforderliche Mindestfrist für den Mieter einen Monat.“