Gebt mir einen Knebel!

Wenn man sich als Strafverteidiger für einen Mandanten bis zur Generalstaatsanwaltschaft beschwert, liegen die Nerven häufig blank.

Sachbearbeiter ist ein Staatsanwalt, gegen den von einer anderen Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts von Straftaten angestellt werden, die er im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen meinen Mandanten begangen haben soll. Immerhin, die Ermittlungen werden dort (außerhlab Bayerns) ordentlich geführt.

Gutmütig ging ich davon aus, daß der Staatsanwalt selbst seine Abberufung betreibt oder aus dem Verfahren gegen meinen Mandanten abgezogen wird. Mitnichten! Meine diesbezügliche Anregung beim Leitenden Oberstaatsanwalt wurde über sieben Monate nicht beantwortet. Ich habe sie dann per Gerichtsvollzieher wiederholt. Endlich die Antwort, aus zwei Sätzen bestehend:

Ihren Antrag, im Verfahren XY einen anderen Staatsanwalt mit den Ermittlungen zu beauftragen habe ich erhalten. Für eine Ablösung des Sachbearbeiters, Herrn Staatsanwalt Z, sehe ich derzeit keinen Anlaß.

Nun, daß er den Antrag erhalten hat wußte ich schon vom Gerichtsvollzieher. Er hat den Antrag innerhalb von sieben Monaten nicht beschieden und deshalb habe ich den Zugang sichergestellt. Gegen den zweiten Satz erhob ich eine Fachaufsichtsbeschwerde. Und die Antwort läßt mich mit den Zähnen knirschen und hat mich nun wahrlich entsetzt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München antwortete:

IN KEINSTER WEISE

Insoweit wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffende Begründung der angegriffenen Verfügung Bezug genommen.

Haben die mit unsichtbarer Tinte geschrieben? Die Verfügung enthält kein einziges Wort der Begründung, s.o.!

Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Vielmehr will die Staatsanwaltschaft XY aus aus hiesiger Sicht nicht nachvollziehbaren Gründen den Ausgang des ZZZ Bezugsverfahrens abwarten. Dies allein bedeutet jedoch nicht, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen Staatsanwalt Z besteht. Eine Veranlassung, ihn aus dem Verfahren der Staatsanwaltschaft … zu nehmen, besteht jedenfalls in keinste Weise.

Sehr geehrte Frau Doktor!

Ich darf also davon ausgehen, daß der Staatsanwalt aus Ihrer Sicht ruhig weiter in der Sache ermitteln soll, aus der sich ein Anfangsverdacht einer Straftat des Ermittlungsführers ergibt. Der Anfangsverdacht ist so stark, daß seit Monaten Ermittlungen erfolgen. Wenn dann irgendwann die Ermittlungen abgeschlossen sind und Herr Staatsanwalt Z wegen einer Straftat im Zusammenhang mit dem hiesigen Verfahren verurteilt wurde, ist der Rechtsordnung genüge getan? Welch fürchterlicher Gewissenskonflikt für den Staatsanwalt! Er ist ein Übermensch! Schon aus Fürsorgegründen hätte er abberufen werden müssen.

Mit Entsetzen lese ich, daß Sie erst dann Veranlassung sehen einen Staatsanwalt von den Ermittlungen zu entbinden, wenn ein hinreichender Tatverdacht gegen ihn besteht! Diese Rechtsansicht dürfte in der zivilisierten Welt singulär sein. Wenn ein hinreichender Tatverdacht besteht, ist nach der StPO die Anklage zu erheben. Erst dann sollte er abberufen werden?

Ich hatte Löwe Rosenberg zitiert:

„g) Befangenheitsmaßstab beim Staatsanwalt. Die Maßstäbe zur Beurteilung der Befangenheit eines Staatsanwalts sind grundsätzlich dieselben wie bei einem Richter. Allerdings müssen dabei auch die Funktionsunterschiede hinreichend berücksichtigt werden.43 So ist allgemein anerkannt, dass besondere Umstände hinzuzutreten haben, die „unter Berücksichtigung der Aufgaben und Pflichten des staatsanwaltschaftlichen Amtes die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen“.44 Demzufolge scheiden allgemeine Umstände ohne konkreten Bezug zum jeweiligen Verfahren aus.45 Es kommt deshalb darauf an, ob ein unbeteiligter, objektiver Beobachter Befangenheit besorgen würde, oder ob es sich noch um den Bereich normativ hinzunehmender Voreingenommenheit handelt. 46 Damit scheidet jede subjektive Überempfindlichkeit und willkürliche Besorgnis aus. Als hilfreich erweist sich häufig die Überlegung, wie sich ein anderer Staatsanwalt in derselben Situation verhalten hätte.“

Und eine Bitte zum Schluß:

Der Mädchentrotz: „In keinster Weise“ ist sprachlich unzulässig. Mir rollen sich dabei die Fußnägel auf. Sebastioan Sick hat nicht Recht! Es handelt sich nicht um einen Elativ! „kein“ ist kein Adjektiv, sondern ein Indefinitivpronomen und damit nicht steigerbar, auch nicht als Elativ.

8 Kommentare
  1. malnefrage
    malnefrage sagte:

    Ist ja klar, dass Anwälte auf den Putz hauen müssen, aber geht es nicht eine Nummer kleiner als „in der zivilisierten Welt singulär“???
    Übrigens ist bei Löwe Rosenberg nachzulesen, dass ein Richter nicht alleine deshalb abgelehnt werden kann, weil ein Angeklagter gegen ihn Anzeige erstattet hat. Sonst hätte es auch jeder in der Hand, Richter für Richter „abzuschießen“. Wenn also Ihr Mandant eine Strafanzeige erstattet haben sollte, dürfte das für eine Ablösung nicht ausreichen,
    Führt die andere StA denn tatsächlich schon ein Ermittlungsverfahren oder prüft sie noch, ob aufgrund der Strafanzeige Ihres Mandanten (?) ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird? Das sind nämlich auch 2 Paar Stiefel, auch wenn ein „Js“ auf dem Aktendeckel klebt.

    Antworten
    • RA Jede
      RA Jede sagte:

      @malnefrage:

      Es geht nicht eine Nummer kleiner, es ist ein Skandal!

      Es ist doch eine altbekannte Frage des Maßstabes: Würden Sie als objektiver, unabhängiger Beobachter einen Grund zu der Annahme haben, daß der StA eine innere Haltung einnimmt, die seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann? Gegen den Staatsanwalt als Verteter der obejktivsten Behörde der Welt ist ein Ermittlungsverfahren anhängig. Glauben Sie im Ernst, daß irgendeine StA einer Strafanzeige gegen einen Staatsanwalt wegen behaupteter Amtsdelikte ein Js-Aktenzeichen ohne sorgfältigste Prüfung des Anfangsverdachtes aufpappt?

      Mal für die ganz einfachen Gemüter:

      • StA X ermittelt gegen Y
      • Im Zsammenhang mit den Ermittlungen begeht X Handlungen, von denen Y und seine Verteidiger meinen, daß es Straftaten sind
      • Es wird Anzeige erstattet. Die Ermittlungen werden aufgenommen, es wird ein Js-Aktenzeichen vergeben, es werden weitere Ermittlungen geführt, etc. et.
      • Es ist eine reine Frage der geistigen Hygiene und keine Vorverurteilung, wenn nun der Staatsanwalt durch einen anderen ersetzt wird. Dies geschieht nicht. Der Staatsanwalt X hat weiter die Akte gegen Y auf dem Tisch und führt die Ermittlungen weiter. Was für ein Übermensch. Er verhält sich (weiter?) völlig korrekt und unvoreingenommen. Chancen, dem Y eins „auszuwischen“ wird er nicht wahrnehmen. Aktenbestandteile, die das gegen ihn geführte Verfahren betreffen, wird er nicht manipulieren.
      • Was vergibt sich die Behörde, wenn sie einen anderen Staatsanwalt mit der Bearbeitung der Sache betraut? Nichts!
      • Da könnte ja jeder kommen! Ja! Wenn eine andere Staatsanwaltschaft seit Monaten ermittelt, ist das Verfahren für ihn tabu!

      Jedenfalls genug Stoff, um eine Generalstaatsanwaltschaft zu beschäftigen. Was macht die? Holt die Textbausteine aus der Schublade und überprüft hinnterher nichteinmal, ob offenkundige Fehler (Wortdopplungen) enthalten sind. Verweist auf Begründungen, die nicht wiederholt werden müßten, und der Bescheid ist nicht mit einem einzigen Wort begründet!

      Nach Ansicht der GStA ist erst ab „hinreichendem Tatverdacht“ eine Ablösung gerechtfertigt. Das ist wirklich singulär und willkürlich. Erst, wenn Anklage zu erheben ist, sollte ein StA diejenige Sache, die Gegenstand seiner Anklage ist, nicht weiter bearbeiten? Hallo, ist dort noch einer wach?

      Ich frage mich ständig, warum die dort so komisch sind. Wo ist das Problem?

      Antworten

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