Abgasskandal – Mangel unerheblich

Das Landgericht Münster (Urteil vom 14. März 2016 – 11 O 341/15, 011 O 341/15) und das Landgericht Bochum (Urteil vom 16. März 2016 – 2 O 425/15, I-2 O 425/15) haben in der „ersten Runde“ Klagen der betroffenen Fahrzeugeigentümer abgewiesen.

Der Rücktritt vom Kaufvertrag und in der Folge die Rückabwicklung, d.h. die Rückgabe der „Stinker“, ist grundsätzlich möglich, soweit die Fahrzeuge mangelhaft sind und der Mangel nicht unerheblich ist (§ 323 V S.2 BGB).

Beide Landgerichte haben klar festgestellt, dass die betroffenen Fahrzeuge mangelhaft sind. Check!

Der Mangel sei aber unerheblich, sodass ein Rücktritt ausgeschlossen ist. Hä?

Da das KBA (Kraftfahrt-Bundesamt) die Typengenehmigung betroffener Fahrzeuge nicht widerrufen hat und den Nachrüstungsmaßnahmen des Herstellers im Rahmen einer Rückrufaktion zugestimmt hat,  sahen beide Landgerichte, die Kosten, die die Beseitigung der Mängel verursachen würde, als Bezugspunkt zur Bestimmung der Erheblichkeit des Mangels.

Was muss eigentlich nachgerüstet werden, damit der „Stinker“ wieder EU5 erreicht?

In Abhänigkeit von der jeweiligen Ausführung (1,6 oder 2,0l etc.) des betroffenen Motors werden die Umrüstungen unterschiedlich sein. Grundsätzlich wird die Software im Motorsteuergeräte, dem Gehirn des Motors, ein Update erhalten. Dazu kommt bei einigen Modellen ein Luftströmungsgleichrichter.

Was ist das jetzt?

Der Luftströmungsgleichrichter ist ein rundes Plastikteil, im Einkauf nur wenige Cent teuer, der vor den Luftmassenmesser (LMM, aber nicht Luftmengenmesser [veraltet früher mechanisch]) eingebaut wird.

Der LMM befindet sich im Ansaugtrakt und teilt dem Motorsteuergerät den Luftvolumenstrom mit. Das Motorsteuergerät ermittelt unter Zuhilfenahme von weiteren ermittelten Richtgrößen (Temperatur, Lambdawert ggf. vor und nach dem Katalysator u.a.) die richtige Einspritzmenge des Kraftstoffs, um eine optimale Verbrennung mit einer möglichst geringen Schadstoffbelastung zu erreichen.

Der Luftströmungsgleichrichter verbessert den Messwert des LMM, sodass der ans Motorsteuergerät gesendete Wert optimiert wird und so eine verbesserte Verbrennung mit weniger Schadstoffen erreicht werden soll.

Entsprechend der oben genannten Urteile, soll der Spaß nur 100,00 € kosten.

Und hier setzten die Landgerichte an. Die Kosten der Nacherfüllung (100,00 €) betragen unter 1% des Kaufpreises des Fahrzeugs. Deshalb sei der Mangel unerheblich und berechtigt nicht zum Rücktritt vom Vertrag.

Soweit vorgetragen wurde, dass die betroffenen Fahrzeuge erheblichen Wertverlust erlitten hätten, hat dies das Gericht mangels Nachweis als unbeachtlich zurückgewiesen.

Letztes wird die Lage nach der Nachrüstung zeigen und ob sich Leistungsverluste oder Mehrverbrauch bei den Fahrzeugen zeigen.

Die neue von der Politik angedachte blaue Plakette mit der Nummer 6 ist hier eher das Thema. Das hat aber mit dem Abgasskandal allenfalls mittelbar zu tun.

Man darf gespannt sein, wie die Gerichte entscheiden, wenn Folgen der Nachrüstung und des Wertverlustes beim Wiederverkauf geklärt sind. Es bleibt spannend.

PS: Mit voller Absicht habe ich hier keinen Herstellernamen genannt. Warum? Ich habe in der Branche gelernt und gearbeitet. Es ist nichts neues, dass alle Hersteller ihre Fahrzeuge für die Messungen auf dem Prüfstand optimieren. Ich möchte nicht auf dem „Idioten, der sich erwischen hat lassen“ rumhacken.

PPS: Fahre aus Prinzip Benziner :-) und sobald Herstellung und Versorgung mit H2 sowie Angebot und Preis von Fahrzeugen stimmen, Brennstoffzelle…

Hier gibt’s übrigens Infos, warum ein Zeppelin gefüllt mit H2 kein Brennstoffzellenfahrzeug ist.

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  1. […] den ergangen abweisenden Urteilen, erging nun die erste stattgebende […]

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