(Wahl-) Pflichtverteidiger dürfen mehr verdienen als Wahlverteidiger

catGenau 1 Jahr nach unserem Beitrag Der Trick der Bezirksrevisorin mit der Analogie ist es geklärt: Trifft der Verteidiger für das Vorverfahren eine Vergütungsvereinbarung, die den Höchstsatz der Wahlverteidigergebühren übersteigt und erfolgt für das gerichtliche Verfahren dann die Beiordnung, so findet keine Anrechnung des die Höchstgebühr übersteigenden vereinnahmten Honorars auf die von der Staatskasse zu erstattenden Pflichtverteidigergebühren für das gerichtliche Verfahren statt.

Das Kammergericht bestätigt als erstes OLG die Anrechnungsfreiheit des ausschließlich für das Ermittlungsverfahren vereinnahmtem über der Wahlverteidigerhöchstgebühr liegendem Honorars auf die Gebühren des für die Hauptverhandlung beigeordneten Verteidigers.

Das Kammergericht hat sich mit der Rechtsfrage befasst, ob die Vorschrift des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG eine allgemeine Anrechnungsregelung dahingehend enthält, dass Vorschüsse und Zahlungen, die die nach § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG verbleibenden Gebühren übersteigen, auch auf die Gebühren in anderen Gelegenheiten anzurechnen sind.

Hintergrund des Beschlusses war die Beschwerde der Bezirksrevisorin, die -vereinfacht ausgedrückt- der Auffassung war, die Höchstgebühren des Wahlverteidigers stellten eine allgemeine gebührenrechtliche Obergrenze auch für den erst im gerichtlichen Verfahren bestellten Pflichtverteidiger dar, alles darüber hinausgehende sei auf andere gebührenrechtliche Angelegenheiten anzurechnen.

Daß dem nicht so ist, hat das KG 1 WS 19/16 mit seinem Beschluss vom 29.03.2017 nun wohl als erstes Oberlandesgericht deutlich herausgearbeitet. Zwar stünden der Wortlaut des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG und auch die Gesetzessystematik einer solchen Auslegung nicht entgegen, aber sie widerspräche dem maßgebenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, der mit der Einfügung des Satzes 4 durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz bewusst keine sich auf andere gebührenrechtliche Angelegenheiten erstreckende Anrechnungsregelung einführen wollte.

Hier der Beschluss im Original, den ich trotz Verfahrensbeteiligung später als der Kollege Burhoff und die juris-Redaktion erhalten habe, aber hierüber kotzt sich gerade mein Kollege in einem gesonderten Beitrag aus.

Der Kollege Burhoff hat völlig zutreffend angemerkt, dass in dem Beschluss „eine Menge Geld für den (Pflicht)Verteidiger“ steckt.

Das gilt aber nur insoweit, als eine Zweckbestimmung der vereinnahmten Zahlungen ausschließlich für eine gebührenrechtliche Angelegenheit getroffen wurde und kein „Restvorschuss“ auf eine andere gebührenrechtliche Angelegenheit übrig bleibt. Ein solcher unterliegt dann der Anrechnung nach § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG.

Im Festsetzungsverfahren ist daher vom Pflichtverteidiger genau anzugeben, welche Zahlung er auf welche gebührenrechtliche Angelegenheit erhalten hat.

Der Trick der Bezirksrevisorin mit der Analogie

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LG Berlin – v. 31.03.2016 – 538 KLs 7-15 – zur Anrechnungsfreiheit eines ausschließlich für das Ermittlungsverfahren vereinbarten über dem dreifachen Satz der Wahlverteidigerhöchstgebühr liegenden Honorars auf die Tätigkeit des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren

Die Bezirksrevisorin läßt das Mausen nicht: Mit immer neuen Tricks versucht die Landeskasse, auf Kosten der (Pflicht-) Verteidiger Geld zu sparen.

Ich habe mit dem Mandanten eine Honorarvereinbarung ausschließlich für das Ermittlungsverfahren getroffen. Diese lag über dem dreifachen Satz der Wahlverteigerhöchstgebühr der Nrn. 4101, 4103 und 4105 VV-RVG. In der späteren Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer erging ein Beiordnungsbeschluss.

Im Kostenfestsetzungsverfahren habe ich unter Offenlegung des Inhalts der Honorarvereinbarung die Festsetzung der auschließlich vor der Strafkammer angefallenen Verfahrensgebühr und zweier Terminsgebühren beantragt.

Das klingt auf den ersten Blick völlig unproblematisch und unspektakulär – dachte ich -,

wird doch mit der Neufassung des § 58 Absatz 3 Satz 1 RVG i.V.m. § 17 Absatz 1 Nr. 10 a RVG nicht mehr nach Verfahrensabschnitten sondern gebührenrechtlichen Angelegenheiten differenziert.

Die zur Altfassung des § 58 Absatz 3 Satz 1 RVG ergangene obergerichtliche Rechtsprechung zur Anrechnung der für das Ermittlungsverfahren vereinnahmten Gebühren auf die Pflichtverteidigergebühren für das Hauptverfahren ist seit Inkrafttreten der Neufassung des § 58 Absatz 3 Satz 1 RVG hinfällig; das erkennen nun selbst die Berliner Kostenbeamten an:

Mit dem 2. KostRMoG vom 23.07.2013 wurde § 58 Abs.3 Sz.1 RVG dahingehend geändert, dass aus dem Begriff“…bestimmte Verfahrensabschnitte…“ die klarstellende Formulierung „…in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit…“ erfolgte. Danach dürfte die oben zitierte Rechtsprechung (Anm. d. Verf.: KG, Beschl. v. 25.07.2008 -1 Ws 124/08) hinfällig geworden sein, und nunmehr unter Beachtung des § 17 Nr. 10 und 10 a) RVG (in der Fassung seit dem 01.08.2013) eine Anrechnung von erhaltenen Zahlungen nur auf Gebühren des Ermittlungsverfahrens bzw. nur auf Gebühren des gerichtlichen Verfahrens zulässig sein, wenn dies in einer Honorarvereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten so vereinbart wurde.

Das Ergebnis dieser Überlegung des Bezirksrevisors ist eindeutig und dürfte keine Zweifel an der Anrechnungsfreiheit aufkeimen lassen. Wenn da nicht die Bezirksrevisorin selbst wäre, die mit ihrer eigenen Feststellung nicht einverstanden ist. Weiterlesen