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Der Elektronische Rechtsverkehr andersrum

Da wird immer behauptet, die Justiz, insbesondere die Gerichte, könnten nicht mit den modernen Medien umgehen.

Manchmal sind die Gerichte sogar schneller als die Post (erlaubt).

Die Entscheidung des Kammergerichtes (KG, Beschl. v. 29.03.2017 – 1 Ws 19/16) ist bereits bei juris und dem Kollegen Burhoff am 04.04.217 veröffentlicht und kommentiert, bevor sie uns am 06.04.2017 bekanntgegeben wurde.

In der Sache selbst ist nur das Timing zu beanstanden. Wir freuen uns über den Erfolg. Am 10.02.2016 hatten wir die Festsetzung beantragt. Wir freuen uns über die Zinsen. Ach nee, gibt es ja nicht für den Pflichtverteidiger.

(Wahl-) Pflichtverteidiger dürfen mehr verdienen als Wahlverteidiger

catGenau 1 Jahr nach unserem Beitrag Der Trick der Bezirksrevisorin mit der Analogie ist es geklärt: Trifft der Verteidiger für das Vorverfahren eine Vergütungsvereinbarung, die den Höchstsatz der Wahlverteidigergebühren übersteigt und erfolgt für das gerichtliche Verfahren dann die Beiordnung, so findet keine Anrechnung des die Höchstgebühr übersteigenden vereinnahmten Honorars auf die von der Staatskasse zu erstattenden Pflichtverteidigergebühren für das gerichtliche Verfahren statt.

Das Kammergericht bestätigt als erstes OLG die Anrechnungsfreiheit des ausschließlich für das Ermittlungsverfahren vereinnahmtem über der Wahlverteidigerhöchstgebühr liegendem Honorars auf die Gebühren des für die Hauptverhandlung beigeordneten Verteidigers.

Das Kammergericht hat sich mit der Rechtsfrage befasst, ob die Vorschrift des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG eine allgemeine Anrechnungsregelung dahingehend enthält, dass Vorschüsse und Zahlungen, die die nach § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG verbleibenden Gebühren übersteigen, auch auf die Gebühren in anderen Gelegenheiten anzurechnen sind.

Hintergrund des Beschlusses war die Beschwerde der Bezirksrevisorin, die -vereinfacht ausgedrückt- der Auffassung war, die Höchstgebühren des Wahlverteidigers stellten eine allgemeine gebührenrechtliche Obergrenze auch für den erst im gerichtlichen Verfahren bestellten Pflichtverteidiger dar, alles darüber hinausgehende sei auf andere gebührenrechtliche Angelegenheiten anzurechnen.

Daß dem nicht so ist, hat das KG 1 WS 19/16 mit seinem Beschluss vom 29.03.2017 nun wohl als erstes Oberlandesgericht deutlich herausgearbeitet. Zwar stünden der Wortlaut des § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG und auch die Gesetzessystematik einer solchen Auslegung nicht entgegen, aber sie widerspräche dem maßgebenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, der mit der Einfügung des Satzes 4 durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz bewusst keine sich auf andere gebührenrechtliche Angelegenheiten erstreckende Anrechnungsregelung einführen wollte.

Hier der Beschluss im Original, den ich trotz Verfahrensbeteiligung später als der Kollege Burhoff und die juris-Redaktion erhalten habe, aber hierüber kotzt sich gerade mein Kollege in einem gesonderten Beitrag aus.

Der Kollege Burhoff hat völlig zutreffend angemerkt, dass in dem Beschluss „eine Menge Geld für den (Pflicht)Verteidiger“ steckt.

Das gilt aber nur insoweit, als eine Zweckbestimmung der vereinnahmten Zahlungen ausschließlich für eine gebührenrechtliche Angelegenheit getroffen wurde und kein „Restvorschuss“ auf eine andere gebührenrechtliche Angelegenheit übrig bleibt. Ein solcher unterliegt dann der Anrechnung nach § 58 Abs. 3 Satz 3 RVG.

Im Festsetzungsverfahren ist daher vom Pflichtverteidiger genau anzugeben, welche Zahlung er auf welche gebührenrechtliche Angelegenheit erhalten hat.

Die Tücken des Elektronischen Rechtsverkehrs auch mit bea

Vor zwei Jahren berichteten wir über die teuerste EGVP-Anwendung aller Zeiten, als bei einem Streitwert von knapp 70 Mio € eine Berufungsbegründung unwirksam per EGVP eingereicht wurde.

Der elektronische Rechtsverkehr hat so seine besonderen Tücken, und der Kollege Feske berichtet über eine falsche Rechtsmittelbelehrung des Anwaltsgerichtshofes (AGH) Berlin, die zu weiteren Überlegungen führt.

Die Rechtsmittelbelehrung lautet auszusgweise wie folgt:

Die Zulassung der Berufung ist innerralb eines Monats nach Zustellung des Urteils (schriftlich oder in elektronischer Form über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach) zu beantragen. Der Antrag ist beim Anwaltsgerichtshof Berlin, Elßholzstraße 30/33, 10781 Berlin zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe (schriftlich oder in elektronischer Form über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach) darzulegen, aus denen die
Berufung zuzulassen ist.

Feske hat dargelegt, daß die BGH/BPatGERVV (i.d.F. v. 10.10.2013) den Zugang zum Anwaltssenat des BGH per EGVP nicht eröffnet. Insbesondere ist das Verfahren vor dem Anwaltssenat des BGH kein Verfahren nach der Zivilprozeßordnung.

Kann denn aber nun wenigstens der Antrag auf Zulassung der Berufung wirksam beim AGH per elektronischem Rechtsverkehr eingelegt werden?

Auch dies sicher nicht.

Die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Land Berlin (ERVJustizV)*) vom 27. Dezember 2006 führt die Gerichte enumerativ auf, die für den elektronischen Rechtsverkehr erreichbar sind.

Der Anwaltsgerichtshof[1] ist dort nicht aufgeführt.

Aufgeführt ist jedoch das Kammergericht für alle Verfahren mit Ausnahme der Grundbuchsachen.

Der AGH ist kein Spruchkörper des Kammergerichtes[2] , sondern ein nach § 100 BRAO eigenständig eingerichtetes staatliches Gericht, das zwar organisatorisch an das KG angebunden ist, dadurch jedoch seine Eigenständigkeit nicht verliert, vgl. bereits 2 BvR 518/66 und 2 BvR 609/06.

Fazit: Der elektronische Rechtsverkehr ist weder zum Anwaltsgerichtshof, noch zum Bundesgerichtshof in Anwaltssachen eröffnet. Und daran kann auch das bea nichts ändern.

Der Gesetzgeber zwingt der Anwaltschaft einen elektronischen Rechtsverkehr auf und eröffnet nicht einmal den Zugang beim BGH für Anwaltssachen.

  1. [1] auch nicht die Anwaltsgerichte
  2. [2]während der Anwaltssenat des BGH Spruchkörper des BGH ist

Definitionshoheit

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Der bisherige OLG-Richter Alexander Meyberg wurde zum Richter am Bundesgerichtshof ernannt. Er wird Mitglied des IX. Zivilsenats.

titelte die LTO Legal Tribune Online. Sie erklärte dem Leser dann auch das Aufgabengebiet:

Der IX. Zivilsenat, dem Meyberg vom Präsidium zugeteilt wurde, befasst sich vornehmlich mit dem Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht sowie dem Berufsrecht der Rechtsanwälte und Steuerberater.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Meyberg!

Stimmt halt nicht alles, was so in den Zeitungen steht.

Ansprüche von und gegen Rechtsanwälte und Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwälte wegen Pflichtverletzungen (IX. Senat) sind zivilrechtliche Ansprüche und haben mit Berufsrecht wenig zu tun.

Für das Berufsrecht ist der Senat für Anwaltssachen zuständig.

Aberr woher sollte der Autor der LTO das auch wissen, er hat aus der Pressemitteilung des BGH zitiert.

Die Pressestelle sollte es allerdings besser wissen. Obwohl, ein Zyniker schrieb in seinem Berufsrechtskommentar, daß die Bezahlung der Fachliteratur keine Berufspflicht im Sinne des § 43 BRAO darstelle (weder Satz 1 noch Satz 2).

Frustrationstoleranz

barFür den Strafverteidiger ist eine hohe Frustrationstoleranz erforderlich. Wenn es wieder mal ganz schlimm kommt, tröstet mich eine mir vor vielen Jahren von der Anwaltskammer Tel Aviv übergebene Plakette.

In der Einheitsübersetzung heißt es: „und sorgte für Recht und Gerechtigkeit„. Ein Anspruch, den ich auch den meisten Richtern und Staatsanwälten unterstelle. Jeder sorgt (aufrichtig) auf seine Art und Weise.

Wie sollen Richter und Staatsanwälte bei dauernd steigender Belastung für Recht und Gerechtigkeit sorgen? Es ist eine Frage der Ressourcen, und Aufgabe der Strafverteidiger ist es, unter anderem, dafür zu sorgen, daß die Ressourcen für den konkreten Fall aufgewandt werden.

Mit anderen Worten:

Lies die Akte, Du …