„Urteil aufzuheben“

Anwaltsetiquette in loser Folge für junge Kollegen. Ab und zu auch einmal ein berufsrechtlicher Hinweis. Auf Widerspruch und Hinweise für weitere Beiträge freuen wir uns.

Sprachliche Nachlässigkeit

Wir wollen hier nicht Stil(kunst)kritik betreiben. Eines der wichtigsten Werkzeuge des Anwaltes ist seine Sprache – oder sollte es sein. Warum Willi d. A immer schreibt:

beantrage ich das Urteil aufzuheben…

erschließt sich mir nicht. Sicherlich weiß er gar nicht, wie sehr er damit den Richtern der I. Instanz auf die Zehen steigt. Daher für die zarter besaiteten Kollegen der Hinweis auf § 538 II ZPO:

Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen, …
es folgt eine Aufzählung meist übler Sonderfälle

Ansonsten gilt § 528 ZPO und das Urteil ist abzuändern, aus der Sicht des Berufungsbeklagten zu bestätigen, § 540 ZPO: „abändern, aufheben, bestätigen“.

Wer die Aufhebung beantragt sollte in der Begründung dann auch ausführen warum er sich die I. Instanz erhalten will ;-)

10 Kommentare
  1. Brandau
    Brandau sagte:

    @RA JM

    Ich lasse den Antrag auf Anerkenntnisurteil auch weg, aber es gibt durchaus Richter, die das nicht wissen und dann kein Anerkenntnisurteil erlassen. Die Regelung ist ja erst von 2004.

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  2. cledrera
    cledrera sagte:

    Jetzt mal einen etwas provokanten Ball ins Spielfeld:
    Der Berufungskläger hat Unrecht, was er aber nicht einsieht und weshalb er Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach seiner (kokretisierten) Vorstellung beantragt. Der Berufungsbeklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er wendet sich mittels Sach- und Rechtsantrag gegen die Berufung, das erfolgt schriftlich, worauf er sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung protokolliert bezieht.
    Ende des Falls.
    Frage: Hätte der Berufungsbeklagte etwas beantragen müssen?

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  3. AnotherOne
    AnotherOne sagte:

    @ RA Jede

    Zugegeben, eine Vorschrift, aus der sich für die Entscheidung durch Urteil ergibt, dass auf eine erfolglose Berufung ihre Zurückweisung auszusprechen ist und nicht die Bestätigung des angefochtenen Urteils, gibt es nicht. Darum mein Verweis auf die Vorschrift, die das Versäumnisverfahren betrifft. In § 540 Abs. 1 Nr.2 ZPO geht es jedenfalls auch nur um die Begründung und nicht um die Urteilsformel.

    Ein weiterer Hinweis ergibt sich auch aus § 522 Abs. 2 ZPO. Dort ist von einer Zurückweisung der Berufung die Rede.

    Schließlich kommt noch der Gedanke hinzu, dass ein Urteil auch zu Gunsten des Berufungsführers falsch sein kann. Hier wäre es merkwürdig, wenn der Berufungsbeklagte beantragen sollte, das angefochtene Urteil zu bestätigen.

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  4. AnotherOne
    AnotherOne sagte:

    @ cledrera

    Der Berufungsbeklagte hat sich doch nach Ihrem Fall gegen die Berufung mit einem Sachantrag gewandt, sodass mir nicht das Problem einleuchtet.

    Im Übrigen sind Prozesserklärungen immer auszulegen, sodass man im Zweifel in jedem Fall zu einer Antragstellung kommen dürfte.

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  5. Mehmed
    Mehmed sagte:

    Ich arbeite als Übersetzer an der Übersetzung einer türkischen Berufung.

    Dort heißt es:
    OT= Karar, yasa ve yerlesmis ictihatlara aykiri olmakla bozmayi gerektirir.

    Wortwörtliche Übersetzung:
    Das Urteil weicht vom Gesetz und der Rechtsprechung ab, daher muss es annuliert werden.

    Meine Lösung:
    Das Urteil widerspricht geltendem Recht und gültiger Rechtsprechung, daher ist es aufzuheben.

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