Schiedsrichter zeigt die rote Karte

Statistik Verwaltungsgerichte

Landunter bei den Brandenburger Verwaltungsgerichten

Das Sparen an der Justiz macht sich sofort in der Statistik bemerkbar und die Bürgerin merkt es an der Gerichtspost in ihrem Briefkasten:

teile ich Ihnen mit, dass Sie zeitnah nicht mit einem Termin in der Sache rechnen können, da diesem Verfahren noch eine Vielzahl anderer Verfahren vorgehen.

Und der Rechtsanwalt soll es dann seiner Mandantin erklären. Also versuche ich es zunächst mit nackten Zahlen.

Das statistische Bundesamt veröffentlichte zuletzt im Februar 2024 die Zahlen der Republik des Jahres 2022 als umfangreiche Excel-Tabelle: Statistischer Bericht – Verwaltungsgerichte – 2022

Die Verwaltungsgerichte erledigten im Jahr 2022 insgesamt 167.600 Verfahren. Davon entfielen auf die speziell eingerichteten Asylkammern 81.695 Verfahren. Im Durchschnitt dauerten die Verfahren 18,4 Monate. Die Asylkammern benötigten im Schnitt 22,9 Monate bis zur Erledigung, die allgemeinen Kammern 14,1 Monate. Soweit die bundesweiten Zahlen.

Dauer der Verfahren in Brandenburg im Vergleich zum Bund

Während also im bundesdeutschen Durchschnitt der Bürger vor den allgemeinen Kammern ca. 1 Jahr und 2 Monate wartete, dauerten die Verfahren in Brandenburg durchschnittlich 28,5 Monate – dort vergehen bis zu einer Erledigung 2 Jahre, 4 Monate und 2 Wochen im Schnitt. Das ist der Spitzenplatz unter den deutschen Ländern. In Rheinland-Pfalz 6,0 Monate, in Berlin 12,9 und in Bayern 12,1 Monate.

Das sind die Zahlen aller erledigten Fälle. Darunter Eilverfahren (2,3 Monate) und auch die Erledigungen durch Klagerücknahme, etc.

Wie lange muß man im Schnitt in Deutschland auf ein Urteil der Verwaltungsgerichte warten?

Im Schnitt wartet die Bürgerin auf ein Urteil der allgemeinen Kammern 22,1 Monate; 6,7 % warten länger als 36 Monate auf die Entscheidung.

Brandenburg Schlusslicht

Wer in Brandenburg vor den Verwaltungsgerichten sein gutes Recht einfordert, wartet durchschnittlich 40,2 Monate (3,5 Jahre) auf das Urteil, ein Viertel der Verfahren dauert länger als 3 Jahre. Berlinerinnen warten nur halb so lang – 20,2 Monate und am schnellsten geht es in Rheinland-Pfalz mit 7,2 Monaten bis zum Urteil.

Mehr als 895 Milliarden € Steuern sind 2022 geflossen. Niemals waren es zuvor mehr. Offensichtlich sind unsere Politiker der Ansicht, daß nicht mehr Geld in die Justiz, insbesondere die Rechtsprechung fließen sollte. Justiz ist im Wesentlichen Ländersache.

Ihren Abgeordneten im Land finden Sie hier. Fragen Sie ihn nach seinen Prioritäten und warum die Justiz deutlich unterfinanziert ist. Meines Erachtens stimmt die Priorisierung der zu finanzierenden Aufgaben nicht mehr. Bei vielen Berichten kann ich nur noch verzweifelt mit den Zähnen knirschen, wofür alles Geld da ist.

Wir jedenfalls sind für unsere Mandanten da und stehen auch die ggfls. lange Verfahrensdauer mit ihnen durch. Kontakt

 

Honi soit qui mal y pense

Die Schlagzeile der Pressemeldung des BVerfG:

Erfolgreicher Eilantrag eines deutschen Staatsangehörigen gegen seine Auslieferung nach Ungarn

Die Pressemeldung des Bundeverfassungsgerichtes hat mir schier die Schuhe von den Füßen gerissen:

  • Einem deutschen Staatsbürger werden von den ungarischen Behörden Straftaten vorgeworfen.
  • Ungarn beantragt die Auslieferung des Deutschen nach Ungarn.
  • Das Kammergericht hat die Auslieferung des Antragstellers mit Beschluss vom 27. Juni 2024 für zulässig erklärt. Dieser Beschluss ging dem Bevollmächtigten des Antragstellers eigenen Angaben zufolge am selben Tag um 17.26 Uhr zu.
  • Bereits n der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2024 wird mit der Auslieferung begonnen.
  • Am Morgen des 28. Juni 2024 wird der Delinquent um 06:50 Uhr den österreichischen Behörden zwecks Durchlieferung an die ungarischen Behörden übergeben.
  • Am 28. Juni um 07:38 Uhr geht der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht ein.
  • Um 10:00 Uhr wird der Deutsche den ungarischen Behörden übergeben.
  • Gegen 10:50 Uhr untersagt das BVerfG einstweilen die Übergabe an die ungarischen Behörden und unterrichtet die Generalstaatsanwaltschaft Berlin telephonisch gegen 11:00 Uhr über den Beschluß,
  • die per eMail um 11:47 Uhr mitteilt, daß die Übergabe bereits um 10:00 Uhr erfolgt sei.

Wohlmeinende behaupten, in Berlin sei die Verwaltung dysfunktional. Mir drängt sich der Verdacht auf, die Verwaltung hat dem Betroffenen den Rechtsschutz effektiv entzogen.

BVerfG Beschluss vom 28.06.2024 – 2 BvQ 49/24

Nachtrag:

Die Legal Tribune Online berichtet, daß den Behörden der Antrag beim BVerfG bekannt war: Eilantrag beim BVerfG erfolgreich: Auslieferung von Maja T. nach Ungarn rechtswidrig . In: Legal Tribune Online, 28.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54882/ (abgerufen am: 28.06.2024 )

Berge von Geldmünzen

VBVG Vergütung Berufsbetreuer

Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern – VBVG

Das VBVG ist am 01.01.2023 in Kraft getreten. § 8 VBVG enthält eine wesentliche Neuregelung zur Vergütung des beruflichen Betreuers. Die Feststellung der Vergütungstabelle gilt für das gerichtliche Verfahren zur Festsetzung der Vergütung bundesweit. Die Gesetzesbegründung zur Vorschrift finden Sie in der BT-Drs. 564/20 auf den Seiten 538f.

Einer der Kernpunkte der Neuregelung des Rechts der beruflichen Betreuer ist die einmalige und rechtssichere Feststellung der für den jeweiligen Betreuer einschlägigen Vergütungstabelle. Der früher häufiger auftretende Ärger ist damit deutlich minimiert worden. Nunmehr wird die Vergütungstabelle einmalig und rechtssicher vom Amtsgericht oder der damit betreuten Stelle festgestellt.

Im Bezirk des Kammergerichtes werden die Aufgaben vom Amtsgericht Lichtenberg wahrgenommen – BtVergZustV BE -, in Brandenburg bspw. vom Landgericht in dessen Bezirk der Betreuer seinen Sitz hat – § 18 GerZV

Je nach Tabelle erfolgen unterschiedlich hohe Vergütungen für den Berufsbetreuer.

  • Tabelle A, sofern der Betreuer weder über eine abgeschlossene Lehre noch über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung verfügt,
  • Tabelle B, wenn der Betreuer über eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung verfügt und letztlich die
  • Tabelle C, wenn der Betreuer über eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung verfügt.

Einer der wesentlichen Unterschiede zur bisherigen Rechtslage in § 4 VBG a.F. besteht darin, daß nicht mehr darauf abgestellt wird, ob der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind.

Rechtbehelf gegen Entscheidungen der Behörde

Es bleibt aber beim häufigen Streit darum, ob eine „vergleichbare abgeschlossene Ausbildung“ absolviert wurde. Nunmehr ist der Streit nicht bei jeder Vergütungsfestsetzung ggfls. erneut zu führen. Aber was ist zu tun, wenn die Entscheidung bspw. des Präsidenten des Amtsgerichtes Lichtenberg falsch ist und die vergleichbare abgeschlossene Ausbildung nicht festgestellt wird?

Jetzt wird es tricky und selbst gestandene Anwälte erinnern sich nur noch Dunkel an ihre Ausbildungszeiten. Ja, das ist ein Anwendungsfall der Dunkelnorm im Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz. § 23 EGGVG. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Justizverwaltungsakt.

Wenn beispielsweise Tabelle B anstatt Tabelle C festgestellt wurde, ist der Antrag nach § 23 Abs. 1 und 2 EGGVG als Verpflichtungsantrag in Form des Versagungsgegenantrags das Mittel der Wahl.

Aber Achtung! Nicht nur, daß der Antrag binnen Monatsfrist beim Oberlandesgericht gestellt werden muß; Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrages ist auch die innerhalb der Monatsfrist dargelegte Begründung, in der die Verletzung der Rechte des Antragstellers ausgeführt werden müssen.

Wenn Sie rechtzeitig vor Ablauf der Monatsfrist zu uns kommen, erledigen wir das gerne für Sie: Kontakt

 

Rechtsbeistand

Häufig findet sich der Begriff „Rechtsbeistand“ und meint den „Rechtsanwalt“. Beides sind Berufsbezeichnungen und nicht Synonyme.
Wir blicken in die Geschichte …

Maishäcksler

Schießübungsnachweis

Schießübungsnachweis – BVerfG entscheidet nicht in der Sache

Das Thema Schießübungsnachweis bleibt verfassungsrechtlich ein Thema zum Mäusemelken.

Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat mit Beschluss vom 23.05.2016 – 8 K 3614/15 – dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,  ob § 17a Abs. 3 Satz 1 des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen in der Fassung des Art. 1 des Ökologischen Jagdgesetzes vom 12. Mai 2015 (GV NRW Seite 448, berichtigt Seite 629) mit Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 des Grundgesetzes vereinbar ist.

Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut:

„Voraussetzung für die Teilnahme an einer Bewegungsjagd auf Schalenwild ist der Nachweis einer besonderen Schießfertigkeit, der nicht älter als ein Jahr sein darf.“

So oder ähnlich heißt es in vielen Jagdgesetzen der Länder und widerspricht den abschließenden Regelungen des Bundesjagdgesetzes.

Das Verwaltungsgericht hat mit überzeugenden Gründen dargelegt, daß die Regelung in NRW verfassungswidrig ist und begründet dies ausführlich, zusammengefaßt:

2. § 17a Abs. 3 Satz 1 LJG-NRW ist verfassungswidrig, weil das Land Nordrhein-Westfalen nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die konkurrierende Gesetzgebung nicht befugt war, diese Regelung zu erlassen.
(VG Arnsberg, Beschluss vom 23. Mai 2016 – 8 K 3614/15 –, Rn. 62, juris)

Der Vorlagebeschluß hat im Großen und Ganzen die hohen Hürden der Rechtsprechung des BVerfG erfüllt, das Gericht stellt dies ausführlich dar. Aber der Teufel steckt wie so häufig im Detail, die uns das BVerfG mit heute veröffentlichter Entscheidung vor Augen führte.

§ 17a Abs. 3 Satz 1 LJG-NRW wurde zum 13. März 2019 geändert und lautet nunmehr:

(3) Voraussetzung für die Teilnahme an einer Bewegungsjagd auf Schalenwild ist ein Schießübungsnachweis, der nicht älter als ein Jahr sein darf.

Fällt Ihnen überhaupt der Unterschied auf? Ich mußte mehrfach lesen. Nunmehr wird nicht mehr der Nachweis einer besonderen Schießfertigkeit gefordert, sondern ein Schießübungsnachweis.

Das BVerfG sieht es so, daß nunmehr das Feststellungsinteresse des Klägers entfallen sei:

Unsicherheiten dahingehend, ob der Kläger zu einer Jagdteilnahme ohne Schießfertigkeitsnachweis berechtigt ist, bestehen vor dem Hintergrund, dass § 17a Abs. 3 Satz 1 LJG-NRW (n.F.) einen solchen nicht mehr fordert, offensichtlich nicht mehr. (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2023
2 BvL 9/16 -, Rn. 57)

Schließlich ist ein Schießübungsnachweis kein Schießfertigkeitsnachweis.

Die Chance gleichwohl in der Sache zu entscheiden hat das BVerfG gesehen aber den Weg nicht gehen wollen:

Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der sachliche Gehalt der Vorschrift des § 17a Abs. 3 Satz 1 LJG-NRW (a.F.) trotz der erfolgten Änderung im Wesentlichen erhalten geblieben ist, bleibt der nunmehr verlangte bloße Schießübungsnachweis doch hinter dem ursprünglich verlangten Schießfertigkeitsnachweis qualitativ deutlich zurück. (Rn. 65)

Das erkläre mir bitte ein Verfassungsrechtler. Der Vorlagebeschluß moniert, m.E. zurecht, daß dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung eines Schießfertigkeitsnachweises fehlt und das Bundesverfassungsgericht stellt deklaratorisch fest, daß die Neuregelung schließlich einen qualitativ geringeren Eingriff darstellt.

Darauf haben wir Jagdrechtler nun 7 1/2 Jahre gewartet. Es ist zum Mäusemelken! Der Vorlagebeschluß mag anderen Verwaltungsgerichten als Blaupause gelten.