Umgang mit Übernachtung auch bei Kleinkindern
Um es gleich voran zu stellen: Welcher Umgang im Einzelfall dem Kindeswohl entspricht, kann nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden. Denn vor allem anderen bestimmt das Wohl des jeweils betroffenen Trennungskindes, in welchem Umfang das Umgangsrecht ausgeübt werden soll.
Generell gilt aber, dass die noch bis vor 10 Jahren häufig vertretene Auffassung, dass Umgang bei Kleinkindern nur ohne Übernachtung bzw. nur stundenweise altersgerecht sei, überholt ist. Diese Auffassung hatte das Umgangsrecht zu sehr nur aus der Sichtweise der Bindung des Kindes zu dem hauptsächlich betreuenden Elternteil betrachtet, aber die Bindungen zu dem umgangsberechtigten Elternteil und das Elternrecht des umgangsberechtigten Elternteils außer Acht gelassen. Denn gerade kleinere Kinder sind aufgrund des auf kürzere Zeiträume bezogenen Erinnerungsvermögens auf häufigere Umgangskontakte in kürzeren zeitlichen Abständen zum umgangsberechtigten Elternteil, mit dem sie nicht alltäglich zusammen leben, angewiesen, um eine enge und vertraute Bindung aufzubauen, kurzum, um sich auch bei dem anderen Elternteil wohl zu fühlen.
So hat das Saarländische Oberlandesgericht in einem Beschluss vom 23.01.2013 – 6 UF 20/13 – ausgeführt, dass das bloße Alter eines Kindes kein maßgebliches Kriterium ist, das für die Frage der Anordnung von Übernachtungskontakten herangezogen werden kann. Es hat Wochenendumgang mit Übernachtung auch bei einem 3 1/2 – jährigen Kind als kindeswohlgerecht erkannt. Damit fügt sich der Beschluss in die aktuelle Rechtsprechung zu Umgang mit Übernachtung auch bei Kleinkindern ein. Vergleiche statt vieler Entscheidungen: Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 23.03.2007 – 1 BvR 156/07 -, Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes vom 29.12.2009 – 10 UF 150/09 -.
Sobald das Kind nicht mehr gestillt wird bzw. bei längerer Zeit stillenden Müttern nicht mehr die Nahrungsaufnahme im Vordergrund steht, kommt grundsätzlich Umgang mit Übernachtung in Betracht. Dabei ist gerade bei Kleinst- und Kleinkindern darauf zu achten, dass die Zeitabstände zwischen den Umgängen nicht zu lang werden und z.B. zwischen Wochenendumgängen im 14-tägigen Rhythmus noch ein oder mehrere stundenweise Umgangskontakte stattfinden. Vergleiche Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes vom 29.12.2009 – 10 UF 150/09 -.
Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Fachanwalt für Familienrecht und Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.