Flucht in die Krankheit – kein Ausweg!

Es ist ein Dauerbrenner in der anwaltlichen Beratungspraxis als Fachanwalt für Familienrecht: Kann der für den Kindesunterhalt barunterhaltspflichtige Elternteil seiner Erwerbsobliegenheit durch Flucht in Krankheit entgehen? Davor kann ich nur warnen. Zum einen verrennt sich der barunterhaltspflichtige Elternteil (oftmals immer noch der Kindesvater) damit oft ins wirtschaftliche Abseits. Zum anderen geht diese Flucht in die Krankheit in den allermeisten Fällen schief, hilft unterhaltsrechtlich also nicht.

Die Ausgangssituation ist oftmals folgende: Der von der Kindesmutter getrennt lebende Kindesvater ist arbeitslos oder verdient gerade einmal so viel, dass er den notwendigen Selbsbehalt des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen gegenüber minderjährigen Kindern in Höhe von 1.000,00 € nicht überschreitet, strengt sich bei der Arbeitssuche gegebenenfalls auch nach einer besser bezahlten Tätigkeit oder einem Nebenjob nicht sonderlich an und möchte keinen Kindesunterhalt an die Kindesmutter, bei der das Kind lebt, zahlen. Die Gründe sind vielfältig. Oftmals könnte der Kindesvater nach seiner beruflichen Qualifikation jedenfalls in der Region Berlin und Umland bzw. Ostdeutschland, wo die Einkommen im Allgemeinen sehr niedrig sind, auch wenn er sich anstrengt, ohnehin nur ein Einkommen erzielen, was unter oder auch nur knapp über dem Arbeitslosengeld II läge. Beziehungsweise hat der Kindesvater so viele Unterhaltspflichten (unterhaltsverpflichtete Kinder), dass er kaum über das Arbeitslosengeld II hinaus kommt. Und/oder er gönnt den Kindesunterhalt der Kindesmutter z.B. nicht, weil er davon ausgeht, dass sie das Geld nicht für das Kind, sondern für andere Zwecke verwendet. Daneben gibt es natürlich noch andere Motive, deren Aufzählung hier zu weit führen würde.

Zum Problem für den Unterhaltspflichtigen wird dann seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber dem minderjährigen Kind gemäß § 1603 Absatz 2 S. 1 BGB, wonach er sich um eine Erwerbstätigkeit, erforderlichenfalls auch um eine Nebentätigkeit, unter Umständen sogar bundesweit bemühen muss und seine Erwerbsbemühungen im Streitfall auch nachzuweisen hat. Diesem Problem wird dann häufig durch Vorlage von Krankschreibungen und ärztlichen Attesten begegnet, was den Agenturen für Arbeit oder Jobcentern bzw. Argen überraschend oft ausreicht.

Dies ist aber zu kurz gedacht. Unterhaltsrechtlich reicht dies nur in den seltensten Fällen aus, um der Erwerbsobliegenheit zu entgehen. Denn bei genauer Betrachtung ergibt sich häufig keine allgemeine Erwerbsminderung, sondern nur eine Minderung der Arbeitsfähigkeit bezogen auf einige Tätigkeiten/Berufsfelder und auch nur von vorübergehender Dauer. Außerdem ergeben die im Streitfall von den Familiengerichten eingolten Sachverständigengutachten, dass ärztliche Atteste naturgemäß auch vom Vertrauen des behandelnden Arztes in seinen Patienten geprägt sind und die vom Patienten geschilderte Krankheitsgeschichte und geschilderten Beeinträchtigungen nicht in der gleichen Weise hinterfragen und überprüfen, wie es ein Arzt als gerichtlich bestellter Sachverständiger im Streitfall tun muss. Die geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellen sich dann oft als weniger schwer dar, als zunächst behauptet.

Dies ist auch nur logisch. Wäre ein Unterhaltspflichtiger nämlich zur Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen in Hinsicht auf sämtliche Erwerbstätigkeiten dauerhaft nicht in der Lage, würde dies bei richtiger Rechtsanwendung einem Arbeitslosengeld II – Bezug entgegenstehen. Vielmehr würde Erwerbsminderungsrente und/oder Sozialhilfebezug vorliegen. Dies setzt aber im Regelfall ebenfalls voraus, dass eine Begutachtung der Erwerbsfähigkeit durch zum Beispiel Jobcenter oder Deutsche Rentenversicherung stattgefunden hat.

Wenn der Unterhaltspflichtige aber seiner Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt, wird ihm fiktiv ein Einkommen hinzugerechnet, was er erzielen könnte, wenn er seiner Erwerbsobliegenheit vollständig nachkäme.

Am Ende ergibt sich für den Unterhaltspflichtigen dann oft ein verlorener „Unterhaltskrieg“ mit entsprechenden Unterhaltsrückständen und Verfahrenskosten als Schulden.

Der Verfasser, Rechtsanwalt Andreas Schulze, ist Fachanwalt für Familienrecht und Partnerschaftsgesellschafter der Rechtsanwälte Dr. Schmitz & Partner in Berlin.

 

 

 

 

3 Kommentare
  1. Claudia Zahn
    Claudia Zahn sagte:

    Sehr geehrter Herr RA Schulze,
    vielen Dank für diesen Artikel, er ermutigt mich sehr.
    Ich hoffe, dass Sie Recht haben und dass der Sachverhalt auch 2014 noch seine Gültigkeit hat.
    Mit freundlichen Grüßen
    Claudia Zahn

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