Einstweilige Verfügung

Es empfiehlt sich m.E. folgender Antrag:

es wird beantragt im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen besonderer Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, gemäߧ§ 935 ff., 91 ZPO anzuordnen:

1. Dem Antragsgegner bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen,

Lücke im Berufsrecht geschlossen

Mit Spannung erwartet wurde von uns Berufsrechtlern die Entscheidung des BGH vom 29.06.2011 – AnwZ (Brfg) 11/10

Bisher konnte die Wirksamkeit des Entzuges der Zulassung eines Rechtsanwaltes, beispielsweise wegen Vermögensverfalls, relativ lange hinausgezögert werden. Die Kammer Widerrief die Zulassung, der AGH brauchte eine Weile um zu entscheiden und vor dem BGH wurde dann noch weiter vorgetragen. Dies alles unter der Ägide des bis 01.09.2009 geltenden Verfahrensrechtes der Freiwilligen Gerichtsbarkeit in Anwaltssachen, das aus prozeßökonomischen Gründen erlaubte, nachträglich eingetretene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen. Seit dem 01.09.2011 gilt in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen im wesentlichen die Verwaltungsgerichtsordnung. Einige vertraten die Ansicht, auch nach der Gesetzesänderung seien Änderungen der Verhältnisse auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nach der Entscheidung des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer erfolgten. Dem erteilte der BGH eine klare Absage:

Diese vom Anwaltsgerichtshof offen gelassene Frage beantwortet der Senat dahin, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zulassungswiderrufs allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder – wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist (vgl. § 110 Abs. 1 JustG NRW) – auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen ist; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungs-verfahren vorbehalten.

Eine aus Sicht des rechtsuchenden Publikums zu begrüßende Entscheidung. Über den Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwaltes wird künftig schneller rechtskräftig entschieden.

Wenn Rechtsanwalt draufsteht ist nicht immer Rechtsanwalt drin

Es war einmal.
Es war einmal eine Zeit, da mußte man das Abitur ablegen, mindestens 8 Semester Jurisprudenz studieren, das erste Staatsexamen ablegen, mehre Jahre die Referendarzeit absolvieren und sich dem zweiten, großen, Staatsexamen stellen. Das bestandene zweite Staatsexamen befähigt zum Richteramt. Die Befähigung zum Richteramt war lange Jahre Voraussetzung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
Lang, lang ist es her.
Die EU machte es möglich: Wer in einen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der Schweiz oder der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums, beispielsweise Lettland oder Slovenien, Zypern oder Malta, eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlangt hat, kann sich hier ohne weitere Prüfung nach dem Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland, EuRAG, zur Rechtsanwaltschaft zulassen lassen. Es bedarf keiner weiteren Prüfung oder dergleichen, er muß nur die Berufsbezeichnung seines Herkunftslandes verwenden und hat alle Rechte und Pflichten eines Rechtsanwaltes in der Bundesrepublik.
Wer eine mindestens dreijährige effektive und regemäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland nachweist, kann auch unter der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt künftig seine Tätigkeit ausüben, ist also nicht mehr zu unterscheiden von Rechtsanwälten, die beide Staatsexamina abgelegt haben. Diese Tätigkeit muß keine Vollzeittätigkeit sein, es sollen beispielsweise auch zwei Wochentage an einer Universität ausreichend sein.
Ich brauche sicher nicht zu erwähnen, daß es Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes gibt, in denen die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an ähnliche Leistungshürden wie in Deutschalnd geknüpft ist.
Ich habe nichts gegen Wettbewerb. Was ich daran nicht mag ist die Tatsache, daß dies dem Clienten nicht klar gemacht wird. Selbst wenn der Kollege diesen Vorschriften genügt, und sich beispielsweise als „Advocate“ bezeichnen, hält das doch der nicht informierte Auftraggeber für eine Zusatzqualifikation, statt der zutreffenden Information, daß dies die einzige Qualifikation des „Advocates“ ist und er sich nicht als Rechtsanwalt bezeichnen darf.

Prantl, Prantl,

so jeht et nich!

Auch Sie kommentieren die Gäfgen-Entscheidung in gewohnter Art und Weise: „Falsche Genugtuung für den Kindermörder“ Unter anderem mit dem Argument:

Die Missbilligung der Folterdrohung gegen ihn ist nämlich rechtlich und auch für Gäfgen ausreichend schon anderweit zum Ausdruck gekommen: Erstens sind im Daschner-Prozess zwei der Ermittler schuldig gesprochen und bestraft worden. Zweitens hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deren Folterdrohung gebrandmarkt.

Sie sind nicht bestraft worden, sondern verwarnt, die Gewährträger unseres Rechtsstaates, unter ihnen immerhin ein stellvertretender Polizeipräsident. Sie sind verwarnt worden und das Gericht hat sich eine Strafe vorbehalten, selbstverständlich haben sich die Straftäter ein Jahr lang bewährt, so daß es nie zu der vorbehaltenen Geldstrafe in Höhe von drei bzw. zwei Monatsbezügen gekommen ist. Anschließend wurde Daschner zum Leiter des Präsidiums für Technik, Logistik und Verwaltung der hessischen Polizei befördert. Unabhängig von Ihrer Meinung, die erste Tatsachenbehauptung ist schlicht falsch.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrecht hat nicht die Folterdrohung gebrandmarkt! Auch das ist schlicht falsch. Er hat das Verhalten der Bundesrepublik gebrandmarkt, mit deutlichen Worten!:

Er (der Gerichtshof) stellte jedoch fest, dass die der Nötigung im Amt bzw. Verleitung eines Untergebenen zur Nötigung im Amt für schuldig befundenen Polizeibeamten nur zu sehr geringen Geldstrafen auf Bewährung verurteilt worden waren. Die deutschen Gerichte hatten eine Reihe von mildernden Umständen berücksichtigt, insbesondere die Tatsache, dass die Beamten in der Absicht handelten, J.s Leben zu retten. Der Gerichtshof erkannte zwar an, dass der vorliegende Fall nicht vergleichbar war mit Beschwerden über brutale Willkürakte von Staatsbeamten. Dennoch erwog er, dass die Bestrafung der Polizeibeamten nicht den notwendigen Abschreckungseffekt hatte, um vergleichbaren Konventionsverletzungen vorzubeugen. Zudem gab die Tatsache, dass einer der Beamten später zum Leiter einer Dienststelle ernannt worden war, Anlass zu grundlegenden Zweifeln, ob die Behörden angemessen auf den Ernst der Lage angesichts einer Verletzung von Artikel 3 reagiert hatten.

Im Hinblick auf eine mögliche Entschädigung für die Verletzung der Konvention nahm der Gerichtshof zur Kenntnis, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe zur Einleitung eines Amtshaftungsverfahrens mehr als drei Jahre anhängig und dass in der Sache noch nicht über den geltend gemachten Entschädigungsanspruch entschieden worden war. Dies gab Anlass zu grundlegenden Zweifeln an der Effizienz des Amtshaftungsverfahrens.
Quellennachweis und weitere Einzelheiten in unserem Beitrag: Ins Stammbuch geschrieben

Erst das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, daß dem Kindermörder Prozeßkostenhilfe zu gewähren ist.

Auch diese Behauptung, die Folterdrohung sei gebrandmarkt worden, ist falsch. Das Landgericht hat nach zu vielen Jahren, erst nach Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrecht (EGMR) eine von ihm als billig empfundene Entschädigungsleistung ausgeurteilt. Anstatt nun unsreren Rechtsstaat zu feiern, der selbst derartigen Menschen Recht gewährt, folgen Sie dem Mob und nehmen das Damoklesschwert zu Hand (vgl. unseren gestrigen Beitrag: Damoklesschwert über dem Rechtsstaat)

Immer noch ein Highlight ist der Beitrag des Kollegen von Schirach im Spiegel v. 07.06.2010: Einspruch – Die Würde der Fürchterlichsten Mich interessiert Ihre Meinung nach dieser Auseinandersetzung mit Moral und Ethik.

Damoklesschwert über dem Rechtsstaat

Es war zu erwarten, dass die Masse toben würde, wenn dem Entführer und Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler eine Entschädigung für die ihm angedrohte Folter zugesprochen wird. Wenn man sich heute aber die Kommentare der Menschen, beispielsweise zum entsprechenden Artikel der FAZ , anschaut, dann hat man allen Grund daran zu zweifeln, dass die Zivilisation in Deutschland durch mehr gestützt wird als die Gewöhnung und den staatlichen Zwang. Barbarische Rachegelüste kennzeichnen gut die Hälfte aller Stellungnahmen, kaum jemand vermag zwischen persönlich gelebter Menschlichkeit und prinzipiell unantastbarer Menschenwürde zu unterscheiden, bestenfalls fünf Prozent der Kommentatoren verteidigen das Urteil des Landgerichts Frankfurt.

In diesem Urteil wird das Vorgehen der Polizeibeamten als „rechtswidrig und verwerflich“ bezeichnet. Ich danke den verantwortlichen Richtern persönlich für diese Formulierung. Jedem muss klar sein, dass die Androhung der Folter rechtswidrig ist (Art. 104 GG). Das fadenscheinige Argument einer Abwägung im Sinne der Notwehr ist absurd, denn über die Menschenwürde kann es keine Abwägung geben– am allerwenigsten vonseiten des Staates. Von vielen hört man jetzt aber, dass die Tat zwar rechtswidrig aber doch moralisch gerechtfertigt, also gerade nicht „verwerflich“ sei. Doch genau da liegt der Denkfehler: Wer einem Menschen Folter androht, verletzt dessen Würde. Diese Würde besitzt jeder Mensch universal und sie ist bei jedem Menschen unantastbar, völlig unabhängig von seinen Taten. Und eben diese Universalität der Menschenwürde ist die Grundlage aller Moral. Wer sie bei einem einzigen Menschen– und sei es das ekelerregendste Monster– in Frage stellt, erlaubt Willkür in der Ethik und führt sie damit ad absurdum. Dadurch wird seine Handlung verwerflich. Das gilt ganz allgemein für jeden Menschen, in besonderer Schärfe aber für die Vertreter des Staates. Denn kein Verbrechen einer Privatperson kann den Rechtsstaat in Gefahr bringen; der Rechtsstaat kann sich immer nur selbst dem Untergang weihen. Dieser Untergang wurde heute glücklicherweise noch einmal aufgeschoben. Über dem Haupte einer Demokratie schwebt er aber als immerwährendes Damoklesschwert, solange die Bevölkerung glaubt, Menschen die Würde absprechen zu können.