Minderheitenvotum BVerfG zur Erbschaftssteuer hat es in sich

Natürlich ist es noch zu früh für eine gedankliche Durchdringung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftssteuer des Ersten Senats vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12

Die abweichende Meinung der Richter Professores Gaier, Masing und Baer, die der Entscheidung und Begründung zustimmen, ist mehr als lesenswert, sie gehört in den Politikunterricht einer jeden Schule. Sie meinen, daß zur Begründung der Entscheidung auch das Sozialstaatsprinzip herangezogen werden muß und machen die politische Funktion des höchsten Richteramtes deutlich:

Die Erbschaftsteuer ist ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit, die sich in einer freien Ordnung nicht von selbst herstellt.

Dies gilt insbesondere für die Eigentumsordnung, denn im Eigentum gerinnt die Ungleichheit der freigesetzten Gesellschaft zur Materie und wird Ausgangspunkt neuer Ungleichheiten

Die Erbschaftsteuer dient deshalb nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst.

Der für die Vermögensverteilung international herangezogene Gini-Koeffizient ist entsprechend von 0,62 im Jahr 1993 auf 0,78 im Jahr 2012 gestiegen, sodass Deutschland gegenwärtig innerhalb der Eurozone den höchsten Grad an Ungleichheit bei der Verteilung des Vermögens aufweist.

Werden gerade diejenigen verschont, die als erfolgreiche Unternehmer über die größten Vermögen und damit auch über erheblichen Einfluss auf das Gemeinwesen verfügen, und wird gerade ihnen ermöglicht, dieses Vermögen unter Befreiung der sonst nach Leistungsfähigkeit auferlegten Lasten an Dritte, insbesondere an Familienmitglieder, weiterzureichen, ohne dass diese hierfür eigene Leistung oder Fähigkeiten eingebracht hätten, verfestigt und verstärkt dies die ökonomische Ungleichheit.

Nur nicht so pessimistisch, sehr verehrte Leistungsträger, man kann es auch positiv betrachten: Diesen Gründen konnten sich fünf von acht Richtern nicht anschließen.

Noch haben derartige Gesinnungen keine Mehrheit. Noch nicht.

5 Kommentare
  1. JLloyd
    JLloyd sagte:

    Der Aspekt, dass eine hohe Erbschaftssteuer einer sozialen Polarisierung der Bevölkerung entgegenwirkt ist so neu nicht: Ein damals ehemaliger Verfassungsrichter (Mahrenholz oder Böckenförde) äußerte ihn bereits vor einigen Jahrzehnten, ohne dass es einen Aufschrei gab.

    • RA Jede: Sondervotum Böckenförde zur Vermögensteuer, BVerfGE 93, 149 <162 f.> Und auch jetzt gibt es keinen Aufschrei. Oder habe ich irgendwas verpaßt?
      Um einer Polarisierung der Bevölkerung entgegenzuwirken (ich will das nicht!) kann man auch allen das gleiche Einkommen gewähren.

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  2. RA Kelle
    RA Kelle sagte:

    Man kann das Unbehagen verstehen, wenn aus einer (angeblichen) Leistungsgesellschaft eine Erbengesellschaft wird.

    • RA Jede: Können Sie mein Unbehagen verstehen, daß die von mir erworbenen Werte nach meinem Tod an den Fiskus übergehen? Ja. ja, die Freibeträge. Allein sie stellen sicher, daß nicht ein Aufstand ausbricht. So trifft es immer nur die anderen, oder haben Sie schon mal von jemandem gehört, der sich als Besserverdiener bezeichnet?

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  3. Rolf Schälike
    Rolf Schälike sagte:

    RA Jede fragt: …“oder haben Sie schon mal von jemandem gehört, der sich als Besserverdiener bezeichnet? “

    Gegenüber meinen Servicepartnern fühlte und fühle ich mich als der Besserverdiener.

    Was meinen Besitz betrifft, so stecken in diesem wesentlich mehr Arbeitsstunden – auch von sehr intelligenten, arbeitssamen und klugen Menschen erbracht – als ich Arbeitstunden überhaupt in der Lage war zu leisten, auch bei einen 24h Arbeitstag..

    • RA Jede: Sie werden die Leistungen doch entgolten haben?

    Meine Auftrgageber sind aber mir gegebnüber in der gleichen Lage.

    Das polarisiert und kann zu Katastrophen führen, die ich nicht möchte.

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