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Kinderpornografie

Mindeststrafe für Besitz von Kinderpornografie verfassungswidrig?

Das AG Buchen strengt ein weiteres Normenkontrollverfahren wegen Besitzes von Kinderpornografie an

Nachdem bereits das AG München – ein konkretes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht – 2 BvL 11/22 – angestrengt hat, hält nunmehr auch das AG Buchen die Mindeststrafbarkeit von einem Jahr für den Besitz von Kinderpornografie wegen des Verstoßes gegen das Übermaßverbot für verfassungswidrig und legt sein Verfahren dem BVerfG vor.

Es mehren sich somit die Stimmen kritischer Amtsrichter, die die ihnen vom Gesetzgeber aufgezwungene Mindestbestrafung von einem Jahr Freiheitsstrafe für den Besitz von Kinderpornografie für verfassungswidrig halten.

Der Vorlagebeschluss des AG Buchen – Beschluss vom 01.02.2023 – 1 Ls 1 Js 6298/21 – ist beim Kollegen Burhoff im Volltext veröffentlicht.

Das Schöffengericht Buchen kam nach durchgeführter Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass sich die Angeklagte wegen Besitzes von kinderpornografischen Inhalten in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornografischer Inhalte strafbar gem. §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3, 52 StGB gemacht hat.

Auf dem Handy der Frau wurden automatisch gespeicherte Inhalte aus WhatsApp Chats mit kinder- und jugendpornografischem Inhalt festgestellt.

Die Besonderheit des Falles bestand somit darin, dass die nicht vorbestrafte, kooperierende Angeklagte unfreiwillig in den Besitz dieser Inhalte gekommen war, kein Interesse daran hatte und den Besitz aus Nachlässigkeit aufrechterhalten hat, mit dem Gedanken die Dateien irgendwann später einmal zu löschen.

Das Gericht wertete dieses Unterlassen der dauerhaften Löschung der Dateien, deren Besitz sie zwar unvorsätzlich erlangt hatte, aber trotzdem als vorsätzlichen Besitz und hätte die Angeklagte demzufolge zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilen müssen.

Das Amtsgericht begründet seinen Vorlagebeschluss nicht ausschließlich mit dem allgemeinen Verweis auf den im Gesetz fehlenden minderschweren Fall, sondern weist dem Gesetzgeber konkret nach, dass er den Fall des unfreiwilligen, aber vorsätzlichen Besitzes von kinderpornografischen Inhalten bei seiner Strafrahmenvorgabe nicht bedacht hat.

Das Verfahren ist nicht nur für alle diejenigen, die in zahllosen WhatsApp-Gruppen aktiv sind und ihren Handyspeicher nicht regelmäßig löschen von Bedeutung, sondern bietet uns Verteidigern gute Argumente, in vergleichbaren Verfahren, die im Grunde nach einer Opportunitätsentscheidung oder Geldstrafe schreien, die Aussetzung unserer Verfahren durchzusetzen.

Insbesondere in derart emotional aufgeladenen Verfahren ist eine professionelle Verteidigung geboten.

Der Widerrufsjoker wird vom EuGH erneut ins Spiel gebracht

Sicherstellen – aber was?

Ein Beitrag für unsere Sammlung Kuriositätenkabinett. Eine wohl völlig überarbeitete und unter Zeitnot stehende Amtsrichterin hat einen Duchsuchungs- und Sicherstellungsbeschluß gefaßt, der bei den ausführenden Beamten sicherlich zur Verzweiflung führte:

Nach §§ 23 Abs.1 S.1 Nr.2, Abs.1 S.2, 24 Abs.1 und 25 Nr.1 Brandenburgisches Polizeigesetz (BbgPolG) wird die Durchsuchung der Person der Betroffenen, deren Wohnräume, Nebenräume, und der ihr gehörenden Sachen, einschließlich genutztem PKW, angeordnet.

Die vorgefundenen Sachen sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer geeigneter Weise sicherzustellen, um gegenwärtige Gefahren abzuwehren.

Die Entscheidung ist sofort wirksam.

Die Richterin ordnete damit unbewußt einen kompletten Auszug an. Alle vorgefundenen Sachen sind in Verwahrung zu nehmen.  Da braucht man dann einen Umzugswagen.

Aber alles ging gut. Die Polizeibeamten lasen die Gründe der Entscheidung und wußten daher, wonach sie suchen sollten.

Ach ja: Der Beschluß erging gegen einen männlichen Betroffenen.  Es gibt einfach solche Tage.

Tagessatz StGB

5,- € Tagessatz statt sonst üblicher 15,- €

Im Moment herrscht wegen des Tagessatz-Themas Eiszeit zwischen dem Richterbund und der Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers.

Worum gehts?

Geldstrafen setzen sich aus der Zahl und der Höhe der Tagessätze zusammen, § 40 StGB. Dabei soll die Zahl der Tagessätze der Unrechtsbewertung der Tat entsprechen und die Höhe des Tagessatzes den Einkommensverhältnissen des Täters.

Die in der Presse überwiegend vorkommende Berichterstattung über den Betrag der Geldstrafe ist daher wenig aussagekräftig. Eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 € kann eine hohe Strafe sein (200 Tagessätze à 15 €) oder eine niedrige bei einem Besserverdiener (10 Tagessätze à 300 €).

Das Gesetz gibt dem Richter dabei eine klare Anweisung, § 40 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB:

Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte.

Der Sozialhilfeempfänger wird daher regelmäßig mit 15 € Tagessatzhöhe belastet (450 € / 30 Tage).

Strafbefehlsverfahren

Dem möchte die Generalstaatsanwältin Berlins, Frau Margarete Koppers, nun ein Ende bereiten. Dabei schwingt sie sich zur Gesetzgeberin auf und fordert von ihren Staatsanwälten die Mißachtung des § 40 Abs. 2 StGB, an den selbstverständlich auch die Staatsanwälte im Rahmen ihrer Anträge gebunden sind.

Sie hat den Staatsanwälten ihrer Behörde angeblich per Verfügung empfohlen, „für Personen mit Einkommen am Existenzminimum Geldstrafen von nur noch 5 Euro Tagessatz – statt sonst meist 15 Euro – zu verhängen“ [1], berichtet u.a. der rbb.

Wie bitte? Hier ändert eine Behördenleiterin der Exekutive ein Gesetz und will die Judikative zu einer von ihr bestimmten Entscheidung zwingen? Da ist doch die Gewaltenteilung vor? Schließlich werden Gesetze von der Legislative geändert und der Richter als Organ der Judikative entscheidet über die Höhe der Strafen.

Eigentlich könnte dem Richterbund diese Verfügung daher egal sein. Gäbe es da nicht das Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff StPO. In der Praxis entwirft der Staatsanwalt bereits auf dem Briefkopf des Gerichtes einen Strafbefehl, der nur noch durch das Aktenzeichen des Gerichtes, das Datum und die Unterschrift des Richters am Amtsgericht ergänzt werden muß.  Der Entwurf enthält also bereits die ausgeworfene Strafe in Zahl und Höhe der Tagessätze.

Will der Richter also nicht auf den 5 €-Zug aufspringen, so darf er den Strafbefehlsantrag nicht ausfertigen und muß vielmehr eine Hauptverhandlung anberaumen. Dafür stehen die zeitlichen und personellen Mittel nicht zur Verfügung und der Entlastungsgedanke des Strafbefehlsverfahrens wird konterkariert.

Denn immerhin wurden in Berlin im Jahr 2021 mehr als 27.000 Verfahren ( 8,39 %) der Staatsanwaltschaft durch einen solchen Antrag erledigt. Wir berichteten: Statistik Staatsanwaltschaft Berlin.

Wie wird wohl die Leistung eine Staatsanwaltes für Beförderungen, etc. bewertet, der dieser Empfehlung der Hausspitze nicht nachkommt? Hat er genug Schneid, sich an Recht und Gesetz zu halten?

 

 

  1. [1]Liebe Journalisten des rbb: Ist es zuviel Staatsbürgerkunde verlangt zu wissen, daß Strafen nicht von der Exekutive (Staatsanwälten), sondern von der Judikative (Richtern) verhängt werden?
Frosch zieht einen Trolly hinter sich her

„Cum-Ex“- Lehrfall

„Cum-Ex“ hat nun auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Mit Beschluß vom 27.01.2023 – 2 BvR 1122/22 – hat es die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen und diesen Beschluß ausführlich begründet.

Zweimal „Cum-Ex“

Der Beschwerdeführer sah sein Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Am 1. Juni 2021 verurteilte ihn das Landgericht wegen fünf Fällen der Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Am Urteil waren zwei Richter beteiligt, die zuvor am – in einem anderen Verfahren gegen zwei Börsenhändler wegen Beihilfe zu Steuerstraftaten gefällten Urteil – beteiligt waren. Die schriftlichen Urteilsgründe des ersten Urteils enthielten auch Ausführungen zur Rolle des – an jenem Verfahren unbeteiligten – Beschwerdeführers als Haupttäter.

Zusammengefaßt in anderen Worten:

  1. In einem Verfahren ohne Beteiligung des Beschwerdeführers wird im Urteil ausführlich dargestellt, daß er gemeinschaftlich mit weiteren Personen vorsätzlich rechtswidrige Steuerstraftaten begangen habe.
  2. Zwei der Richter des 1. Verfahrens sind nun im 2. Verfahren dazu berufen, über den Vorwurf der Cum-Ex-Geschäfte zu urteilen.

Recht auf den gesetzlichen Richter

Der Beschwerdeführer meint nun nachvollziehbar, der Vorsitzende und der Berichterstatter seien ihm nicht unvoreingenommen entgegengetreten, weil diese Richter schon an dem Prozess gegen den als Gehilfen des Beschwerdeführers verurteilten Börsenmakler mitgewirkt hätten. In diesem ersten Verfahren seien sie schließlich zum Ergebnis gekommen, daß er vorsätzlich diejenigen Steuerstraftaten begangen habe, die nun Gegenstand des zweiten Verfahrens sind.

Das BVerfG beschließt, das sei rechtens.

Das deutsche Verfahrensrecht ist von der Auffassung beherrscht, ein Richter könne auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantreten, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet habe (vgl. BVerfGE 30, 149 <153 f.>).

Zweifel sind aber dann möglich, schreibt das BVerfG in den Beschluß, „wenn ein innerstaatliches Gericht nicht nur die Tatsachen beschrieben hat, die einen später angeklagten Täter betreffen, sondern darüber hinaus dessen Verhalten, ohne dass dazu eine Notwendigkeit bestanden hätte, rechtlich bewertet hat (vgl. EGMR, Meng v. Germany, Urteil vom 16. Februar 2021, Nr. 1128/17, § 48, NJW 2021, S. 2947 <2949>).

Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen, schließlich mußte im ersten Verfahren wegen der Beihilfe die vorsätzlich begangene Haupttat dargelegt werden und Ausführungen zur Schuld seien schließlich nicht erfolgt. Eine Befangenheit der vorbefaßten Richter ergäbe sich daraus nicht.

Wir sind gespannt, ob der EuGH im Hinblick auf Art. 6 MRK das auch so sieht.

Wörtliche Aufzeichnung der Verhandlung im „Cum-Ex“-Verfahren

Das „Cum-Ex“-Verfahren ist aber auch aus einem anderen Grund von besonderem Interesse. Das BVerfG zitiert in wörtlicher Rede eine Äußerung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Bonn aus einem Rechtsgespräch mit den Verfahrensbeteiligten:

Dann gibt es noch einen Punkt – den haben Sie eben kurz angesprochen, Herr [Verteidiger]. In Ihrer Stellungnahme zu den Beweisanträgen –, die Sache mit [dem Zeugen]: Sie bauen ja in Ihren Beweisantrag ein Argument ein, dass [der Zeuge] hier einer Falschaussage überführt worden sei – ich hoffe, ich zitiere Sie da jetzt zutreffend – im Hinblick darauf, dass er bei unserer Vernehmung hier etwas anderes gesagt hat als bei seiner Vernehmung vor einem Jahr oder wann er hier war. Sie haben da etwas vorgehalten – seinerzeit schon als der [Zeuge] hier saß – aus einem uns nicht vorliegenden stenografierten Protokoll der damaligen Vernehmung.

Bekanntlich gibt es in deutschen Gerichtsprozessen (noch) keine akustischen Aufzeichnungen der Verhandlungen. Die Verteidigung hat hier als ihre Gehilfen Stenographen hinzugezogen, die die Verhandlung wörtlich protokollierten. Für den Angeklagten nicht ganz preiswert und für den nicht besonders begüterten Angeklagten unerschwinglich.

Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – (DokHVG)

Bereits im Juni 2021 hat eine hochkarätige Expertenkommission ihren Bericht zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung vorgelegt. Darin regt sie eine Tonaufzeichnung an, die mittels Transkriptionssoftware verschriftlicht werden soll.

Im November 2022 wurde der Referentenentwurf zum Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz – (DokHVG) veröffentlicht. Danach soll eine digitale Inhaltsdokumentation der erstinstanzlichen Hauptverhandlungen vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten bis zum 01.01.2030 geschaffen werden. Zunächst bei den OLGs in Staatsschutzsachen.

Aufgrund der erheblichen Kosten rechne ich mit erbittertem Widerstand der Länder.

Bisher ist die Abstimmung der Ministerien nicht abgeschlossen. Ein Gesetzentwurf liegt noch nicht vor. Das „Cum-Ex“-Verfahren zeigt exemplarisch für viele andere Verfahren, daß es Zeit für die Gesetzesänderung ist.

Als Verteidiger kennen wir nicht nur das geltende Strafprozeßrecht, sondern beschäftigen uns auch mit den Gesetzesvorhaben.

Blick zum Kastenbauer

Jagdpacht

Alles Wesentliche für die Jagdpacht ist in § 11 BJagdG geregelt.

Wer darf Jagdpächter sein?

Pächter darf nur sein, wer einen Jahresjagdschein besitzt und schon vorher einen solchen während dreier Jahre in Deutschland besessen hat, § 11 Abs 5 Satz 1 BJagdG.

Da Jahresjagdscheine nicht für Unternehmen und Gesellschaften, sondern ausschließlich für natürliche Personen ausgestellt werden, können Unternehmen und Gesellschaften nicht Jagdpächter sein. Auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann entgegen weitverbreitetem Irrglauben nicht Jagdpächter sein.

Mehrere teilen sich die Jagdpacht

Mehrere Mitpächter eines Jagdbezirks bilden untereinander in der Regel eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dieser Vertrag bedarf – anders als der Jagdpachtvertrag – nicht der Schriftform.

Mehrere Pächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirkes können gesellschaftsvertraglich vereinbaren, den gepachteten Jagdbezirk unter sich aufzuteilen. Hierbei kann auch vereinbart werden, daß Revierteile zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen werden. Die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Prinzip der sachlichen Unteilbarkeit des Jagdausübungsrechts gem. § 11 Abs. 1 S. 2 BJagdG unwirksam (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 09.03.2022 – 8 U 52/21 –). Im Außenverhältnis zum Verpächter bleiben die Pächter unverändert für den gesamten Jagdbezirk verantwortlich.

Sofern das jeweilige Landesjagdgesetz dem nicht entgegensteht, können die Mitpächter auch vereinbaren, daß er berechtigt ist, etwa Jagderlaubnisscheine an Dritte auszustellen oder Dritten auf andere Weise das Jagdausübungsrecht zu gestatten. Darin liegt eine – zulässige – abweichende Vereinbarung zur Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht; dem Mitgesellschafter steht jedoch im Einzelfall das Widerspruchsrecht gem. § 711 BGB zu.

Schriftform des Vertrages über die Jagdpacht

Wir haben ständig nichtige Jagdpachtverträge auf dem Tisch.

Ein Jagdpachtvertrag genügt nicht der gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 BJagdG vorgeschriebenen Schriftform, wenn nicht alle Abreden schriftlich abgefasst wurden. Zuletzt wieder LG Aachen – 13.09.2021 11 O 7/21:

Dabei muss der Pachtgegenstand, also das Jagdgebiet, als wesentlicher Vertragsgegenstand im schriftlichen Vertrag genau und klar abgrenzbar bezeichnet werden. Wird auf eine Revierkarte Bezug genommen, muss sie dem Vertrag beigefügt sein.

Genügt der Vertrag nicht der Schriftform ist er nichtig.

Die Beifügung ist auch problematisch. Sicher ist sicher! Daher sollte die Karte mit dem Vertrag verbunden werden, im Vertrag auf die Karte und in der Karte auf den Vertrag verwiesen werden.

Selbstverständlich können Sie sich selbständig durch das Dickicht der gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung kämpfen. Wir empfehlen bei Fragen die Kotaktaufnahme mit Rechtsanwalt Andreas Jede