Verkehrsunfall – Haftpflichtversicherung und die Kosten der Wasserbehörde

Das Verwaltungsgericht Stade (Urteil vom 01. April 2015 – 1 A 3418/13) hat entschieden, dass der Verursacher eines Verkehrsunfalls (an Ende seine Haftpflichtversicherung) die Kosten des Einsatzes der Wasserbehörde zu tragen hat, auch wenn diese „nur nachgeguckt“ hat.

Grund des Einsatzes der Wasserbehörde war, dass bei einem Unfall geringfügig wassergefährdende Betriebsstoffe in einen Graben am Unfallort gelaufen sind. Die Wasserbehörde begutachtete die Gefahrenstelle, entschied aber nichts Weiteres zu veranlassen.

Hiernach wurde der Verursacher durch Bescheid aufgefordert, die Kosten des Einsatzes zu erstatten. Das weitere Verfahren führte nun seine Haftpflichtversicherung. Sie erhob Widerspruch und begründete diesen damit,

dass der Geschädigte vom Schädiger nach der Rechtsprechung des BGH keinen Ersatz für eigenen Zeitaufwand bei der Schadenermittlung verlangen könne. Ersatzfähig seien lediglich die entstandenen Fahrtkosten in Höhe von 33,60 €. Diese seien überwiesen worden.

Ab hier hatte dann der Verwaltungsrechtler seine helle Freunde:

Der streitfreundigen Haftpflichtversicherung war offensichtlich entgangen, dass es in diesem (Verwaltungs-) Verfahren darauf ankam, dass der Bescheid der Wasserbehörde rechtswidrig wäre und den Unfallverursacher hierdurch in seinen Rechten verletze.

Das kann natürlich nicht jeder Sachbearbeiter einer Haftpflichtversicherung wissen. Deshalb steht’s im Gesetz (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Gericht stellt fest:

Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Kostenfestsetzungsbescheides bestehen nicht und sind auch nicht geltend gemacht worden.

Was das Gericht von der – sinnlosen – Klage hielt, weis ich natürlich nicht, möglicherweise könnte es dem Entscheidungsdatum zu entnehmen sein: 01.04.2015.

Natürlich ist es für alle Haftpflichtversicherten in Sinne einer günstigen Versicherungsprämie wichtig, dass unbegründete Ansprüche abgelehnt werden. Hier haben wir aber den gegenteiligen Fall, dass ein offensichtlich begründeter Anspruch – zum Schaden der Versicherten – von der Haftpflichtversicherung abgelehnt wurde und damit nur weitere – unnötige – Kosten verursacht wurden.

Schade nur, dass das bei den versierten Sachbearbeitern der Versicherer heute leider an der Tagesordnung ist.

Sagen Sie, Herr Rechtsanwalt …

dürfen Rechtsanwälte eMail-Adressen wie
susi1991@web.de
oder
strolchi.berlin@gmail.com
benutzen?

Aber natürlich dürfen die das. Das ist doch nun wirklich deren Sache!

Auch ein Rechtsanwalt möchte vielleicht eine eMail-Adresse für den Mailverkehr mit der Partneragentur nutzen, die nicht sofort auf seinen Beruf hindeutet. Er ist schließlich Akademiker (vielleicht sogar mit Niveau). Er sucht schließlich den Erfolg.

Wenn er diese Adresse allerdings für die Kommunikation mit Ihnen nutzt, sollten Sie sich Ihre Gedanken machen. Auch wenn es dafür wahrscheinlich schon zu spät ist.

Zunächst einmal dürfte selbst unter den Berufsrechtlern weitgehend Konsens darin bestehen, daß die Kommunikation – die Ungeschützte – per eMail mit dem Mandanten nur dann keinen Verstoß gegen das Berufsrecht darstellt, wenn der Mandant damit ausdrücklich einverstanden ist. Die Tatsache, daß ein Mandant seine eMail-Adresse auf dem Briefpapier oder den Visitenkarten angibt berechtigt den Rechtsanwalt noch lange nicht, diesen Kommunikationsweg für seine Mandantenpost zu nutzen. Er schickt ja auch seine Nachrichten nicht auf einer Postkarte.

Auch wenn der Mandant dem Anwalt eine eMail schickt: „Verspäte mich um 15 Min.“ berechtigt das den Anwalt noch lange nicht, die ärztlichen Unterlagen über die STI-Diagnose per eMail an ihn zu schicken.

Aber wenn Sie damit einverstanden sind, daß Ihr Anwalt Ihnen (mittlerweile schon ein wenig altbacken, oder?) per eMail Informationen schickt, sollten Sie sich doch Gedanken darum machen, welchen Provider er nutzt.

Manche Anwälte investieren nicht wenig Zeit und Geld in die Infrastruktur ihres Büros. Eigene Domains, eigene eMail-Server, etc. pp.

Die anderen finden eine billigere Lösung. Für den Anwalt billiger.

Versuchen Sie es doch ‚mal damit, daß Sie bei jeder Mail an Ihren Anwalt (vielleicht unterhalb der Signatur, da fällt es ihm nicht auf) die Wörter „Koi“ und „Teichfilter“ unterbringen. Und dann achten Sie ‚mal darauf, ob sich die Werbung ändert.

Natürlich ist jede Sicherungsmaßnahme überwindbar. Verzichten Sie deshalb darauf, die Tür zu schließen, wenn Sie das Haus verlassen?

Natürlich ist die eigene Domain noch kein Hinweis auf einen eigenen Server. Aber wenn Sie auf die Buchstaben nach dem @ schauen und lesen schweigepflichtiger.anwalt@nsa.gov dann sollte das doch zu denken geben, oder?

Zweierlei Maß

Frau stelle sich den Aufschrei vor, falls ein Unternehmer Informationen, neudeutsch Newsletter, wie folgt verschicken würde:

ScreenShot 093 Presseinformationen des Bundessozialgerichts - Nachricht (Nur-Text)

Das Bundessozialgericht informiert uns – wie bestellt – regelmäßig über anstehende Termine des u.a. für das Kassenarztrecht zuständigen 6. Senats des Bundessozialgerichtes.

Aber ein Bundesgericht darf sowas natürlich.

Wir freuen uns, regelmäßig früher und besser informiert zu werden als die anwaltlichen Mitbewerber (früher hat uns das nicht wenig gekostet) und nehmen die Umgangsformen und die Rechtsverstöße zähneknirschend hin.

Brandenburg, oh Brandenburg

Strafverteidiger arbeiten manchmal auch nachts und an Feiertagen. Polizisten auch!

Am 30. April abends kommt bei uns Alarmstimmung auf. Ein geplanter Polizeieinsatz am 04.05.2014 08:00 Uhr, also dem darauffolgenden Montag. Wir wollen die Polizeibeamten auf ein paar Besonderheiten hinweisen, die diese für ihren Einsatz dringend benötigen. Keine wirkliche Herausforderung?

Beim Polizeipräsidenten Brandenburg gibt es die Fachdirektion Landeskriminalamt mit dem Referat Zentrale Ermittlungen, die sind u.a. für organisierte und schwere Kriminalität, verdeckte Ermittlungen etc. zuständig und sitzen in Eberswalde. Die Daten der Dienststelle sind bekannt: Service Brandenburg

Freitag Abend schnell das wichtige Fax absenden. Fehlerprotokoll: #0018: BESETZT/KEINE ANTWORT

Anruf per Telephon führt zum Ergebnis: Kein Klingelzeichen.

Heute wieder probiert. Selbes Ergebnis.

Ist ja nicht schlimm. Da wird es ja jemanden in der Vermittlung geben, der die richtige Faxnummer kennt und herausgibt.

Telefon: 03334 388-0: Anruf führt zu dieser Ansage:

Polizeipräsidium Land Brandenburg. Diese Rufnummer ist nicht mehr besetzt. Bitte melden Sie sich in polizeilichen Angelegenheiten bei Ihrer zuständigen Polizeidirektion oder in Notfällen …

Auch in der Zentrale des Polizeipräsidiums des Landes erfolgt die identische Ansage.

Der Song von Rainald Grebe bleibt aktuell:

Bahnstreik? JA BITTE!

image001Es hat mir überhaupt nicht gefallen. Statt 45 Minuten saß ich über 2 Stunden in überfüllten stinkenden Zügen der BVG und damit ging es mir noch besser als vielen anderen Bahnkunden.

Was mir noch weniger gefällt sind die Berichte mancher Zeitungen und Stammtischparolen. „Wir werden zu Geiseln gemacht!“

Diesem Pöbel ist die Bundesregierung gefolgt und hat ein Gesetz auf den Weg gebracht. Ein Einheitsgesetz. Das Tarifeinheitsgesetz, von dem DIE LINKE behauptet:

Der vorliegende Entwurf des Tarifeinheitsgesetzes (Bundestagsdrucksache 18/4062)[1]
ist Verfassungsbruch mit Ansage.

heißt es im Antrag der Fraktion DIE LINKE (Drucksache 18/4184).

Genauer: Eingriff in das Streikrecht, Grundrecht des Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz.

Den Damen und Herren der Bundesregierung gefällt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nicht, das am 7. Juli 2010 – 4 AZR 549/08 – den Grundsatz der Tarifeinheit gekippt hat.

Wir beschweren uns darüber, daß jemand sein Recht wahrnimmt und reagieren mit einer Änderung des Rechts?

Vielleicht gefällt den Damen und Herren auch ein anderes Grundrecht nicht, das Ihnen oder mir sehr wichtig ist? Beispielsweise das Recht, unsere Meinung zu äußern? Oder das Recht, jederzeit das Bundesverfassungsgericht um Hilfe anzuflehen?

Völlig abwegig?

Mitnichten! Manchen Damen und Herren aus der Politikerkaste gefällt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur dann, wenn es mit ihren Meinungen konform geht.

Zugegeben, das ist bei mir auch so. Es gibt nicht wenige Entscheidungen des BVerfG, die mir nicht gefallen und einige, die ich für unvertretbar halte.

Aber deswegen in die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichtes eingreifen?

Natürlich nicht! Oder doch?

Sogar der protokollarisch zweithöchste Mann in unserem Staatswesen, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), plädierte für eine Grundgesetzänderung, um den Einfluss der Richter einzudämmen [2].

Heute gelesen. Paßt wie die Faust aufs Auge:

Der Wähler als Konsument hat heute kein wirkliches Interesse an der Politik, an der aktiven Gestaltung der Gemeinschaft. Er ist weder gewillt noch fähig zum gemeinsamen, politischen Handeln. Er reagiert nur passiv auf die Politik, indem er nörgelt, sich beschwert, genauso wie der Konsument gegenüber den Waren oder Dienstleistungen, die ihm nicht gefallen. Auch die Politiker und Parteien folgen dieser Logik des Konsums. Sie haben zu „liefern“. Damit verkommen sie selbst zu Lieferanten, der die Wähler als Konsumenten oder Kunden zufriedenzustellen hat.
Byung-Chul Han, Psychopolitik – Neoliberalismus und die neuen Machttechniken, ISBN 978-3100022035

Vor mehr als zwei Jahren hatte ich schon aus Han, Transparenzgesellschaft, zitiert: Gedanken für die neue Woche 9. In der „Psychopolitik“ bringt er es wieder auf den Punkt:

Eine totale Konformität ist eine weitere Folge des Transparenz-Dispositivs. Zur Ökonomie der Transparenz gehört es, Abweichungen zu unterdrücken. Die Totalvernetzung und Totalkommunikation wirkt schon als solche einebnend. Sie erzeugt einen Effekt der Konformität, als würde jeder jeden überwachen und zwar vor jeder Überwachung und Steuerung durch Geheimdienste. Heute findet die Überwachung auch ohne Überwachung statt.

  1. [1] Den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens finden Sie: hier!
  2. [2]ZEIT 19.04.2015