Richter auf Probe als Strafrichter

Auf dem Beck-Blog titelt Dr. Müller:

Richter sperrt Angeklagten zur Geständniserpressung mal kurz (?) in die Arrestzelle- Rechtsbeugung?
Quelle: Beck-Blog

über die Entscheidung des BGH vom 31. Mai 2012 – 2 StR 610/11Pressemitteilung BGH

Was mich aus ganz anderen Gründen nachdenklich macht:

Lassen Sie mich ein wenig übertreiben: Der Richter auf Probe hat gerade sein Staatsexamen bestanden, wohnt noch bei Mutti, seine Lebenserfahrung beschränkt sich auf Schule, Studium und Referendariat. Die Berufung zum Richter ist noch kein Jahr her. Erfahrene Richter haben ihn noch nicht „bei der Hand genommen“.

Das Gesetz schließt aus, daß er als Insolvenzrichter tätig sein darf, auch Betreuungssachen oder Familiensachen darf er noch nicht übernehmen, auch im ersten Jahr noch nicht Vorsitzender eines Schöffengerichtes sein.

Aber er darf als Strafrichter bereits tätig sein und wird in der Praxis auch als solcher eingesetzt. Eine richterliche Tätigkeit, die wohl in besonderer Weise der Erfahrung (Lebenserfahrung) bedarf.

Unser Mutti-Söhnchen darf also entscheiden, wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren nicht zu erwarten ist (§ 25 GVG), was nicht ausschließt, daß er die volle Strafgewalt bis zu vier Jahren ausschöpft (§ 24 II GVG), seine Einschätzung nach Aktenlage kann sich ja in der Hauptverhandlung als falsch erwiesen haben.

Im Strafrecht ist alles ein wenig anders. Die Verhältnismäßigkeit rutscht dem Gesetzgeber ab und zu aus dem Blick.

9 Kommentare
  1. Fellner-Security
    Fellner-Security sagte:

    Tja, endlich mal ein taffer Richter, hätte er mal bei Helmut Kohl machen müssen, dann wüssten wir, woher er die Mios hatte.
    Ach, ich reg mich gar nicht mehr auf über das Land. Andere sammeln Briefmarken, ich sonderbare Tätigkeiten von Polizisten und Justizjuristen auf http://www.dirtycop.de

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  2. egal
    egal sagte:

    Das Problem liegt eher darin begründet, dass der Staat – aus beamtenrechtlicher Sicht vernünftigerweise – die jungen Knirpse gleich einstellt. Warum hier etwa keine anwaltliche Berufserfahrung notwendig sein soll, ist schlichtweg nicht erklärbar. Gerade die Sichtweise eines Strafverteidigers würde doch einige Strafprozesse anders ablaufen lassen. Aber auch im Zivilrecht fragen sich gerade junge Richter immer wieder, warum der Anwalt so herumeiert und vermuten schonmal Inkompetenz. Dass erfahrene Richter dann oftmals Anderes vermuten, nämlich Probleme in der Mandantschaft oder Umschiffen von unangesprochenen Problemfeldern, muss nicht ausdrücklich erwähnt werden.

    Wie bereits erwähnt macht es durchaus Sinn die jungen und wenig erfahrenen Richter einzustellen. Denn das hat natürlich auch viele Vorteile. Der Einstiegspreis wird so niedrig gehalten. Anwaltliche Erfahrung müsste man ja ggf. mit einer Höherstufung ausgleichen. Jüngere Richter sind auch selten krank, sind ungebundener, evtl. auch noch „formbarer“ innerhalb der Gerichtsverwaltung, etc. Man sollte auch nicht vergessen, dass je jünger ein Proberichter ist, desto mehr darf er sich für seinen Dienstherrn hingeben, dementsprechend verdient er sich seine (hohe) Pension mehr. Natürlich profitiert der Staat ungemein davon, dass für junge Menschen oftmals Sicherheit ein großes Plus ist; so bleibt der Andrang fürs Richteramt hoch und dementsprechend die Auswahl groß.

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    • RA Jede
      RA Jede sagte:

      Wenn der Proberichter zunächst in anderen Funktionen „hospitiert“, in Kollegialgerichten eingesetzt wird und dort lernen kann, ist doch nichts dagegen einzuwenden. Learning by doing mit dem Korrektiv erfahrener Richter. Aber einen Proberichter einerseits nicht für fähig zu erachten, Insolvenzverfahren zu betreiben und ihm andererseits die „Macht“ zu geben, jemanden für vier Jahre wegzuschließen, finde ich unüberlegt.

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  3. ..
    .. sagte:

    Ihr sog. Muttersöhnchen ist im schlimmsten Fall Anfang 30, hat mindestens 4 Jahre studiert, sein Examen als einer der bestem des Jahrgangs abgeschlossen, hat während seines Referendariats bereits 9 Monate in einer Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet, mehrere Monate lang die Anklagen auf Seiten der StA vertreten und hat insgesamt 2 jahre lang praktische Erfahrungen als Jurist gesammelt. Dann hat er in einem Auswahlverfahren der Justiz bewiesen, dass er zum Staatsdienst geeignet ist…

    Was sollen junge Juristen denn noch auf sich nehmen, bevor sie Entscheidungen treffen dürfen?

    Inkompetente Leute gibt es überall, eine zu kurze Juristenausbildung war hier sicher nicht der Grund des Übels.

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  4. klabauter
    klabauter sagte:

    Ich denke auch, dass der Artikel an dem Sachverhalt, der zum Anlass genommen wird, vorbei geht.
    Die Aktion des Proberichters war „gut gemeint, aber nicht gut gemacht“. Im Gegensatz zum Zerrbild des Muttersöhnchens (diejenigen, die so gut sind, dass sie zum Staat können, haben mindestens genau so häufig Auslandsaufenthalte, Promotion , Nebentätigkeit in einer Anwaltskanzlei während des Referendariats oder einer Zwangspause zwischen 1. Examen und Referendariat u.a. hinter sich wie die ach so lebenserfahrenen Anwälte) hat er doch gerade nicht einserjuristenstreberhaft am Buchstaben des Gesetzes klebend die Verhandlung durchgezogen, sondern ist einen recht originellen Weg gegangen, einem Angeklagten zu zeigen, was eine Verurteilung zu einer Vollzugsstrafe konkret bedeuten kann. Das streberhafte Muttersöhnchen hätte geurteilt und die Rechtsmittelbelehrung erteilt.

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  5. RA Jede
    RA Jede sagte:

    @ 6.:

    hat während seines Referendariats bereits 9 Monate in einer Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet

    Von den neun Monaten können bis zu drei Monate im Ausland verbracht werden, beispielsweise in einem Unternehmen oder Verband. Bei uns habe ich in den letzten Jahren (mit einer Ausnahme) nur Anfragen gehabt, die unverblümt klar machten, daß sie die Zeit bei uns mit Examensvorbereitungen verbringen möchten und „nicht wirklich“ bei uns die Stage ableisten würden.

    Die Zulassungsakten, die mir auf dem Tisch liegen, weisen eine deutlich Tendenz auf: Die Mehrheit der Juristen mit Top-Noten und Auslandsaufenthalt etc. geht in die großen Kanzleien und nicht in die kleinen. Ich habe Schwierigkeiten mir vorzustellen, daß diese Kollegen bereit wären Richter zu werden.

    Er hat auch nicht

    mehrere Monate lang die Anklagen auf Seiten der StA vertreten,

    sondern einer völlig überarbeiteten Staatsanwältin die Drecksarbeit erledigt und sich nicht gewehrt, da er Angst vor schlechten Noten hat. In Berlin vertritt er nicht die Staatsanwaltschaft, sondern bekommt morgens die Akten der Amtsanwaltschaft und setzt sich in die Verhandlung. Regelmäßig fand und findet keine Ausbildung während der Sitzung statt. Ich habe noch nie erlebt, daß der Ausbilder Zeit fand, die Sitzung seines Referendars zu verfolgen.

    Richter und Anwalt betteln regelmäßig beim Referendar, er möge doch bitte, bitte den Dezernenten anrufen und sich das o.k. zur Einstellung holen.

    Es geht mir nicht um eine zu kurze Ausbildung. Es geht mir darum, daß unerfahrene Richter Aufgaben erhalten, denen sie nicht gewachsen sind. Dafür ist das Beispiel symptomatisch.

    Ich weiß nicht, ob die Anwälte „ach so lebenserfahren sind“. Eins ist jedenfalls sicher, sie haben deutlich mehr Lebenserfahrung in der freien Wildbahn, incl. der Wirtschaft, als ein Richter sie je erwerben kann. Das liegt in der Natur der Sache und ist kein Vorwurf.

    Der Wertungswiderspruch jedoch, einen Richter auf Probe als Strafrichter einzusetzen, ihn für Insolvenzsachen jedoch noch für ungeieignet zu erachten, ist nicht aufzulösen.-

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  6. RA Jede
    RA Jede sagte:

    Nachtrag

    Hier ein typisches Beispiel einer Anfrage wegen einer Stelle als Referendar oder wegen eines „Praktikums“:

    Als letzte Zulassungsvoraussetzung fehlt mir noch die Bescheinigung eines Anwaltspraktikums, daher suche spontan noch einen Platz. Wegen der Beanspruchung durch die Examensvorbereitung wäre ich nicht unaufdringlich und würde Sie nicht übermäßig mit Arbeitswünschen belästigen.

    Daß der Interessent schon wegen seiner Sprache ausscheidet, sei nur nebenbei bemerkt.

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