Beschuldigter! Was haben Sie am 24. angestellt?

Im Laufe der Jahre sieht man als Verteidiger so einiges. Was mir der Mandant aber hier vorlegt, habe ich vorher noch nie gesehen und will ich Ihnen auch nicht vorenthalten!

Anhörung

Anhörung

Der Mandant erfährt zwar den angeblichen Tatort und die Tatzeit, nicht jedoch, was ihm vorgeworfen wird. Immerhin ein ausgewachsener Polizeihauptkommissar.

Sehr geehrter Herr PHK, gucken Sie sich doch bitte einmal in § 163 a IV StPO nach:

Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2, 3 und § 136a anzuwenden.

Der Polizeibeamte muß die Vorschriften nicht benennen. Er muß aber den Sachverhalt soweit bekanntgeben, daß sich der Beschuldigte dagegen verteidigen kann.

Nebenbei: Sie wissen natürlich, daß Sie nie etwas Unrechtes tun. Wissen Sie auch, ob die Strafverfolgungsbehörden Ihr Verhalten am 24. ebenso einschätzen? Wie hätten Sie geantwortet?

Hochspezialisierte KriPo

Manchmal verfolgen einen bestimmte Sätze in den Gedanken: Gestern konnte die Polizei in Berlin auch gute Nachrichten per Pressemitteilung verkünden:

Drogenhändler festgenommen – Richter erließ Haftbefehl

Ich bin beruhigt, es gibt noch Erfolge zu vermelden in dieser Stadt. Aber dann kommt es dicke und beschäftigt mich gehörig:

Die Ermittlungen des für Drogendelikte im öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Kommissariates beim Landskriminalamt dauern an.

Nein, nicht der Tippfehler! Da steht nicht einfach: „Die Ermittlungen des Kommissariates dauern an.“ Oder: „Die Ermittlungen des Kommissariates im Landeskriminalamt dauern an.“ Da steht:

Die Ermittlungen des für Drogendelikte im öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Kommissariates beim Landskriminalamt dauern an.

Die erklärenden Zusätze haben doch eine Bedeutung!

  • Ein Kommissariat ist für Drogendelikte zuständig. Klar, irgendjemand muß ja dafür zuständig sein.
  • Ein Kommissariat ist für Drogendelikte im Personennahverkehr zuständig. Offenkundig gibt es so viele Drogendelikte, daß die Zuständigkeit für Drogendelikte im Verkehr aufgesplittet werden muß auf die Zuständigkeit für den Personennahverkehr und den übrigen Verkehr, beispielsweise den Güterfernverkehr. Klar, macht Sinn! Die Ermittlungsmethoden bei Drogendelikten unterscheiden sich sicherlich auch danach, ob die Ermittler Drogen im Güterwagen oder U-Bahnwagen aufspüren.
  • Ein Kommissariat – nicht das für den Personennahverkehr! – ist für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig. Die Berliner KriPo ist so spezialisiert, daß sie unterschiedlichen Kommissariaten die Ermittlungen im öffentlichen und nichtöffentlichen (privaten) Personennahverkehr überträgt.

Das macht mir denn doch Sorgen und bestätigt mein Vorurteil: In was für einer Stadt lebe ich?

Die Organisationsstruktur der Berliner Polizei im Organigramm
Struktur des Landeskriminalamtes
Bei den örtlichen Direktionen sind die Referate für Verbrechensbekämpfung (VB) mit den Inspektionen und Kommissariaten angegliedert. Hier das Beispiel der für Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf zuständigen Polizeidirektion 2 – Kriminalpolizei
Die Polizei in den Bezirken: Stadtplan mit Hyperlinks auf die Abschnitte
Gliederung einer Direktion (1-6) / eines Berliner Polizeiabschnittes
Dann hat die Polizei auch noch Spezialaufgaben.
Ein Organigramm für die BtM-Kommissariate habe ich nicht gefunden. Wie heißt das geflügelte Wort in Berlin?
„Das ist auch gut so!“ Wer weiß, was ich da noch alles gefunden hätte :-)

ROTFL: AGH Schleswig Holstein

Der 2. Senat des Anwaltsgerichtshof Schleswig-Holstein – 2 AGH 6/07 – besetzt mit drei Rechsanwälten und zwei Vorsitzenden Richtern am Oberlandesgericht hat zugeschlagen! Da haben doch tatsächlich Rechtsanwälte für sich mit einer Zeitungsanzeige geworben:

KÜNDIGUNG?
TERMIN NOCH HEUTE!
Rechtsanwälte für Arbeitsrecht

Ein Kollege war entsetzt und machte eine „Eingabe“ bei der Rechtsanwaltskammer. Es kam, wie es wohl kommen mußte: Die Schleswig-Holsteinische Rechtsanwaltskammer untersagte den Rechsanwälten mit Bescheiden vom 12.09.2007 und 26.09.2007 unter Verwendung der Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ für ihre Kanzlei zu werben. Dagegen stellte einer der Rechtsanwälte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der am 15.10.2007 per Telefax einging und das Aktenzeichen 2 AGH 6/07 erhielt. Knapp anderthalb Jahre später fiel die Entscheidung. Aber völlig anders als zu erwarten war!

Bereits am 25.11.2002 hat der BGH – AnwZ (B) 8/02 – der Berliner Rechtsanwaltskammer die Leviten gelesen:

1. Die Bundesrechtsanwaltsordnung verleiht dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer
nicht das Recht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.

In den Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK-Mitt. 2003, 23) lautet der 2. Leitsatz der Redaktion dazu:

2. Derart weitgehende, einschneidende Eingriffsmöglichkeiten
würden der Stellung des RA nicht gerecht, da dieser unabhängiges
Organ der Rechtspflege ist und als solches nicht in
einem allgemeinen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis
zum Kammervorstand steht.

Die Entscheidung ist in zahlreichen juristischen Publikationen veröffentlicht. Im Beschluß des AGH kann man leider nicht nachlesen, warum der Senat von der Entscheidung des BGH abgewichen ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH wären die „Bescheide“ auch nicht in Teilbereichen aufrecht zu erhalten gewesen – BGH 14.07.2003 AnwZ (B) 59/02:

1. Eine Rechtsanwaltskammer kann nicht einen Bescheid, soweit er eine Regelung trifft (hier: Untersagung der Briefkopfgestaltung einer Anwaltskanzlei), teilweise zurücknehmen und ihn im übrigen, soweit er „Beratungen und Belehrungen“ enthält, aufrechterhalten.

Dem AGH jedenfalls waren die BRAK-Mitteilungen bekannt, denn er zitiert aus ihnen eine Entscheidung des BVerfG wonach die Werbung des Rechtsanwaltes nicht irreführend sein darf und stellt fest, daß die Werbung als Rechtsanwälte für Arbeitsrecht nicht nur irreführend, sondern auch verwechslungsfähig ist. Die Argumentation ist verblüffend und erinnert an einen circulus vitiosus:

Hier liegt nicht nur eine Irreführung vor, sondern auch die Gefahr der Verwechslung mit Fachanwaltschaften. Die Bezeichnung „Rechtsanwälte für Arbeitsrecht“ ist für den unbefangenen Rechtssuchenden sogar weitergehend als die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“. Eine größere Annäherung an die Bezeichnung „Fachanwälte für Arbeitsrecht“ ist begrifflich nicht denkbar. Eine Zulässigkeit dieser Form von Werbung entwertet den Begriff des Fachanwaltes völlig. Die Werbung ist auch irreführend. Auf diese Art der Werbung kann irrigerweise angenommen werden, dass hier Spezialisten tätig sind oder zumindest Fachanwälte. Beides liegt nicht vor.

Den Weg zum BGH wollte der AGH nicht eröffnen:

Die Zulassung der Beschwerde kam nicht in Betracht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt, § 223 Abs. 3 BRAO.

Wer hätte das nach der Begründung gedacht?

Die anwaltlichen Richter am AGH sind 1975, 1979 und 1983 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden, der jüngste ist Fachanwalt.

Wo war ich?

Im Jahre 1910 wurde das Gebäude in neubarocker Form als Polizeipräsidium Charlottenburg fertiggestellt. Diente es damals u.a. auch noch als Polizeigefängnis, so beherbergt es heute auch einige Polizeispezialdienststellen.
Quelle: Selbstdarstellung Polizei Berlin

Wie, ehemalige Gefängnisräume sind prädestiniert zur Beherbergung von Spezialeinheiten?

Die Vielfältigkeit des A 24 wird durch sechs Park- und Erholungsanlagen, 52 Laubenkolonien, 36 Schulen, 75 Kita’s, 19 Sportanlagen, 2 Gerichtsgebäude, 3 Strafanstalten, 330 Gaststätten und 4 Wochenmärkte unterstrichen.

Schöne Gegend. Abschnitt 24, Direktion 2.

Schulbank drücken

Während draußen grandioses Frühlingswetter herrscht, sitzen über 100 Anwälte in Weimar und hören spannende Vorträge zum Verkehrsrecht von Bundesrichtern: Die Rechtsprechung des BGH in Verkehrssachen im Jahre 2008 aus erster Hand.

Schön, daß man dort auch Kollegen wiedertrifft. Die Fortbildungsverpflichtung wird offenbar von vielen Kollegen unabhängig von der für Fachanwälte notwendigen Fortbildung genutzt. Der Kollege bekommt nur eine Stunde angerechnet.