Teuerste EGVP-Anwendung aller Zeiten

So'n Pech aber auch! Unbeschreibliches Grauen packt mich ob der Haftung der Anwälte:

Die Beschwer der Klägerin beträgt 69.939.698 €.

Worum geht’s?

Am 15.3.2013 haben die anwaltlichen Vertreter der Kl. ihre Berufungsbegründungsschrift an das Elektronische Gerichtspostfach (EGVP) des OLG Düsseldorf gesandt. Das Schriftstück ist auf dem zentralen Eingangsserver für das EGVP (Intermediär) eingegangen. Von dort haben die Prozessbevollmächtigten der Kl. umgehend eine automatisiert erstellte Eingangsbestätigung erhalten, die (u.a.) das Eingangsdatum und die Uhrzeit des Eingangs auf dem Server ausweist.

Wo ist das Problem, ist doch perfekt gelaufen?

Nein, überhaupt nicht gut gelaufen. Denn die Landesregierung hat noch nicht durch Rechtsverordnung bestimmt, daß das OLG Düsseldorf am elektronischen Rechtsverkehr teilnimmt. Gleichwohl unterhält das Gericht bereits ein EGVP-Postfach, und für dort eingereichte Schriftstücke wird die Eingangsbestätigung (s.o.) versandt.

Die Berufungsbegründungsschrift ist damit nicht rechtzeitig beim OLG Düsseldorf eingegangen. Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Prozeß ist verloren.

Die Frankfurter Kanzlei ist – wie wir – gewohnt, ihre Schriftsätze mittels EGVP zu versenden. In den meisten Bundesländern ist das unproblematisch, in einigen kann man die Gerichte nicht über das EGVP erreichen. Tückisch für die Mitarbeiter der Kanzlei war, daß man im System der Kanzlei und dem EGVP-Client den Adressaten OLG Düsseldorf anwählen konnte (und immer noch kann):

EGVP_Duss

Also eine böse Falle: Der Anwalt macht alles fertig, die Angestellte stellt den Schriftsatz in das EGVP ein, der Anwalt signiert mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur den Schriftsatz und die Angestellte versendet es an das OLG und erhält eine Eingangsbestätigung. Die Frist wird als erledigt gestrichen. In diesem Fall ist die Frist versäumt, der Prozeß verloren und die Kanzlei haftet für den daraus entstanden Schaden der Klägerin.

Die Kanzlei versuchte noch einen Wiedereinsetzungsantrag, den das OLG Düsseldorf mit Urteil v. 24.07.2013 – VI-U (Kart) 48/12 verworfen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß es Sache des Anwaltes ist, sich über den Weg des Versandes zu versichern und dies nicht an das Personal delegiert werden darf:

An die Auswahl eines neuen Übermittlungsweges für die Berufungs- oder Berufungsbegründungsschrift sind keine geringeren Anforderungen zu stellen. Auch sie gehört zum nicht delegierbaren Kernbestandteil der anwaltlichen Tätigkeit und erfordert die vorherige rechtliche Prüfung, ob der in Aussicht genommene Übermittlungsweg verfahrensrechtlich zugelassen ist.

Technik des Grauens.

Da bleibt mir auch die Häme gegen Großkanzleien im Halse stecken. Ob die wohl, wie so viele Großkanzleien, eine Haftungsbeschränkung vereinbart haben?

3 Kommentare
  1. Thomas B.
    Thomas B. sagte:

    Ich finde die Begründung des Gerichts nicht wirklich überzeugend. Natürlich lässt es sich vom Richterpult aus leicht sagen, was Anwälte nicht alles zu tun und zu lassen haben.

    Aber wenn man die Sache als Ganzes betrachtet, so sehe ich keine Erfordernis, extra noch prüfen, ob es denn gewollt ist, dass ein Gericht im EGVP steht und ob man Erklärungen damit formwirksam zustellen kann.

    Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass soetwas ja (zumindest habe ich davon noch nichts gehört) bisher noch nicht vorgekommen ist und Anwälte dementsprechend mit sowas hätten rechnen müssen, halte ich die Hürde für die Widereinsetzung (zumindest in diesem Fall) für zu hoch angesetzt.

    Obs eine VB noch richten kann, wage ich jetzt einfach mal zu bezweifeln, da die Argumentation des Gerichts nun auch nicht völlig daneben ist.

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