Recht zur Lüge

Was macht ein Bewerber bei dem Bewerbungsgespräch und/oder Einstellungsgespräch, wenn ihm der Arbeitgeber eine unzulässige Frage stellt?

Solche unzulässigen Fragen können z.B. sein:

die Frage nach der Familienplanung,

– ob die Bewerberin schwanger ist,

– ob noch ein Kinderwunsch bestehe,

– ob die Bewerberin sich hat sterilisieren lassen,

– Frage nach Schwerbehinderung oder Gleichstellung,

– Frage nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit,

– grundsätzlich auch die Frage nach Lohnpfändungen und Fragen zu den Vermögensverhältnissen,

– Frage nach Religionszugehörigkeit, wenn der Arbeitgeber nicht selbst ein kirchlicher Tendenzbetrieb ist,

– grundsätzlich auch die Frage nach einer Parteimitgliedschaft.

Würde der Bewerber auf eine unzulässige Frage wahrheitsgemäß antworten, dann würde der Missbrauch des Fragerechts noch belohnt werden und der Schutz des Arbeitnehmers vor unzulässigen Fragen ginge verloren.

Die Aussage verweigern kann der Bewerber auch nicht guten Mutes. Dann ist die Stelle gleich weg.

Also billigt die Rechtsprechung dem Bewerber auf solch unzulässige Fragen das Recht zur Lüge zu. Dies ist seit vielen Jahren einhellige Meinung unter den Arbeitsrechtlern und ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

In einem kürzlich entschiedenen Rechtsstreit ging es darum, ob eine Bewerberin für eine Stelle als angestellte Lehrerin auf die Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren lügen durfte. Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15.11.2012 – 6 AZR 339/11 – bejaht. Im Regelfall kann der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse an der Beantwortung einer Frage nach bereits eingestellten Ermittlungsverfahren bzw. der Frage, ob in den letzten Jahren vor der Einstellung, Ermittlungsverfahren gegen den Bewerber anhängig waren, haben, anders als es bei der Frage nach laufenden Ermittlungsverfahren oder strafrechtlichen Verurteilungen für bestimmte Tätigkeiten der Fall ist. Denn eingestellte Ermittlungsverfahren sind nach § 53 Bundeszentralregistergesetz auch nicht in einem Führungszeugnis für private Zwecke oder in Auskünften gegenüber Gerichten und Behörden zu erwähnen. Zu Recht wird dadurch die Unschuldsvermutung gestärkt. Denn ohne eigenes Verschulden kann es schließlich jedem nicht nur passieren, dass er Opfer einer Straftat wird, sondern auch wiederfahren, dass er Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens wird.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in  Berlin.

 

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