Fundstück

Vor Jahren hatte ich einem meiner Söhne eine Handreichung für Telephongespräche zur Weitergabe an seine Freunde erstellt, die im Laufe der Jahre zu viel Spaß geführt hat. Falls Sie unter pubertierenden Kindern leiden, hilft sie Ihnen vielleicht.

Lieber Max,

Deiner Bitte um eine kleine Handreichung in Sachen Telephonanrufe komme ich gerne nach:

Bedenke bitte, daß der Anrufer gerade Zeit hat (sonst würde er nicht anrufen) und der Angerufene wahrscheinlich nicht auf den Anruf wartet. Er hat sehr wahrscheinlich keine Langeweile (jedenfalls wenn es sich um einen Erwachsenen handelt). Vielleicht guckt er fern, liest oder macht irgend etwas anderes. Wollte er telephonieren, wäre sein Anschluß besetzt. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, daß ihn der Anruf stört. Vor allem dann, wenn er mehrere Kinder hat und zur Telephonzentrale seiner Kinder denaturiert werden soll. Es klingelt und er muß aufstehen (was ihm vielleicht schon schwerfällt). Natürlich klingelt es in dem Moment, in dem das entscheidende Tor des Fußballspiels FC Knickebocker ./. SV Mammon in der Sportschau übertragen wird.

Also:
Bitte überlege, ob der Anruf notwendig ist und zu einer angemessenen Zeit erfolgt. Angemessen ist keine Zeit vor 09h und nach 22h. Erwachsene gucken häufig abends die Nachrichten. Während der Tagesschau ist also eine schlechte Zeit für einen Anruf! Ältere Herrschaften im Alter Deines Vaters schätzen einen Mittagsschlaf und wollen auch nicht beim Mittagessen gestört werden. Also führt ein Anruf zur Mittagszeit zwischen 12h und 15h zu Störungen des Wohlbefindens; was der Angerufene mit deutlichen Unmutsäußerungen goutieren könnte.

Nachdem er (der Vater) sich zum Telephon begeben hat und sich mit seinem Namen meldete (so hat es ihn seinerzeit sein Vater aus gutem Grund gelehrt) hört er: „Kann ich mal den Max sprechen?“ Woher soll der arme Vater nun die genaue Kenntnis über die Fähigkeiten des anonymen Anufers haben? Zunächst einmal spricht ja die Vermutung dafür, daß der Anrufer nicht sprechen kann – zumindest nicht richtig, oder?

Zwischen zivilisierten Mitteleuropäern hat sich ein anderer Stil entwickelt. Man fällt nicht mit der Tür ins Haus!

Sollten die Umgangsformen nicht echt, sondern aufgesetzt sein, ist mir dies immer noch lieber als die gelebte Unhöflichkeit „Kann ich mal…“

Also:
Der Anrufer meldet sich so mit seinem Namen, daß der Angerufene es wahrnehmen kann, am besten mit Vor- und Nachnamen. Ein Gespräch beginnt grundsätzlich mit einem Gruß an den Gesprächpartner. Je origneller und individueller, desto besser:
„Schönen guten Abend Herr Jede, hier ist Susi Sorglos, ich hoffe, Ihre Erkältung macht Ihnen nicht mehr zu schaffen?“

Ah! Hier interessiert sich jemand für mich. Da steht man doch gerne auf und geht ans Telephon.

Nicht besonders originell aber besser als gar nichts:
„Guten Tag Herr Jede, Rudi Ratlos hier, ich hoffe ich störe Sie nicht gerade?“
„Aber nein, Rudi, Du störst überhaupt nicht; ich mußte eh aufstehen, das Telephon hat geklingelt“.

Nach einem netten Vorgeplänkel, kann der Anrufer zur Sache kommen. Er will etwas. Er hat ein Anliegen, eine Bitte. Diese Bitte gehört formuliert. Es gehört sich nicht mir Befehle zu erteilen (das darf nur Mama!).

Also:
„Guten Abend Herr Jede! Rudi Ratlos. Herzlichen Dank für die netten Grüße, die mir Max ausrichtete. Haben Sie auch Max Spiel gegen PSU gesehen? Da hatten Einige Tränen in den Augen. Nein? Da haben Sie wirklich etwas versäumt. Ist Max da? Dürfte ich ihn sprechen?“

Oder:

„Würden Sie mir bitte Max ans Telephon geben?“

Es ist ganz einfach: Wer höflich ist, kann mit höflichen (freundlichen) Antworten rechnen. Wer meint, sich Höflichkeiten ersparen zu können, muß mit einem grantelnden Angerufenen rechnen. Und da Erwachsene einfach schon länger leben, haben sie einen größeren Erfahrungsschatz und können arg garstig am Telephon sein. Wenn das Telephon klingelt, melde ich mich grundsätzlich mit meinem Namen und einem Gruß an den Anrufer. Wenn der noch nicht einmal meinen Gruß erwidert – warum sollte ich mit ihm sprechen?

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