Rechtsanwalt mit Abitur

Ich lästere bekanntlich gerne.

Immer mal wieder sehe ich den akademischen Grad Diplom-Jurist zierend neben dem Namen der Kollegen auf dem Briefkopf. Damit stellen die Kollegen werbend heraus, daß ihnen ein Diplom verliehen wurde, als sie das juristische Studium an einer deutschen Hochschule abschlossen, das Erste Staatsexamen absolvierten. Man hat das Examen bestanden, legt ein paar Euro auf den Tisch und erhält ein Diplom.

Das taugt zu ziemlich gar nichts. Das erste Staatsexamen ist ein notwendiger Schritt auf dem Weg zum Rechtsanwalt oder Richter.

Daran schließt sich dann die Referendarzeit an, die mit dem Zweiten Staatsexamen abgeschlossen wird.

Wer Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter werden will muß beide Examen bestanden haben. Wer sich nach dem Ersten Staatsexamen noch das Diplom hat aushändigen lassen hat nicht mehr geleistet, aber mehr Papier in der Hand. Das Diplom hat ihn 92,54 € gekostet. Man kann es auch noch viele Jahre später erhalten.

Genau genommen werben die Rechtsanwälte damit, daß sie „nicht nur“ Rechtsanwälte sind, sondern als weitere Qualifikation ein Diplom haben, obwohl jeder Rechtsanwalt (der an einer deutschen Hochschule das Studium absolviert hat) es ebenfalls für einen knappen Hunderter erhält. Ich denke, die halten die Adressaten für blöd. Wettbewerbsrechtlich kann man das wohl als unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten verstehen.

Ich kann dem Gedanken, auf meinem Briefpapier noch den Zusatz Abiturient anzubringen nicht viel abgewinnen.

Andererseits:

Man braucht auch für das Jurastudium nicht mehr unbedingt das Abitur.

Aber vielleicht werbe ich mit dem Zusatz „Grundschule erfolgreich absolviert„?

Sagen Sie mal, Herr Rechtsanwalt …

Sie schreiben auf Ihrer Website, daß Sie seit mehr als 20 Jahren in Berlin zugelassen sind.

Viele Ihrer Kollegen sind bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten zugelassen.

Ist Ihnen das zu teuer oder will man dort jemanden wie Sie nicht zulassen?

Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin so alt, ich habe das vergessen. Woran ich mich noch erinnere:

Als ich zur Anwaltschaft zugelassen wurde, erfolgte mit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zugleich die Zulassung bei einem Landgericht und auf Wunsch auch noch bei einem Amtsgericht. Es bestand das sogenannte Lokalisierungsgebot. Jeder Rechtsanwalt mußte bei einem Gericht zugelassen sein. Schon damals durfte man dann bei allen Landgerichten in Deutschland als Anwalt auftreten.

Mittlerweile ist das Schnee von gestern. Mittlerweile erfolgt die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und wird wirksam durch die Aushändigung einer von der Rechtsanwaltskammer ausgehändigten Urkunde. Das Lokalisierungsgebot ist ersatzlos weggefallen. [1]

Aus diesen alten Zeiten stammt daher also noch der Gedanke eine Zulassung bei … Wenn man beispielsweise auf der Website eines angeblichen Fachmanns für anwaltliches Berufsrecht liest, er sei bei einer Rechtsanwaltskammer zugelassen, ist das … schlicht falsch.

Und die Hinweise auf dem Briefpapier mancher schwarzer Schafe, sie seien bei allen deutschen Land- und Oberlandesgerichten berechtigt aufzutreten, sind schlichte Bauernfängerei. Und die Behauptung, man sei bei mehr als zwei Gerichten zugelassen, ist in 99,9 % der Fälle sicherlich gelogen. Es gab da eine Ausnahmevorschrift, nach der ein Rechtsanwalt bei mehreren Landgerichten eines Ortes oder auch noch bei dem benachbarten Landgericht zugelassen werden konnte, falls die gleichzeitige Zulassung unter den besonderen örtlichen Verhältnissen der Rechtspflege dienlich war. Wie gesagt, das ist Schnee von gestern und heute falsch.

  1. [1] Der nächste Referendar erhält den Auftrag zu klären, was aus meiner Zulassung beim Amtsgericht Charlottenburg und dem Landgericht Berlin geworden ist, nachdem die Regelung gestrichen wurde :-)

Nachhilfe von Anfang an benötigt

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unter der Überschrift Nachhilfe benötigt hatte ich mir Gedanken um eine Aufforderung des Vorsitzenden im NSU-Prozess gemacht, die dann eine beachtliche Eigendynamik entwickelte und die Öffentlichkeit unter dem Schlagwort Nichtexistente Nebenklägerin beschäftigt.

In meinem Focus sind immer noch die Richter.

Der Rechtsanwalt hat schriftlich gegenüber dem Gericht erklärt, daß sich seine Mandantin der erhobenen öffentlichen Klage anschließt, da sie Verletzte einer in § 395 StPO genannten rechtswidrigen Tat ist. Diese Anschlußerklärung [1] ist eine Prozeßhandlung, und der Rechtsanwalt nimmt kein Vertrauen auf seine Position als Organ der Rechtspflege in Anspruch. Er erklärt den Anschluß seiner Mandantin und nicht, daß er Gewähr für die Richtigkeit ihrer Behauptungen übernimmt. Der Rechtsanwalt ist nicht der Vorprüfungsausschuß des Gerichtes.

Das Gesetz gibt in § 396 Abs. 2 Satz 1 StPO klar vor was zu geschehen hat:

Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

Also nicht der Vorsitzende entscheidet, sondern das Gericht, und es hat zuvor die Staatsanwaltschaft anzuhören.

Und worüber entscheidet das Gericht?

Darüber, ob die Anschlußerklärung zurecht erfolgt ist.

Es muß also prüfen, ob diejenige, die den Anschluß erklären ließ, zum Personenkreis des § 395 StPO gehört. Mit anderen Worten: Ob sie Verletzte ist. Das prüft das Gericht anhand der Akten. Die Akten sind digitalisiert. Der Aufwand ist mit den vom Gericht verwandten modernen Techniken überschaubar. Den Namen in eine Suchmaske eintippen und den Rechner suchen lassen. Wenn sich in der Akte kein Bezug zur Nebenklägerin findet, ist ihre Behauptung zu verifizieren.

Was also hat das Gericht geprüft? Was hat die Staatsanwaltschaft geprüft und dem Gericht geantwortet?

Der Rechtsanwalt wird sicherlich seine gerechte Strafe erhalten, die Berufsgerichte der Rechtsanwälte sind nicht zimperlich.

Werden die Richter und die Staatsanwälte sich zu verantworten haben? Sie haben eine Schaden in Höhe von über 100.000 € zu verantworten.

Nein, sie werden sich nicht verantworten müssen und das ist auch gut so. Wichtig ist jedoch, daß es angeprangert wird.

© Bild: Bredehorn.J / pixelio.de

  1. [1]§ 396 StPO

Nachhilfe benötigt 

Die WELT berichtet

Der Richter kritisierte außerdem den Anwalt eines Kölner NSU-Opfers scharf und fragte wiederholt nach, ob und wann dieser zuletzt Kontakt zu seiner Mandantin hatte. Sie sei mehrmals als Zeugin geladen gewesen, aber nicht erschienen. Götzl drohte ein Ermittlungsverfahren an, falls er nicht bis diesen Mittwoch die gewünschten Auskünfte erhält.

Der Anwalt als Auskunftei? Drohung mit einem Ermittlungsverfahren?
Wenn der Anwalt die erpressten Auskünfte erteilt kann er sich gleich gegen ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren der für ihn zuständigen Generalstaatsanwaltschaft verteidigen.

Bin ich schon wieder der Einzige, der sich darüber aufregt?

Sagen Sie, Herr Rechtsanwalt …

dürfen Rechtsanwälte eMail-Adressen wie
susi1991@web.de
oder
strolchi.berlin@gmail.com
benutzen?

Aber natürlich dürfen die das. Das ist doch nun wirklich deren Sache!

Auch ein Rechtsanwalt möchte vielleicht eine eMail-Adresse für den Mailverkehr mit der Partneragentur nutzen, die nicht sofort auf seinen Beruf hindeutet. Er ist schließlich Akademiker (vielleicht sogar mit Niveau). Er sucht schließlich den Erfolg.

Wenn er diese Adresse allerdings für die Kommunikation mit Ihnen nutzt, sollten Sie sich Ihre Gedanken machen. Auch wenn es dafür wahrscheinlich schon zu spät ist.

Zunächst einmal dürfte selbst unter den Berufsrechtlern weitgehend Konsens darin bestehen, daß die Kommunikation – die Ungeschützte – per eMail mit dem Mandanten nur dann keinen Verstoß gegen das Berufsrecht darstellt, wenn der Mandant damit ausdrücklich einverstanden ist. Die Tatsache, daß ein Mandant seine eMail-Adresse auf dem Briefpapier oder den Visitenkarten angibt berechtigt den Rechtsanwalt noch lange nicht, diesen Kommunikationsweg für seine Mandantenpost zu nutzen. Er schickt ja auch seine Nachrichten nicht auf einer Postkarte.

Auch wenn der Mandant dem Anwalt eine eMail schickt: „Verspäte mich um 15 Min.“ berechtigt das den Anwalt noch lange nicht, die ärztlichen Unterlagen über die STI-Diagnose per eMail an ihn zu schicken.

Aber wenn Sie damit einverstanden sind, daß Ihr Anwalt Ihnen (mittlerweile schon ein wenig altbacken, oder?) per eMail Informationen schickt, sollten Sie sich doch Gedanken darum machen, welchen Provider er nutzt.

Manche Anwälte investieren nicht wenig Zeit und Geld in die Infrastruktur ihres Büros. Eigene Domains, eigene eMail-Server, etc. pp.

Die anderen finden eine billigere Lösung. Für den Anwalt billiger.

Versuchen Sie es doch ‚mal damit, daß Sie bei jeder Mail an Ihren Anwalt (vielleicht unterhalb der Signatur, da fällt es ihm nicht auf) die Wörter „Koi“ und „Teichfilter“ unterbringen. Und dann achten Sie ‚mal darauf, ob sich die Werbung ändert.

Natürlich ist jede Sicherungsmaßnahme überwindbar. Verzichten Sie deshalb darauf, die Tür zu schließen, wenn Sie das Haus verlassen?

Natürlich ist die eigene Domain noch kein Hinweis auf einen eigenen Server. Aber wenn Sie auf die Buchstaben nach dem @ schauen und lesen schweigepflichtiger.anwalt@nsa.gov dann sollte das doch zu denken geben, oder?