Lehrstunde des Grauens

Carsten Hoenig und wir verfolgen als Strafverteidiger die Durchsuchungen im Zusammenhang mit DroidJack mit wachsendem Entsetzen.

Uns wurde freundlicherweise der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichtes Gießen zugespielt und uns geht es wie CRH: Wir können es kaum glauben. Ich gehe davon aus, daß die uns vorliegenden Beschlüsse identisch sind. Ausschließlich der Verdacht des Kaufs des Programms führte entgegen der klaren Rechtslage zu den Durchsuchungen.

DroidJack

Dazu passen natürlich Bestrebungen, Barzahlungen zu unterbinden.

Der übliche Textbaustein für einen Durchsuchungsbeschluß vieler Staatsanwaltschaften lautet:

weil aufgrund von Tatsachen zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, nämlich …

,

den die Richter natürlich übernehmen. Macht viel zu viel Arbeit, etwas am Entwurf der Staatsanwaltschaft zu ändern, die den Entwurf bereits auf dem Papier des Gerichtes ausdruckt, folglich werden Aktenzeichen und Datum regelmäßig mit der Hand eingetragen.

Diese Tatsachen verschweigt der Beschluß dann aber tunlich. Sie wären im Beschluß konkret zu bezeichnen. Stattdessen wird darauf verwiesen, daß der Tatverdacht auf den Ermittlungen der ZIT und des Bundeskrminalamtes beruht. Eigentlich kann sich der Staatsanwalt doch die Begründung sparen und schreiben „Der Verdacht ergibt sich aus den aktenkundigen Tatsachen, die ich überprüfte und für überzeugend beurteilte.“

Und das uns hier besonders interessierende Merkmal, daß zum legalen Erwerb weitere objektive Merkmale hinzutreten müssen, umgeht der Beschluß „brilliant“ [1]:

  1. Die Software enthält keine legitimen Funktionalitäten und taugt damit nur für Straftaten. [2]
  2. Dies läßt einen nachfolgenden Einsatz der Schadsoftware zur Begehung von Straftagen als sehr wahrscheinlich erscheinen.
  3. Unter Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungswerte bestehe daher der Verdacht, daß er die Software zur Vorbereitung der Straftaten erworben und bereits – wie beabsichtigt – verwendet hat.
  4. Da der Bösewicht Geld für die Software bezahlt hat ist die Annahme begründet, daß er versuchen wird, mit den Einnahmen aus dem betrügerischen Einsatz der Opferdaten die Ausgaben für die Software zu kompensieren.

Das traut sich nichtmal eine Studentin im 1. Semester angemessen zu kommentieren.

Mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität ZIT in Gießen haben wir schon zuvor Erfahrungen gesammelt, die hierzu passen.

Wenn die Herren Richter am Bundesverfassungsgericht diese Nachrichten lesen, werden sie sich sicherlich erstaunt die Augen reiben. Mehrere legale „Nutzer“ von Schadsoftware hatten Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschrift des § 202c StGB erhoben und das Gericht hat die Beschwerde nicht angenommen – 2 BvR 2233/07 -. Die Beschwerdeführer seien nicht von der Norm unmittelbar betroffen und die Verfassungshüter führten ausführlich aus, daß schließlich noch mehr zur Straftat hinzugehöre als der Besitz der Schadsoftware (vgl. Kommentar 3)

  1. [1]Die Verwendung des Begriffes ist hier aus blankem Zynismus erfolgt
  2. [2]Lieber Leser, sicherlich haben Sie sich auch schon die Frage gestellt, wie man wohl ein Programm zur Abwehr von DroidJack entwickelt ohne im Besitz des Programms zu sein?

DroidJack Durchsuchungen – einfach mal so

744569_web_R_B_by_Tim Reckmann_pixelio.deNicht nur bundesweite Durchsuchungen bei Käufern der Software DroidJack, sondern eine konzertierte Aktion bei der in Zusammenarbeit mit Europol auch in Großbritannien, Frankreich, Belgien und der Schweiz Wohnungen durchsucht wurden.

Interessant ist die Erklärung der Staatsanwaltschaft, daß den Käufern das verbotene Ausspähen von Daten und Computerbetrug vorgeworfen wird. Die Software ließe sich ausschließlich illegal verwenden.

Obwohl Agenturmeldung, scheint sie nicht besonders verbreitet worden zu sein. SPON hat sich des Themas angenommen und ein Betroffener berichtet auf dem gulli-board

Es scheint sich keiner mehr darüber aufzuregen, ich komme mir vor wie der einsame Mahner in der Wüste.

Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob man die Software auch legal nutzen kann, was ziemlich wahrscheinlich ist. Der Erwerb und Besitz des Programmes ist legal. Die Strafverfolgungsbehörden schließen aus dem legalen Erwerb einer Software messerscharf, daß sie auch illegal genutzt wird und beantragen den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses. Und das Gericht macht mit. Wohlgemerkt: Hier hat ein Richter entschieden, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gebrochen werden darf, da die gesetzlichen Voraussetzungen (Tatverdacht) vorlägen.

Hatten wir das nicht schon’mal? Hat sich nicht ein berühmter Richter am Bundesgerichtshof in der ZEIT dafür entschuldigt? [1]

Das BVerfG hat im Edathy-Beschluß nicht formal entschieden, daß

die von ihm (Edathy) als verfassungsrechtlich grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob ein strafprozessualer Anfangsverdacht auch an ein ausschließlich legales Verhalten des Beschuldigten ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte anknüpfen könne, ist daher nicht entscheidungserheblich.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 74/2014 vom 29. August 2014

Aber klar auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach weitere Anhaltspunkte vorliegen müssen.

In der Rechtsprechung ist andererseits auch geklärt, dass ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden kann, wenn weitere Anhaltspunkte hinzutreten.
Fundstelle wie oben, Hervorhebungen hier

In den DroidJack-Fällen wird wohl das Bundesverfassungsgericht die grundsätzlich bedeutsame Frage beantworten müssen. Und ich habe keinen Zweifel wie die Antwort aussehen wird. Sie ist selbst in Kleinkommentaren zur StPO beantwortet. Jeder Idiot kann sich die Antwort denken. Ansonsten passiert das, was Fischer (s.o) vorgedacht hat:

Verheerender als die praktische Sinnlosigkeit einer solchen Strafverfolgung ist der Verlust ihrer Legitimität. Es ist, so lautet die Botschaft, weder möglich noch nützlich, noch ausreichend, sein Verhalten an den gesetzlich bestimmten Grenzen zu orientieren. Denn die immer höhere, immer weiter vorverlagerte Bestrafung … führt – gegen alle Ankündigungen der Rechtspolitiker – in Wahrheit nicht dazu, dass jene sich für das Recht (also das Erlaubte) und gegen das Unrecht entscheiden können oder auch nur wollen. Und wenn sie es täten, hülfe es ihnen nichts: Die Bemühung, nur und gerade das zu tun, was noch erlaubt ist, begründet erst recht den Verdacht, dass die wahren Verbrechen jetzt bloß verschleiert werden sollen.
Auch hier wieder: Hervorhebung durch uns

Den Kommentaren „Ich finde das richtig“ sei nochmal Fischer (s.o.) entgegengehalten:

Der vernichtenden Gewalt des Redlichen kann nur entkommen, wer sie freudig begrüßt und aktiv unterstützt. Gerechtfertigt wird dies mit der goldenen Regel aller Stammtische: Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten. Ganz ähnlich sieht man das in Nordkorea.

Ich werde versuchen dranzubleiben. Pfeifen Sie bitte!

Update 28.10.2015 10:04h
Hier die PM der in unserer Kanzlei sehr beliebten ZIT [2], die hier nicht durch besondere Professionalität aufgefallen ist. Auffällig dafür der Briefkopf (die Pressemitteilung rufen Sie auf: Hier!):

ZIT

Bild Grundgesetz © Tim Reckmann/pixelio.de

  1. [1]Vorsitzender Richter am BGH Thomas Fischer: Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy
  2. [2]Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.

Nachhilfe von Anfang an benötigt

150809_web_R_by_Bredehorn.J_pixelio.de
unter der Überschrift Nachhilfe benötigt hatte ich mir Gedanken um eine Aufforderung des Vorsitzenden im NSU-Prozess gemacht, die dann eine beachtliche Eigendynamik entwickelte und die Öffentlichkeit unter dem Schlagwort Nichtexistente Nebenklägerin beschäftigt.

In meinem Focus sind immer noch die Richter.

Der Rechtsanwalt hat schriftlich gegenüber dem Gericht erklärt, daß sich seine Mandantin der erhobenen öffentlichen Klage anschließt, da sie Verletzte einer in § 395 StPO genannten rechtswidrigen Tat ist. Diese Anschlußerklärung [1] ist eine Prozeßhandlung, und der Rechtsanwalt nimmt kein Vertrauen auf seine Position als Organ der Rechtspflege in Anspruch. Er erklärt den Anschluß seiner Mandantin und nicht, daß er Gewähr für die Richtigkeit ihrer Behauptungen übernimmt. Der Rechtsanwalt ist nicht der Vorprüfungsausschuß des Gerichtes.

Das Gesetz gibt in § 396 Abs. 2 Satz 1 StPO klar vor was zu geschehen hat:

Das Gericht entscheidet über die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger nach Anhörung der Staatsanwaltschaft.

Also nicht der Vorsitzende entscheidet, sondern das Gericht, und es hat zuvor die Staatsanwaltschaft anzuhören.

Und worüber entscheidet das Gericht?

Darüber, ob die Anschlußerklärung zurecht erfolgt ist.

Es muß also prüfen, ob diejenige, die den Anschluß erklären ließ, zum Personenkreis des § 395 StPO gehört. Mit anderen Worten: Ob sie Verletzte ist. Das prüft das Gericht anhand der Akten. Die Akten sind digitalisiert. Der Aufwand ist mit den vom Gericht verwandten modernen Techniken überschaubar. Den Namen in eine Suchmaske eintippen und den Rechner suchen lassen. Wenn sich in der Akte kein Bezug zur Nebenklägerin findet, ist ihre Behauptung zu verifizieren.

Was also hat das Gericht geprüft? Was hat die Staatsanwaltschaft geprüft und dem Gericht geantwortet?

Der Rechtsanwalt wird sicherlich seine gerechte Strafe erhalten, die Berufsgerichte der Rechtsanwälte sind nicht zimperlich.

Werden die Richter und die Staatsanwälte sich zu verantworten haben? Sie haben eine Schaden in Höhe von über 100.000 € zu verantworten.

Nein, sie werden sich nicht verantworten müssen und das ist auch gut so. Wichtig ist jedoch, daß es angeprangert wird.

© Bild: Bredehorn.J / pixelio.de

  1. [1]§ 396 StPO

Nachhilfe benötigt 

Die WELT berichtet

Der Richter kritisierte außerdem den Anwalt eines Kölner NSU-Opfers scharf und fragte wiederholt nach, ob und wann dieser zuletzt Kontakt zu seiner Mandantin hatte. Sie sei mehrmals als Zeugin geladen gewesen, aber nicht erschienen. Götzl drohte ein Ermittlungsverfahren an, falls er nicht bis diesen Mittwoch die gewünschten Auskünfte erhält.

Der Anwalt als Auskunftei? Drohung mit einem Ermittlungsverfahren?
Wenn der Anwalt die erpressten Auskünfte erteilt kann er sich gleich gegen ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren der für ihn zuständigen Generalstaatsanwaltschaft verteidigen.

Bin ich schon wieder der Einzige, der sich darüber aufregt?

Schwarze Schafe

Unfaßbar. Ich lese in einer Ermittlungsakte der Steuerfahndung

Der Steuerberaterin der Gesellschaft, Frau Susi Sorglos, ist der Aufenthalt des Rudi Ratlos nicht bekannt.
Das Steuerbüro hat seit Januar 2014 keinen Kontakt mehr zu Ratlos. Das Mandat wurde niedergelegt

Da verwechselt sich die Steuerberaterin mit einer Auskunftei. Weder darf sie Auskunft darüber erteilen, daß ihr der Aufenthalt unbekannt ist, noch, daß sie keinen Kontakt zu ihm hat. Auch die Tatsache, daß sie das Mandat beendet hat unterliegt dem Geheimnisschutz. Sie hat mitzuteilen, daß das Mandat beendet ist. Mehr nicht.

Das dürfte wohl ein Verstoß gegen § 203 StGB sein, sicher ist es aber ein erheblicher Verstoß gegen das Berufsrecht. Komisch, daß die Ermittlungsbehörden das nicht von Amts wegen verfolgen …