Juristisch betrachtet

Ich schätze die Kommentare von Marcel Fürstenau auf der Deutschen Welle. Aber das hier verlangt nach Richtigstellung[1]:

Die von Zschäpes Verteidigern gewählte Prozess-Strategie des absoluten Schweigens mag aus deren juristischer Perspektive plausibel sein, mitfühlend ist sie jedoch keinesfalls.

Woher wissen Sie, daß es die von den Verteidigern gewählte Strategie ist? Bei uns entscheiden die Angeklagten über die Strategie. Selbstbestimmt. Nach ausführlicher Erörterung mit den Verteidigern. Darf sich der Rechtsstaat Verfahren leisten, die Ihren Wünschen um Mitgefühl entsprechen? Würden Sie eine Verteidigerin wählen, die das Mitgefühl zur Maxime erklärt und Ihnen abriete, vom Schweigerecht, dem existentiellen Grundrecht des Angeklagten, Gebrauch zu machen?

Natürlich ist es ihre professionelle Pflicht, das Beste für ihre Mandantin herauszuholen. Aber unausgesprochen den Eindruck zu erwecken, Zschäpe könnte unschuldig sein, wirkt angesichts der erdrückenden Indizien- und Beweislage fast schon erschreckend.

Es gibt keine professionelle Pflicht, das Beste für die Mandantin herauszuholen. Es gibt die unabdingbare Pflicht, die Rechte der Mandantin zu wahren und zur Geltung zu bringen – wenn sie es will. Ich hoffe, die Verteidiger sprechen das auch aus, daß jeder Angeklagte bis zur rechtskräftigen Verurteilung unschuldig ist. Das dürfte doch wohl Allgemeingut sein? Und wieder: Würden Sie eine Verteidigerin wählen, die während der Verhandlung den unausgesprochenen Eindruck erweckt, Sie seien schuldig – obwohl Sie von Ihrem Recht Gebrauch machen, sich nicht zur Sache einzulassen?

Besonders erschreckend:

Niemand kann Zschäpe dazu zwingen, sich selbst zu belasten. Ihre Verteidiger könnten sie dazu bewegen, tun es aber leider nicht.

Wenn ich mir Protokolle aus unserer dunklen Geschichte anschaue, gab es schon einmal Verteidiger, die das taten. Und wieder: Möchten Sie eine Verteidigerin, die Sie dazu bewegt, sich selbst zu belasten? Welch ein Alptraum!

Juristisch betrachtet geht es einzig und allein um den Nachweis und die Bestrafung individueller Schuld

Wieso diese Einschränkung: „Juristisch betrachtet“? Als wäre die Juristerei ein Paralleluniversum. Es geht einzig und allein um den Nachweis und die Bestrafung individueller Schuld! Um nichts anderes! Die Juristerei ist dafür das Werkzeug, die Wissenschaft, um den richtigen Weg zu erkennen. Der Weg ist Gesetz!

Und unsere Gesetze haben, Gott sei Dank, christliche Wurzeln:

Ursprünglich ist ‚Gesetz’ nicht ein juristischer Begriff, der auf Verhaltensweisen und Haltungen ausgerichtet ist, sondern ein theologischer Begriff, den die Bibel selber am besten wiedergibt mit dem Wort „Weg“ (hebräisch derek, griechisch hodos): ein Weg, der angeboten wird.[2]

  1. [1]Die Zitate, soweit nicht anders vermerkt, entstammen: NSU-PROZESS, Kommentar: Ein Jahr quälende Wahrheitssuche, Marcel Fürstenau, 06.05.2014 DW
  2. [2]Päpstliche Bibelkommission, Bibel und Moral, Biblische Wurzeln des christlichen Handelns, RN 5

Wer soll das bezahlen, …

Wer soll das bezahlen,
Wer hat das bestellt,
Wer hat so viel Pinke-pinke,
Wer hat so viel Geld?
Jupp Schmitz 1949

Leitsatz 5. Für die Verfassungsgemäßheit der Geschäftsverteilung und die Frage des gesetzlichen Richters kommt es nicht darauf an, ob eine Überprüfung der Zuweisung auf ihre „Richtigkeit“ im vorgenannten Sinne, also auf ihre Übereinstimmung mit den abstrakten Regelungen der Geschäftsverteilung, möglich ist. Vielmehr ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Abwesenheit von Willkür durch den Angeklagten überprüfbar und nachvollziehbar ist.

Gründe, RN 56:
Für den Revisionsführer wäre eine Überprüfung diesbezüglich ebenfalls möglich. Er müsste die Verfahrenslisten für die der letzten Anpassung der Stammdaten für die Turnusgruppe der kleinen Strafkammern vor der Zuweisung des hiesigen Verfahrens folgenden zwölf Turnusdurchgänge mit den Vorgaben des GVP in der bei der Zuteilung des hiesigen Verfahrens geltenden Fassung abgleichen. Zwölf Durchgänge wären vorliegend zu prüfen, weil die Strafkammer 73 von den kleinen Kammern, die nicht an jedem Turnusdurchgang teilnehmen, hinsichtlich der allgemeinen Strafsachen mit 5/6 im größten Umfang am Turnus beteiligt ist. Sie bleibt insoweit nach fünf Zuteilungen im nächsten, also im 6. Turnusdurchgang unberücksichtigt. Zudem besteht eine Sonderzuständigkeit derselben Kammer für Wirtschaftsstrafsachen. Insoweit nimmt sie zu 1/2 am Turnus teil. Da die Wirtschaftssachen vorab zugeteilt werden und die Kammer, wenn sie eine Wirtschaftssache zugeteilt erhalten hat, in diesem Durchgang keine allgemeine Strafsache mehr zugeteilt bekommt, müssen zwei mal sechs, also zwölf Durchgänge überprüft werden, um eine eventuelle Abweichung von den Vorgaben des GVP erkennen zu können. Bei dem Abgleich der Verfahrenslisten mit den (geänderten) Vorgaben des GVP könnte der Revisionsführer feststellen, ob letztere zutreffend in das Computerprogramm eingegeben worden sind. Auf diese Weise könnte auch das ordnungsgemäße Arbeiten des Computerprogramms überprüft und festgestellt werden, ob dies die Vorgaben des Geschäftsverteilungsplans zuverlässig umsetzt. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand (Prüfung der Zuweisung von 12 [Turnusdurchgänge] x 19 [am Turnus teilnehmende Kammern] = 228 Verfahren anhand der Vorgaben des Geschäftsverteilungsplans) ist zwar nicht ganz geringfügig, könnte aber innerhalb der Revisionsbegründungsfrist – auch unter Berücksichtigung der für die Beiziehung der erforderlichen Unterlagen (GVP in der zuletzt vor der Zuweisung geänderten Fassung, Verfahrenslisten für die auf die Änderung der Stammdaten folgenden Turnusdurchgänge) in Ansatz zu bringenden Zeit – bewältigt werden und ändert nichts an der Überprüfbarkeit der Zuweisung. Die Prüfung der korrekten Annahme einer Vorbefassung oder Sonderzuständigkeit etc., also auch die Beiziehung der fraglichen Verfahrensakten, wäre nicht erforderlich, weil von eventuellen Falschzuordnungen insoweit allein die Frage der „Richtigkeit“ der Zuweisung, nicht die des gesetzlichen Richters betroffen wäre.
Quelle: Kammergericht, Beschluß v. 18.05.2013, (4) 161 Ss 14/13 (18/13)

Anmerkung: Ich hoffe, daß die Sache beim BVerfG anhängig ist.

Blitzer abgefackelt – keine Brandstiftung!

Nachdem ein Autofahrer von einer Radarfalle erwischt wurde, entschied er – zum Erhalt seines Führerscheins – ihr mit einem Feuerchen den Garaus zu machen.

In weiser Voraussicht war die Radarfalle zu ihrem eigenen Schutz mit einem Alarm ausgestattet und so konnte die Polizei den Täter festnehmen.

Vor dem Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld und in der Berufung vor dem Landgericht Braunschweig wurde dem Täter einiges zu Last gelegt.

Die von den Gerichten angewandten Straftatbestände reichten von gemeinschädlicher Sachbeschädigung über Urkundenunterdrückung bis zu Brandstiftung und Störung öffentlicher Betriebe.

Das OLG Braunschweig (Urteil vom 18.10.2013, 1 Ss 6/13) sah das in der Revision allerdings anders.

„Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Kammer erfüllen allein den Straftatbestand der Sachbeschädigung (§ 303 StGB) […].“

Alle anderen Straftatbestände wurden seitens des OLG wegen fehlender Tatbestandsvoraussetzungen ausgeschieden.

Trotzdem ist diese Entscheidung kein Freibrief, „arme“ Radarfallen zu zerstören.

Deshalb bitte keine Blitzer anzünden!

Denn den entstanden Sachschaden des Landkreises in Höhe von 40.271,98 Euro, der vor einem Gericht in Zivilsachen verhandelt wird, muss gleichwohl der „Feuerleger“ tragen.

Schranke schützt vor Strafbarkeit!

Eine besonders schöne und differenzierende Betrachtung des öffentlichen Verkehrsraumes liefert uns der BGH im Beschluss vom 30.1.2013 – 4 StR 527/12, Rn.4:

„Ein Verkehrsraum ist darüber hinaus auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tat-sächlich so genutzt wird […]. Für die Frage, ob eine Duldung des Verfügungsberechtigten vorliegt, ist nicht auf dessen inneren Willen, sondern auf die für etwaige Besucher erkennbaren äußeren Umstände (Zufahrtssperren, Schranken, Ketten, Verbotsschilder etc.) abzustellen. Eine Verkehrsfläche kann zeitweilig „öffentlich“ und zu anderen Zeiten „nicht-öffentlich“ sein […]. Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird.“

In der lesenswerten Entscheidung wird die Strafbarkeit einer Trunkenheitsfahrt verneint, da auf dem tatörtlichen Parkplatz bereits vom Berechtigten die Schranke geschlossen wurde und so für den betrunkenen Fahrer des PKWs kein „Entkommen“ in den öffentlichen Verkehrsraum möglich war.

Verfahren gegen Tebartz-van Elst eingestellt

tagesschau.de Telegramm, 18.11.2013, 13:58 Uhr

Verfahren gegen Bischof Tebartz-van Elst eingestellt

Das Strafverfahren gegen den Limburger Bischof Tebartz-van Elst wegen einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist gegen eine Geldauflage von 20.000 Euro vorläufig eingestellt worden. Das teilte das Oberlandesgericht in Hamburg mit.

Als rechtliche Grundlage dieser Entscheidung kommt wohl nur § 153a StPO in Betracht, wonach die Einstellung erfolgen kann, wenn die Auflage geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht.

Hm …