Der Strafverteidiger als Bittsteller

Es ist nicht auszurotten, die Angewohnheit mancher Kollegen, statt Anträge zu stellen, Bitten zu äußern.

Das haben auch schon die Behörden erkannt und sehen den Strafverteidiger als Bittsteller.

Wir beantragen, uns Akteneinsicht zu gewähren. Nicht ein Standard-Verfahren, in dem die Zeitabläufe keine besondere Rolle spielen, sondern mit vorangegangener Durchsuchung der Räume und Beschlagnahme von Wertgegenständen, also einem massiven Eingriff in die Grundrechte des Mandanten.

Und was bekommen wir als Antwort, mit dickem Siegel beglaubtigt (klicken Sie auf das Bild!)?

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Im völlig verquasten Deutsch wird uns eine Frage beantwortet, die wir nicht gestellt haben. Ich will nicht wissen, ob die Akten versandt sind. Ich will die Akten!

Mein Antrag wird zum Gesuch umgedeutet. Was sagt mein Lieblingswörterbuch dazu?

d) in der neueren entwicklung wird gesuch in erster linie für diejenige form der bitte oder aufforderung gebraucht, die auf dem umständlicheren schreibverkehr beruht: haben uns auf das unterthänigste gesuch des legazionsrathes Jean Paul Friedrich Richter in Baireuth gnädigst bewogen gefunden etc. Badische verlagsprivilegien für Jean Paul Werke 1. einl. 41. und so gewöhnlich im canzleistil.

Vielleicht hat der Staatsanwalt unseren Beitrag zum Kanzleistil verinnerlicht?

Oder ist er ein schlichteres Gemüt und verwendet den Begriff wie der Duden?

Schreiben, das eine Privatperson an eine Behörde oder an jemanden mit entsprechender Befugnis richtet, um in einem bestimmten Fall eine Bewilligung oder Genehmigung zu erhalten

Kommt dem Herrn Staatsanwalt unser Antrag ungelegen, so ist das bedauerlich, stört vielleicht die Kreise, ändert aber nichts daran, daß er über den Antrag entscheiden muß und nur im gesetzlich eng geregelten Fall negativ entscheiden darf.

Darüber hinaus ist die „Vertagung“ auch nicht im Interesse der Strafverfolgunsbehörde. Ohne Akteneinsicht keine Einlassung des Beschuldigten. Und die Einlassung des Beschuldigten – zumindest wenn sie aus der Feder eines Strafverteidigers erfolgt – verkürzt das Verfahren häufig erheblich und erspart u.U. aufwendige weitere Ermittlungen.

Glaubt der Staatsanwalt tatsächlich, daß mein Mandant nach einer Durchsuchung und umfangreichen Beschlagnahmen jetzt abwarten will? Hat er sich im Baustein vergriffen und wollte die Akten eigentlich zurückfordern? Hallo! Es geht um verfahrensrechtliche Grundrechte des Beschuldigten und seines Verteidigers und nicht die Bequemlichkeit eines Staatsanwaltes und seines Apparates.

Zur Ehrenrettung: In den meisten Fällen fragt der Staatsanwalt bei uns an, ob wir abwarten wollen oder er die Akten zurückfordern soll. Und manches Mal kann man dem Mandanten dann informieren: „Warten wir noch ab, die Akten sind bei XY und es ist in Ihrem Interesse abzuwarten.“

Herr Maas – es ist doch nicht der 1. April

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Männer, die Sexdienste von Frauen in Zwangslagen nutzen, sollen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
Quelle: ZEIT ONLINE 12.03.2016

Sie haben im neuen Prostitutionsgesetz daran gedacht, die Damen gesetzlich zu verpflichten, ein Schild um den Hals zu tragen: „Bin in einer Zwangslage“?

Sie haben auch schon jemanden gefunden, der Ihnen auf höchstem intellektuellen Niveau zustimmt:

Fünf Jahre Freiheitsstrafe – das macht deutlich, dass es ein schwerwiegendes Vergehen ist und kein Bagatelldelikt
Quelle: Richtig, GdP [1]

Natürlich berücksichtigt man in Ihrem Hause nicht die Bedenken der Profis, beispielsweise der Pressesprecherin des Berufsverbandes Sexarbeit:

Welche Probleme haben Sie mit dem Gesetz?

Es wird zum Beispiel eine Registrierungspflicht für Sexarbeiter vorgeschrieben. Das ist stigmatisierend und datenschutzrechtlich fragwürdig. In Bayern wird eine solche Registrierung in Datenbanken schon jetzt ohne Rechtsgrundlage praktiziert. Das führt immer wieder zu einem Zwangs-Outing vor Freunden und Bekannten, die nichts von der Arbeit der Kollegin wissen. Bei jeder Polizeikontrolle kann der Beamte sehen, ob man als Sexarbeiter registriert ist.
Quelle: Widerstand der Sexarbeiter, ZEIT ONLINE, 02.03.2016

Gibt es irgendjemanden, der das neue Gesetz gut findet (natürlich außer den Politikern)?

Einer Sprecherin des Justizministeriums zufolge soll die Neuregelung des Gesetzes dennoch zügig umgesetzt werden.

  1. [1]Ist das der, der überfallartig ein Bordell stürmt und mit der Taschenlampe guckt, ob der Kondompflicht in Bayern genüge getan ist?

Stasi 2.0

binary-823336_640Noch 2013 war der Aufschrei der Empörung groß, als der Whistleblower Edward Snowden enthüllte, dass die NSA die Telekommunikation weltweit überwachte[1]. Ein Skandal – auch deutsche Bürger und Politiker wurden abgehört. Vom Deutschen Bundestag wurde der NSA-Untersuchungsausschuss eingesetzt[2], um das Ausmaß der Spionage in Deutschland aufzuklären.

Jetzt will das BKA der NSA Konkurrenz machen. Der Bundestrojaner steht kurz vor der Genehmigung[3]. Diesen ließ das BKA eigens für die Überwachung der von Computern ausgehenden Telekommunikation entwickeln. Der Trojaner wird unter Ausnutzung von Sicherheitslücken im Betriebssystem in die Rechner „verdächtiger“ Personen eingeschleust[4]. Sprich – der Staat wird zum Hacker.

Auch präventiv soll der Trojaner zum Einsatz kommen, um geplante Straftaten zu verhindern. So kann praktisch jeder unbescholtene Bürger in das Visier des BKA geraten[5]. Dies sei durch die schwere der geplanten Straftaten, die dadurch möglicherweise verhindert werden können, gerechtfertigt. Frei nach dem Motto – „Der Zweck heiligt die Mittel“.

Das BKA mutiert zu einer neuen Geheimpolizei. Im heutigen Zeitalter werden eben nicht mehr die Nachbarn angeheuert, um sich gegenseitig zu bespitzeln[6]. Stattdessen verschafft sich der Staat Zugriff auf das ausgelagerte Gehirn seiner Bürger[7]. Genauso gut könnte das BKA heimlich in die Wohnung eines „Verdächtigen“ einbrechen und Briefe oder geheime Tagebücher an sich nehmen. Unvorstellbar? – Genau das ermöglicht der Trojaner auf technischer Ebene. Das technisch Mögliche geht sogar darüber hinaus! Mit Hilfe des Trojaners können die Gedanken des Betroffenen quasi live beim Entstehen von der Tastatur abgelesen werden[8].

Und theoretisch kann ein Trojaner noch mehr: Den gesamten Festplattenspeicher auslesen und durch die Fernsteuerung von Webcam und Mikrofon das Innere der Wohnung des Betroffenen überwachen[9].

Da fragt man sich als Bürger: „Was ist denn mit meinen verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten?“[10] Da hat das Bundesverfassungsgericht vorgesorgt und verfassungsrechtliche Vorgaben für den Einsatz des Bundestrojaners aufgestellt[11]. Ein Richter soll aufpassen, dass die Grundrechte der Betroffenen gewahrt bleiben.

Der Richter entscheidet, ob der Einsatz des Trojaner im Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen ist. Er passt auf, dass der Trojaner nur das macht, was er soll und keine Daten erfasst, die die Intimsphäre des Überwachten betreffen. Und der Richter verhindert, dass mit dem Bundestrojaner Missbrauch getrieben wird.

Wie soll der Richter das in der Praxis gewährleisten? Nun, das ist schleierhaft! Aber das spielt auch keine Rolle. Ein Richtervorbehalt hört sich gut an. Theoretisch sind die Bürger vor unrechtmäßigen Grundrechtseingriffen sicher[12].

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind erfüllt. Der Trojaner ist verfassungskonform. Problem gelöst.

Der Staat spioniert seine Bürger heimlich aus – aber verfassungskonform.

Es besteht also kein Grund zur Sorge.

Strafverteidiger und Empfangbekenntnisse

Eine Unsitte greift immer mehr um sich:

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Fällt Ihnen etwas auf? Ich habe bestimmt mehrere unterzeichnet, aus Gewohnheit.

§ 174 Abs. 4 ZPO[1] verlangt nur das Bekenntnis des Empfangs. Eine Bestätigung, daß ich zum Empfang berechtigt bin, sieht die Vorschrift nicht vor.

Der Jede wieder! Kleinlich bis zum …

Kann man auf den ersten Blick nachvollziehen. Nicht jedoch, wenn man die Problematik der Vollmachtsvorlage berücksichtigt.

Der Anwalt, der dieses Empfangsbekenntnis unterzeichnet, erklärt sich für empfangsbevollächtigt. Mit der Folge, daß Zustellungen, beispielsweise für Ladungen des Mandanten, an ihn erfolgen können.

Abwegig? Keineswegs, wie beispielsweise das OLG Karlsruhe am 08.10.2015 und das Bayerische Oberste Landesgericht am 14.01.2004 und das Kammergericht am 04.09.2013 entschieden haben.

Falle, böse Falle.

Das ist Spezialwissen, das den Strafverteidiger vom Rechtsanwalt unterscheidet, der das bischen Strafrecht auch noch macht.

Zum Thema Zustellugen bitte auch hier schauen: Unsitte Zustellungen

  1. [1]Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist.

Ich liebe diese Formulierungen

Auch wenn es nicht darauf ankommt, erscheint es der Kammer doch völlig unangemessen, von einer Höhe des nach Ansicht des Verurteilten (gemeint ist natürlich des Verteidigers) allenfalls in Betracht kommenden Schmerzensgeldanspruches „im dreistelligen Bereich“ auszugehen.

Es kommt darauf nicht an. Trotzdem hat sich die Kammer auf den Vortrag des Berichterstatters zu diesem Thema eine Meinung gebildet. Und wenn man sich schon der Mühe der Meinungsbildung zu einem Thema unterzieht, muß man zumindest aus erzieherischen Gründen dem Verteidiger (gemeint ist natürlich der Verurteilte) mitteilen, daß die Meinung des Verteidigers abwegig ist.

Aber der Rest der Begründung ist gut. Obwohl nicht rechtbehelfsfähig. Muß man ja auch mal feststellen ;-)

FLG