Anfangsverdacht

Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen, nicht nur straflos vorbereitet worden ist; hierfür müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen …[1]

Jemand besitzt rechtmäßig eine Glock. Er kauft sich im Internet rechtmäßig ein Bauteil, mit dem diese zu einer vollautomatischen Waffe umgebaut werden kann. Der Umgang mit einer solchen vollautomatischen Waffe ist in Deutschland als Verbrechen strafbar.

Das Amtsgericht erläßt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß für die Wohnung und die Fahrzeuge des Beschuldigten und greift damit erheblich in die Grundrechte des Beschuldigten ein. Gefunden werden sollen die Glock und das Bauteil.

Die FAZ berichtet am 19.08.2014 über eine von ihr bei Allensbach in Auftrag gegebene Umfrage zum Vertrauen in die Justiz

Zwei Drittel der Bürger haben großes Vertrauen in die deutschen Gerichte, nur 29 Prozent wenig und ganze 5 Prozent keinerlei Vertrauen. Über die vergangenen Jahre hinweg schwankte der Vertrauenspegel zwischen 60 und 71 Prozent.

Nun, der Besitzer der Glock hat künftig wohl kein Vertrauen mehr in die Justiz. Der Verteidiger im Waffenrecht hat Probleme, das seinem Mandanten zu erklären. Die Durchsuchung haben „natürlich“ die Kollegen und Nachbarn beobachtet. Da besteht auch Erklärungsbedarf; die Wahrscheinlichkeit, daß diese Bürger großes Vertrauen in die Justiz haben ist 3:1.

  1. [1]Zitat aus dem Standard-Kommentar Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57.Aufl. 2014, § 102, RN 2
10 Kommentare
  1. StefanW
    StefanW sagte:

    Und was genau finden Sie an der Annahme falsch, dass das teuer gekaufte Bauteil nach einer gewissen Zeit auch zweckentsprechend verwendet worden ist und nicht einfach nur herumliegt? Sofern man das Bauteil nicht auch zu einem anderen sinnvollen Zweck einsetzen kann, finde ich es sehr richtig, dass die Obrigkeit nach Verstreichen einer gewissen Zeit mal nachschaut, was aus den Einzelteilen mittlerweile geworden ist. Dies nicht zu tun, würde ich angesichts der Gefährlichkeit vollautomatischer Schusswaffen geradezu für einen Ausdruck von Pflichtvergessenheit der Behörden halten.

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  2. asta
    asta sagte:

    Also wenn sich jemand Nudeln und Tomatensauce kauft, hätte ich auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür gesehen, dass es in Bälde dann auch mal Nudeln mit Tomatensauce gibt. Wobei die alternative Anzahl der Verwendungsmöglichkeiten für Nudeln auf der einen und Tomatensauce auf der anderen Seite die Anzahl der alternativen Verwendungsmöglichkeit der oben genannten Zutaten deutlich überscheiten dürfte. Ich teile Ihre Auffassung daher nicht.

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  3. Radio
    Radio sagte:

    Der erste Kommentator, Stefanw, hat genau das Problem, welches dieser Artikel offenlegen will.
    Nur die Tatsache, dass ich ein Messer besitze, macht mich nicht zum Gewalttäter, und auch Männer sind keine potentiellen Vergewaltiger, obwohl sie alle Möglichkeiten dazu haben.

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  4. Stefan Hrdy
    Stefan Hrdy sagte:

    Hallo

    es ist unglaublich, wie der Rechtsstaat zwischenzeitlich mit dem Grundgesetz umgeht. Ich kaufe mir vollkommen legal 2 verschiedene Teile. Es ist verboten, diese 2 Teile zusammenzubauen. Daran halte ich mich. Aber ich muss scheinbar damit rechnen, dass ich jederzeit wegen diesen 2 legalen Teilen eine Hausdurchsuchung angedient bekomme. Und, das ist die Steigerung: in Deutschland ist es leider gang und gäbe, dass bei legalen Waffenbesitzern bei einer Hausdurchsuchung morgens um 6 die Haustür eingerammt wird und Polizei die HD mit äußerster Schärfe durchführt.

    Stefan

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  5. Anonymous
    Anonymous sagte:

    Herr Jede, bitte berichten Sie, wie das Verfahren ausgegangen ist (wenn es dann so weit ist)! In den einschlägigen Fachforen hört man solche Geschichten zwar immer wieder mal, aber wie es ausgeht erfährt man nicht.
    Insbesondere: Was wurde aus dem strafrechtlichen Vorwurf und was wurde mit der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit?

    Vielen Dank!

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  6. StefanW
    StefanW sagte:

    Es ist wirklich haarsträubend, was man hier lesen kann. Anders als bei dem o.a. Messer sind mit den hier in Rede stehenden Waffenbauteilen keine anderen als hochkriminelle Zwecke verfolgbar. Aufgabe des Rechtsstaats ist es auch, durch polizeilichen Verfolgungsdruck dafür zu sorgen, dass diese Zwecke möglichst nicht realsisert werden können.

    Kommentar RA Jede 09/09/2014
    Unsere Vorstellungen vom Rechtsstaat differieren offenkundig.

    Keine Strafe ohne Gesetz“ ist eines der Grundprinzipien unserer Rechtsordnung, wie jeder hochstehenden Kultur. Was demnach nicht verboten ist, ist erlaubt. Auch dann, wenn es moralisch unvertretbar ist.

    Sie schlagen gewaltig mit Worthülsen um sich: hochkriminelle Zwecke – was auch immer das, insbesonder in der Steigerungsform, bedeuten mag. Was steckt dahinter? Sie favorisieren ein Gesinnungsstrafrecht? Die Absicht wird verfolgt, nicht die Tat?

    Das ist nicht die Welt, in der ich leben möchte, und ich werde alle mir zur Verfügung stehenden legalen Mittel nutzen, diese Ausweitung des Gesinnungsstrafrechts zum Gesinnungsterror zu verhindern.

    • Radarwarngerät darf besessen, nicht aber benutzt werden. Soll die Polizei in der Wohnung nachschauen dürfen, ob es doch benutzt wird? Für hochkriminelle Zwecke?
    • Sie besitzen legal ein Bauteil für ein Auto, daß in Ihr Auto aber nicht eingebaut werden darf, es würde die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden. Soll die Polizei in der Wohnung nachschauen dürfen, ob es doch benutzt wird? Für hochkriminelle Zwecke?
    • Die Liste läßt sich beliebig fortführen …

    Polizeilicher Verfolgungsdruck ist eminent wichtig! Straftaten müssen konsequent verfolgt werden. Straftaten, nicht Absichten!

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  7. RA Jede
    RA Jede sagte:

    Noch einmal deutlich für die Schnellleser:

    In das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung darf nur dann eingegriffen werden, sobald eine Straftat begangen wurde. Daß sie beabsichtigt wird, reicht in diesem Fall nicht aus!

    Wer in der DDR sozialisiert wurde, weiß von einem System zu berichten, in dem dieser Schutz nicht gewährt wurde.

    Es gibt viele Dinge, die man besitzen, aber nicht benutzen darf. Radarwarngeräte gehören auch dazu. Das Hirn gehört bekanntlich nicht dazu.

    Es gibt keine Notwendigkeit, sich für den Besitz von Dingen zu rechtfertigen, die auch für Straftaten Verwendung finden können. Wenn bei Ihnen eine Hausdurchsuchung stattfindet, müssen Sie sich nicht dafür rechtfertigen, falls Sie Pornographie besitzen!

    Ein Gesinnungsstrafrecht ist unserem Rechtssystem in weiten Teilen fremd.

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  8. StefanW
    StefanW sagte:

    Zur Unrichtigkeit Ihrer Interpretation des „Anfangsverdachts“ s. jetzt auch die Entscheidung des BVerfG zu Edathy ( http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20140815_2bvr096914.html ), insbes. Rn. 38 dazu, dass ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden kann.
    Kommentar hierzu von RA Jede:
    Ich bin nicht souverän genug, derartige Beiträge zu tolerieren und werde daher künftig derartige Beiträge löschen.

    1. Es ist nicht meine Interpretation des Anfangsverdachtes. Was soll ich eigentlich noch machen? Es ist als Zitat deutlich gemacht (Grüner Balken, andere Schriftart).
      Ist es zu viel verlangt, wenn ich vom Kommentator erwarte, daß er liest, was er kommentieren will?
      Darüber hinaus habe ich noch die Quelle angegeben. In dieser Quelle und der anderen Standardliteratur wird dann auch auf zahlreiche Entscheidungen, bspw. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes hingewiesen, woraus sich diese „Interpretation“ ergibt.
    2. Ich gebe zu, daß ich den Beschluß der 3. Kammer des 2. Senates noch nicht verstanden habe. Die ständige Rechtsprechung des BVerfG kann durch diesen Nichtannahme-Beschluß nicht geändert werden, ansonsten hätte der Senat entscheiden müssen. Es bleibt also bei der von mir zitierten Voraussetzung für den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses. Die Kammer bestätigt dies auch durch eine nahezu identische Formulierung mit der von mir zitierten Kommentarpassage:

      Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung zum Zwecke der Strafverfolgung ist daher der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde.

      Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>).

      Und nun kommt eine Besonderheit, die auch nichts Neues ist (sonnst wäre eine Kammerentscheidung nicht möglich gewesen):

      In der Rechtsprechung ist andererseits auch geklärt, dass ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden kann, wenn weitere Anhaltspunkte hinzutreten (vgl. BVerfGK 5, 84 <90>; 8, 332 <336>;…)Hervorhebungen jeweils durch d.Verf.

      Weiter führt die Kammer in der Entscheidung aus (RN 39)

      b) Soweit der Beschwerdeführer meint, die angegriffenen Beschlüsse gingen – weil derartige weitere Anhaltspunkte vorliegend nicht gegeben seien – von der Prämisse aus, dass ein Anfangsverdacht auch an ein ausschließlich legales Verhalten des Beschuldigten ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte anknüpfen könne, führt dies nicht zur Annahme der Verfassungsbeschwerde. Denn eine derartige Prämisse haben die Fachgerichte ihren Beschlüssen nicht zugrunde gelegt.

      Dann wird ausführlich begründet, daß das Landgericht die Bilder eben nicht als legal bewertet hat und daher einen Anfangsverdacht annehmen durfte.

    3. Ihre Behauptung

      dass ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden kann

      ist also schlichtweg falsch und unanständig, da Sie den zweiten Satzteil „…,wenn weitere Anhaltspunkte hinzutreten unterschlagen.

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  9. StefanW
    StefanW sagte:

    Nachtrag (aber vielleicht verstehen die Waffen-Lobbyisten auch den Witz nicht): http://www.Link gelöscht durch RA Jede
    Ich denke ich verstehe, warum Sie den verlinkten Beitrag witzig finden. Ich finde ihn geschmacklos und habe ihn daher gelöscht.

    Antworten

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