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Behördensprache ist deutsch

Nein, ich will jetzt nicht den alten Kalauer wiederholen, wonach das Behördendeutsch unverständlich ist.

Immer aktuell: Kanzleistil

Wir haben für die SEPA-Basismandate von der Deutschen Bundesbank die Gläubiger-Identifikationsnummer als pdf-Dokument erhalten. Und wie heißt das Dokument?

Creditor Identifier.pdf

Da verschickt die Deutsche Bundesbank abertausende Dateien mit einer englischen Dateibenennung.

Ich habe nun wirklich nichts gegen Anglizismen, auch Pseudoanglizismen verwende ich häufig; aber muß es Creditor Identifier sein?

Vielleicht gibt es auch bald Anleitungen für die Bildung von Scheinanglizismen nach dem Vorbild für diese Anleitung zum Bau eines juristischen Satzes in 6 Schritten?

  1. Schritt: Sie nehmen einen ganzen normalen Satz:

    Vielen Dank für Ihren Brief. Wir beantworten Ihre Fragen, sobald wir mit Herrn Ratlos darüber gesprochen haben.

  2. Schritt: Sie reichern den Satz mit Substantiven an. Ersetzen Sie einfach alle Verben durch Hauptwörter oder Streckverben. Und vergessen Sie nicht, die Substantive mit der Endung „-ung“ aufzublähen.
    Zum Beispiel:

    Vielen Dank für Ihren Brief. Wir kommen in Beantwortung Ihrer Fragen auf Sie zurück, sobald wir Rücksprache mit Herrn Ratlos gehalten haben.

  3. Schritt: Sie anonymisieren den Text (zur Wahrung des Anwaltsgeheimnisses):

    Vielen Dank für das vorgenannte Schreiben. Die Unterfertigten kommen in Beantwortung der darin aufgeworfenen Fragen auf diese zurück, sobald sie Rücksprache mit dem Mandanten gehalten haben.

  4. Schritt: Sie übersetzen alles ins Passiv:

    Für das vorgenannte Schreiben möchten wir uns bedanken. Die Unterfertigten werden in Beantwortung der darin aufgeworfenen Fragen auf diese zurückkommen, sobald unsererseits Rücksprache mit dem Mandanten gehalten werden konnte.

  5. Schritt: Sie würzen Ihre Arbeit mit unnötigen Adjektiven und Partizipien:

    Bezugnehmend auf das vorgenannte Schreiben möchten wir uns bedanken. Die Unterfertigten werden in alsbaldiger Beantwortung der darin aufgeworfenen rechtlichen Fragestellungen umgehend auf diese zurückkommen, sobald unsererseits die unverzichtbare Rücksprache mit dem derzeit abwesenden Mandanten gehalten werden konnte.

  6. Schritt: Wiederholen Sie abschließend unbedingt noch einmal Schritt 2 bis 5:

    Unter Bezugnahme auf das vorbezeichnete Schreiben möchten wir dankenswerterweise den Empfang durch unser Haus bestätigen. Den Unterfertigten erscheint es bezüglich der im Betreff bezeichneten Angelegenheit gegebenenfalls im Bereich des zeitnah Umsetzbaren, zu den angesprochenen rechtlichen Fragestellungen in alsbaldiger Erledigung der im vorgenannten Schriftsatz aufgeworfenen konkreten Problemkreise in schriftlicher Form Stellung zu nehmen, sobald durch unsere Kanzlei in Bezug auf die von Ihrer Seite geäußerten Anliegen die nach unserem Dafürhalten gebotene Rücksprache mit der derzeit noch auf nicht absehbare Zeit in Abwesenheit befindlichen Mandantschaft gehalten werden konnte.
    Geklaut von Pingu

Ernsthaft aber nicht ernstlich

Der Cartoon des Monats des Steuerberater Magazin hat mich wieder an eine Lektion vor einigen Jahren erinnert. Der Berliner Landrichter Dr. X meinte zu mir in einer Wettbewerbssache, er unterstelle mir ernsthafte Zweifel, ernstlich seien sie jedoch nicht.

Ernsthafte Zweifel und ernstliche Zweifel sind nicht synonym.

Die nächste Wirkung von der Vorstellung des Wichtigen ist ein gewisses demselben angemessenes Gefühl. Was dieses Gefühl hat oder erregt, ist ernst. So wird es von Personen (ernst gestimmt) und Dingen (ernst stimmend) gesagt. „Zum Werke, das wir ernst bereiten, | geziemt sich wohl ein ernstes Wort.“ Schiller, Glocke. „Ernst ist das Leben; heiter ist die Kunst.“ Schiller, Prol. zum Wallenst. Was in den Handlungen diesem Gefühle gemäß ist, das ist ernstlich. Eine Ermahnung, ein Verweis, eine Strafe sind ernstlich, wenn sie dem Gefühle, das der Ermahnende, der Verweisende, der Strafende von der Wichtigkeit und Notwendigkeit seiner Ermahnung, seines Verweises, seiner Strafe hat, gemäß sind. Ernsthaft (eig. Ernst an sich habend) ist der Ausdruck des Ernstes in Gebärden, Bewegungen, Handlungen und Reden. Ein ernsthafter Mann trägt an seiner gerunzelten Stirne, seinen bedächtigen Bewegungen usw. die Zeichen von den wichtigen Gedanken, die ihn beschäftigen. „Gott, das wird ernsthaft!“ Schiller, Teil III, 3. Aus den Zeichen (daß Geßler den Apfel bricht usw.) schließt man, daß der Landvogt nicht scherze.
Quelle: Johann August Eberhards – Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache (1910), Nr. 509

Oder anders formuliert:

Ernst ist die innere Realität oder Beschaffenheit; ernsthaft die äußere Erscheinung und ernstlich die Intensität.

Und so reichen dann ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit für eine Aussetzuung der Vollziehung nicht aus, es müssen ernstliche Zweifel bestehen.

Aktenzeichen

Kann mir bitte ‚mal einer der lieben Kollegen (Richter, Staatsanwälte inkludiert) verraten,

  • warum wir immer die Aktenzeichen der Behörde in unserem Schriftverkehr im Betreff anführen?
  • warum wir auf unserem Briefpapier an prominenter Stelle, farblich hervorgehoben „Bitte stets angeben: …“ unser Aktenzeichen nennen?
  • warum ich zu der Vermutung gelangt bin, daß Behördenbedienstete nicht in der Lage sind, unser Aktenzeichen anzugeben?
  • warum ich den Anfangsverdacht habe, daß einige der Mitarbeiter als funktionale Analphabeten bezeichnet werden müssen?
  • warum eine Behörde einen an uns adressierten Bescheid dadurch siegelt, daß die linken oberen Kanten nach vorne umgebogen, geklammert werden und dann ein Siegel darüber gesetzt wird – natürlich so, daß die folgenden Seiten nicht mehr vollständig lesbar sind? Soll das die Anstiftung zum Siegelbruch sein?

Literalität Bußgeldbehörde

Wir berichteten über geschätzte 9,5 Millionen Analphabeten (Erwachsene) in Deutschland: Hier!

Anlaß war eine Behörde, die rechtliches Gehör nur schriftlich gewähren will.

Wir bekamen die Akte mit Frist bis zum 27.07.2013, schickten der Behörde die Akte mit der Mitteilung zurück, daß wir nach Rücksprache mit dem Mandanten eine Einlassung abgeben werden.

Am 18.07.2013 erläßt die Behörde den Bußgeldbescheid.

Auf Nachfrage, ob Rechtliches Gehör dort auch schriftlich nicht „gehört“ werde, teilt die nette Sachbearbeiterin mit, daß sie meine Mitteilung wohl „überlesen“ habe.

Zufall? Natürlich. Man kann was überlesen, mache ich auch.

Andererseits, …

Anwaltsschwemme

Bei mir schlug eine Anfrage auf:

Als letzte Zulassungsvoraussetzung fehlt mir noch die Bescheinigung eines Anwaltspraktikums, daher suche spontan noch einen Platz. Wegen der Beanspruchung durch die Examensvorbereitung wäre ich nicht unaufdringlich und würde Sie nicht übermäßig mit Arbeitswünschen belästigen.

Wetten, der wird Anwalt? Er wird ca. drei Monate nach dem Examen feststellen, daß die Noten für einen künftigen Richter oder Staatsanwalt nicht ausreichen und auch andere Dienstherren nicht auf ihn gewartet haben. Seine Deutschkenntnisse werden sich nicht verbessert haben. Das Sozialamt wird ihm dann wohl die Robe bezahlen.