Denn sie wissen nicht, was sie tun

Regelabfrage – Ein jahrealter Traum wird wahr!

So haben wir zum Thema Regelabfrage schon im August 2013 getitelt: Denn sie wissen nicht was sie tun und haben dort die Hintergründe des Trennungsgebotes Geheimdienste/Polizei beleuchtet.

Endlich ist es vollbracht: Das 3. WaffRÄndG hat die Regelabfrage der Waffenbehörden beim Geheimdienst eingeführt. Alle Scham ist verpufft, der Geheimdienst erhält Einzug in die Amtsstuben der Polizei. Er entscheidet ohne wirksame richterliche Kontrolle, ob jemand eine waffenrechtliche Erlaubnis erhält.

Das ist bekannt und gewollt. Der Bundesrat hat das „Problem“ gesehen und die Entscheidung getroffen, daß Unrecht hinzunehmen sei. Auch darüber haben wir bereits berichtet: Regelanfrage Verfassungsschutz

Aus der dort verlinkten Drucksache des Bundesrates:

Dass der Antragsteller zudem in dem gesonderten Verfahren – gegebenenfalls mit vorgeschaltetem In-camera-Verfahren – an dort geltenden Beweislastregeln scheitern kann, ist eine Folge der gesetzgeberischen Abwägung zwischen öffentlicher Sicherheit und individuellem Rechtsschutz.

Mit anderen Worten: Die Geheimdienste müssen sich vom Gericht nur im Ausnahmefall in die Karten gucken lassen und der Bürger, der sich dem Vorwurf ausgeliefert sieht, ein Extremist zu sein, erhält keinen Rechtsschutz.

Datengrundlage für eine Entscheidung

Dann muß die öffentliche Sicherheit ja sehr gefährdet sein. Die Bedrohung durch legale Waffenbesitzer mit extremistischen Hintergrund muß signifikant sein? Landauf, landab erklären alle, Polizeibehörden inclusive, daß von legalen Waffenbesitzern keine Gefahren ausgehen. Schauen wir uns das Datenmaterial an.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle hat die Bundesregierung dazu befragt (BTDrS 19/14931, Seite 29f)

In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung vor dem Hintergrund einer geplanten Verschärfung des Waffenrechts durch die Bundesregierung (www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/waffenrecht-verschaerfung-100.html) in der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 eine waffenrechtliche Erlaubnis entweder nach § 4 Absatz 1 Nr. 2 i: V. m. § 5 Absatz 2 Nr. 2, 3 WaffG versagt oder nach § 45 Absatz 1, 2 i. V. m. § 5 Absatz 2 Nr. 2, 3 WaffG zurückgenommen oder widerrufen, weil der Antragsteller die erforderliche  Zuverlässigkeit deshalb nicht besaß, weil er einer verbotenen Organisation oder Partei angehörte (§ 5 Absatz 2 Nr. 2 WaffG unterstützte (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

Sind die Zahlen statistisch relevant, rechtfertigen sie einen gesetzlichen Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger?

Schauen wir uns die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Stephan Mayer vom 4. November 2019 an:

Der Vollzug des Waffengesetzes ist nach Artikel 83 des Grundgesetzes eigene Angelegenheit der Länder. Auf Bundesebene erfolgt keine systematische Erfassung der Gründe für Versagungen oder Aufhebungen waffenrechtlicher Erlaubnisse durch die zuständigen Landesbehörden. Daher liegen der Bundesregierung keine Informationen zu Fallzahlen im Sinne der Fragestellung vor

Fazit: Wir haben keine Zahlen, die Bedrohungslage ist gefühlt richtig, wir machen ein Gesetz.

Begründung des Bundesrates zur Regelabfrage

Das liest sich wirklich gruselig. Hat der Bundesrat bessere Zahlen, genauer, überhaupt Zahlen? Selbstverständlich nicht. Aber das hier ist der Kern der Begründung und mich fröstelts arg:

Angesichts der enormen und zunehmenden Gefahren, die von einem legalen Waffenbesitz, insbesondere von Rechtsextremisten, ausgehen, bedarf es dringend der Regelung, dass eine Speicherung als Extremist bei einer Verfassungsschutzbehörde des Bundes oder der Länder zur Tatbestandserfüllung der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausreicht. Nur so kann sichergestellt werden, dass dort, wo relevante sicherheitsbehördliche Erkenntnisse zu extremistischen Bestrebungen vorliegen, die aus nachrichtendienstlichen Gründen nicht vorgehalten werden können und allein deshalb notwendige rechtliche Konsequenzen unterbleiben, in das waffenbehördliche Verfahren zur Versagung oder Entziehung einer Erlaubnis eingeführt werden können.
BRDrS 363/19

Allein die Speicherung bei den Schlapphüten reicht. Aus nachrichtendienstlichen Gründen werden alle Informationen, die einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Eintragung dienen könnten, nicht bekannt gegeben werden. Was für eine unüberprüfbare Machtfülle für Behörden, die gerade von den Untersuchungsausschüssen lächerlich gemacht werden.

Muß der Geheimdienst Extremisten offenbaren?

Na, dann aber wengistens die Verpflichtung für die Geheimdienste, die Regelabfrage zutreffend zu beantworten? Wir hatten schon gewitzelt, daß dies die effektivste Art ist, um Auskunft darüber zu erhalten, ob man entsprechend beim Geheimdienst verzeichnet ist.

Natürlich nicht. Der Geheimdienst wird anhand seiner Interessen entscheiden, ob er den Verdachtsfall bekannt gibt oder nicht. Nachrichtendienstliche Gründe werden zum Maßstab für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis, für die nach unserer Rechtsordnung ein Rechtsanspruch besteht, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung gegeben sind.

Besonders pikant ist die Eintragung der Entscheidung im Bundeszentralregister. Der vermeintliche Extremist wird im Bundeszentralregister eingetragen und kann sich nicht erfolgreich wehren. Was wird wohl sein Dienstherr zu einer solchen Eintragung sagen?

Ich kann mich an meine Jugendzeit erinnern, in der die Leute wegen der Regelanfrage auf die Straße gingen und Steine flogen. Scheinbar trifft es jetzt nur die bösen Waffenbesitzer. Immerhin ca. 1. 5 Millionen rechtstreue Bürger.

Merkt denn keiner, daß es nicht um Waffenbesitzer geht, sondern um eine grundsätzliche Regelung? Daß schon heute in den Lagezentren Geheimdienste sitzen? Die Behörden zündeln schon seit Jahren am Trennungsgebot. Beispielsweise ist das GTAZ grenzwertig, wo im Interesse der Terrorabwehr Auswertemitarbeiter der Nachrichtendienste und der Polizei unter einem Dach tätig werden.

Meine Bewertung: Sie wissen nicht, was sie tun.

2 Kommentare
  1. Katja Triebel
    Katja Triebel sagte:

    Bei der Regelabfrage wurde nachgebessert. Nicht jeder, der vom Verfassungsschutz gespeichert ist, wird als unzuverlässig vermutet, sondern „nur“ diejenigen, die in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung waren.

    Bei meinen Recherchen habe ich herausbekommen, dass es solch eine Regelabfrage auch für die Angestellten im Bewachungsgewerbe gibt, wogegen die Juristen im Staatsdienst sich (noch) dagegen wehren konnten. Das BAFA hat hierzu ein Bewacherregister mit Schnittstelle zum Verfassungsschutz eingerichtet. Diese Zuverlässigkeitsprüfung für 200.000 Menschen soll 1,4 Millionen Euro kosten. Da dieses Register jedoch dem BMWI und nicht dem BMI untersteht, ist davon auszugehen, dass für unsere Regelabfrage eine komplett andere Schnittstelle erstellt werden muss, die auch die neuen Vorgaben der “Zuverlässigkeit” beachtet.

    Auch hier hatte Niels Heinrich einen praktischen Vorschlag: Statt Regelabfragen von 960.000 Waffenbesitzern könnten die Verfassungsschutzbehörden ihre 36.000 Extremisten im NWR abfragen.

    Welches Register gilt für die Unzuverlässigkeit?
    Bei meiner Recherche habe ich mehrere Verzeichnisse von extremistischen Vereinigungen gefunden: aus Bayern, aus der DDR, als Anhang im Verfassungsschutzbericht 2018 (Seite 346 ff), aus Hamburg oder Thüringen.

    In Bayern sind diverse Pegida-Vereinigungen, Der Flügel, DIE FREIHEIT, linksjugend und die Identitäre Bewegung (IB) aufgeführt. In Bayern ist auch die Mitgliedschaft in der Partei “DIE LINKEN” ein Hinderungsgrund für die Anstellung als Beamter. Beim Verfassungsschutzbericht des Bunds fehlen diese Vereinigungen. Dort wird die IB (noch) als Verdachtsfall gelistet.

    Im Gesetz steht, dass die Behörden sich an die zuständigen Verfassungsschutzbehörde wenden soll.

    Es kommt also künftig darauf an, in welchem Bundesland man lebt.

    Fazit
    Es ist gut, dass statt der Forderung, jeder beim Verfassungsschutz gespeicherte Bürger sei unzuverlässig, nun die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung als Grundlage für die vermutete Unzuverlässigkeit gilt. Trotzdem bleiben Grauzonen in Bezug auf die Auflagen, ab wann eine Vereinigung verfassungsfeindlich zu identifizieren ist. Statt der Landesämter sollte nur das Register des Bundesverfassungsschutzes gelten. Zudem darf es keine Briefabfrage geben, ansonsten warten die Jäger monatelang auf die Jagdscheinverlängerung – und werden währen der Wartezeit zu illegalen Jagdwaffenbesitzern, da deren Besitz an einen gültigen Jagdschein 2003 gekoppelt wurde.

    https://german-rifle-association.de/buerokratiemonster-3-verfassungsschutz-und-zuverlaessigkeit/

    Antworten
    • Andreas Jede
      Andreas Jede sagte:

      Bezüglich der Regelabfrage kann ich Ihnen nicht zustimmen. Der künftige § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG erfordert die Anfrage wegen Bedenken nach Absatz 2 Nummer 2 und 3. Diese Vorschriften lauten dann wie folgt:

      2. die Mitglied
      a) in einem Verein, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder
      b) in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat,
      waren, wenn seit der Beendigung der Mitgliedschaft zehn Jahre noch nicht verstrichen sind,

      3. bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren
      a) Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die
      aa) gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind,
      bb) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder
      cc) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden
      b) Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder
      c) eine solche Vereinigung unterstützt haben,“.

      Das sind ziemlich unscharfe Beschreibungen. Es reicht, daß Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß jemand Bestrebungen verfolgt haben soll, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Einer gerichtlichen Überprüfung wird das entzogen sein, da die Schlapphüte ihre Erkenntnisse nicht offen legen müssen und der Bürger beweisen muß, daß die Voraussetzungen nicht vorliegen.

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