Verdummung pur: „Mehr Sicherheit: Videoüberwachung für 80 Bahnhöfe“

Und die Presse macht mit:

Mehr Sicherheit: Videoüberwachung für 80 Bahnhöfe

ist der Aufmacher der Berliner Morgenpost am 26.04.2013. Die Berliner Zeitung macht auch mit, weist aber daraufhin:

Im Gegenzug werden bis Ende 2015 alle Zugabfertiger von den Bahnhöfen abkommandiert. Das heißt, dass es auf allen Bahnsteigen kein fest stationiertes Personal mehr geben wird.

Bin ich der Einzige, der sich fragt, warum eine Videoüberwachung zu mehr Sicherheit führen soll?

Meine Schreie um Hilfe wird kein Personal mehr hören. Meine Erben werden über die Akteneinsicht die letzten Minuten meines Lebens per Video zur Erinnerung bekommen und es so einfacher haben, ihre Ansprüche geltend zu machen.

Vielleicht ist mein Unmut nur durch mein mangelndes Wissen begründet?

Die Videokamera steigt von der Decke zu meiner Hilfe herunter und steht mir bei?

Das wird die Bösen sicherlich abschrecken! Ganz sicher!

Aber das Kind will ja nicht zum Vater

…, da kann ich nichts tun, reicht als Ausrede der das Kind betreuenden Mutter jedenfalls nicht aus, wenn der Umgang mit dem Kindesvater scheitert. Das Gleiche gilt natürlich auch, nur umgekehrt, wenn der betreuende Elternteil der Vater und der umgangsberechtigte Elternteil die Mutter ist.

Erst kürzlich hat dies wieder das Oberlandesgericht Saarbrücken in einer Entscheidung bekräftigt, mit der es gegen die Kindesmutter ein Ordnungsgeld verhängte, nachdem das Kind sich entgegen einer Umgangsregelung weigerte, den Umgangspfleger zu begleiten. Vergleiche Beschluss des Oberlandesgericht Saarbrücken vom 08.10.2012 -6 WF 381/12-.

Der umgangsverpflichtete (das Kind betreuende) Elternteil darf sich nämlich nicht darauf beschränken, die Entscheidung, ob und in welchem Umfang der Umgang stattfindet, dem Kind zu überlassen. Sondern er ist dazu verpflichtet, durch aktives Tun das Kind herauszugeben, sogar den Umgang dadurch zu fördern, dass dem Kind der Eindruck vermittelt wird, der Umgang sei ausdrücklich erwünscht, ganz gleich welche Auffassung der umgangsverpflichtete Elternteil im Innersten hierzu tatsächlich hat. Andernfalls können Ordnungsgeld oder Ordnungshaft gem. § 89 FamFG drohen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung, so unter anderem Beschluss des Bundesgerichtshof vom 01.02.2012 – XII ZB 188/11 -.

Grund hierfür ist, dass das Kind nicht in den elterlichen Konflikt um das Umgangsrecht hineingezogen werden soll. Dem Wohl und Seelenfrieden eines Kindes wird es naheliegender Weise in den meisten Fällen schaden, wenn es in eine Situation gerät, sich für oder gegen einen Elternteil entscheiden zu müssen. Dessen ungeachtet dürfte es nur natürlich sein, dass sich ein Trennungskind fast immer mit dem Elternteil, mit dem es alltäglich zusammenlebt, solidarisiert und auch stärker mit Verlustängsten belastet ist, als dies bei Kindern in Familien, in denen Vater und Mutter zusammen leben, der Fall ist. Ein Trennungskind ist daher gar nicht in der Lage, etwa objektiv darüber zu befinden, ob und in welchem Maße Umgang stattfinden soll.

So aufgeklärt es sich auch anhört, wenn ein umgangsverpflichteter Elternteil die Entscheidung über den Umgangs dem Kind überläßt, es wird dem Kindeswohl und dem Elternrecht des umgangsberechtigten Elternteils nicht gerecht.  Regelmäßig wird es – objektiv betrachtet  -dem Kindeswohl eines Trennungskindes entsprechen, eine tragfähige Beziehung auch zu dem umgangsberechtigten Elternteil aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten. Zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass Kinder nicht das Recht haben, sich ihre Eltern auszusuchen oder darüber zu entscheiden, wie oft sie bei welchem Elternteil sind.

Andreas Schulze, Rechtsanwalt

Lassen Sie sich nicht blitzen und falls doch, lassen Sie sich nicht bestrafen

… zumindest nicht, ohne die Richtigkeit und Verwertbarkeit der Feststellungen des vorgeworfenen Verkehrsverstosses nachprüfen zu lassen.

Wir haben erst kürzlich ein Urteil erstritten, in dem das Amtsgericht Herford erhebliche Zweifel an dem Messverfahren Poliscan Speed geäußert und den Betroffenen freigesprochen hat  (Urteil des Amtsgericht Herford vom 28.01.2013 -11 Owi-502 Js 3146/12 – 1107/12). Das Gericht stellte fest, dass das Messverfahren Poliscan Speed in Bezug auf die gerichtliche Verwertbarkeit deutliche Schwächen hat und deshalb nicht akzeptiert werden kann. Dies gilt insbesondere in Hinsicht auf die Zuordnung des sogenannten Messrahmens zu dem Fahrzeug, das auf dem Messfoto abgebildet ist, z.B. auf einer Autobahn mit drei Spuren bei nebeneinander fahrenden Fahrzeugen. Die Zuordnung des Messrahmens im Messfoto ist nicht der Eichung unterlegen.

In einem beachtenswerten Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit hat der Bußgeldrichter dabei deutliche Worte zu dem Verhalten des Herstellers des Messgerätes gefunden. Die Herstellerfirma ist nämlich regelmäßig nicht bereit, sämtliche Messdaten des Messvorganges zur Verfügung zu stellen, so dass Verkehrssachverständige nicht die Möglichkeit haben, die Messdaten zu überprüfen.  Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei Poliscan Speed letztlich um eine Blackbox, die es Verkehrssachverständigem und Bußgeldrichter nicht ermöglicht, das Messverfahren nachzuvollziehen und zu überprüfen. Bei Akzeptanz eines solchen Messverfahrens wäre eine private Herstellerfirma in der Lage, einem Bußgeldrichter das Beweisergebnis mehr oder weniger vorzuschreiben. Der Bußgeldrichter würde zu einem Verurteilungsautomaten herabsinken.

Dies fügt sich in die auf dem 51. Verkehrsgerichtstag in Goslar im Januar 2013 bekanntgewordenen und von Verkehrssachverständigen vertretenen Einschätzungen ein, wonach 1/4 bis 1/3 aller Geschwindikgeitsmessungen erweislich Messfehler aufweisen oder nicht gerichtsfest sind.

BGH deckt Schlamperei

Der Kollege Vetter hat auf einen interessanten Beschluss des 7. Senates des BGH aufmerksam gemacht: Eine Frage der Auslegung.

Eine Frage der Auslegung? Nein, eine Frage der Ehre, der juristischen Ehre!

Was war passiert? Weiterlesen

Zeit ist Geld

Wer kennt es nicht, eine lange Flugreise mit sagenhafter Verspätung und die Airline will dennoch keine Entschädigung zahlen? Es käme nur auf eine Abflugzeitverspätung an oder man hafte nicht für einen verpassten Anschlussflug.

Damit ist jetzt Schluss! Der Europäische Gerichtshof hat in erfreulicher Eindeutigkeit mit seinem Urteil vom 26. Februar 2013 in der Rechtssache C -11/11 klargestellt, dass es nur darauf ankommt, ob man den Zielort des letzten Fluges auf dem Flugschein mit einer Verspätung von mindestens 3 Stunden erreicht.

Ist das der Fall und kann sich das Luftfahrtunternehmen nicht mit außergewöhnlichen Umständen entlasten, hat es eine Ausgleichszahlung in Höhe von in der Regel

  • 250 € bei Flügen mit einer Entfernung von bis zu 1.500 km bzw.
  • 400 € bei allen innergemeinschaftlichen Flügen mit einer Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km und
  • 600 € bei allen sonstigen Flügen zu zahlen.

Es ist für die Airlines übrigens nicht einfach, sich mit außergewöhnlichen Umständen zu entlasten. Sie müssten hierfür nachweisen, dass die außergewöhnlichen Umstände tatsächlich nicht zu beherrschen waren. Das gelingt den Fluggesellschaften meist nicht, weil es oftmals nur Kostengründe sind, die dazu führen, dass z.B. bei einem technischen Defekt oder einer Verspätung des vorherigen Fluges eine Ersatzmaschine oder Ersatzbesatzung nicht bereit steht.

Mal sehen, was sich die Airlines in Zukunft so alles einfallen lassen, um nicht die Entschädigungen zahlen zu müssen. Kein Verkauf mehr von Flügen mit Anschlussflügen, sondern nur noch von Einzelflügen oder Angebote von geringen Sofortentschädigungen gegen Unterzeichnung von Abgeltungserklärungen?

Aber bleiben wir optimistisch und freuen uns über das verbraucherfreundliche Urteil des EuGH.