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Strafverteidiger und Empfangbekenntnisse

Eine Unsitte greift immer mehr um sich:

EB

Fällt Ihnen etwas auf? Ich habe bestimmt mehrere unterzeichnet, aus Gewohnheit.

§ 174 Abs. 4 ZPO[1] verlangt nur das Bekenntnis des Empfangs. Eine Bestätigung, daß ich zum Empfang berechtigt bin, sieht die Vorschrift nicht vor.

Der Jede wieder! Kleinlich bis zum …

Kann man auf den ersten Blick nachvollziehen. Nicht jedoch, wenn man die Problematik der Vollmachtsvorlage berücksichtigt.

Der Anwalt, der dieses Empfangsbekenntnis unterzeichnet, erklärt sich für empfangsbevollächtigt. Mit der Folge, daß Zustellungen, beispielsweise für Ladungen des Mandanten, an ihn erfolgen können.

Abwegig? Keineswegs, wie beispielsweise das OLG Karlsruhe am 08.10.2015 und das Bayerische Oberste Landesgericht am 14.01.2004 und das Kammergericht am 04.09.2013 entschieden haben.

Falle, böse Falle.

Das ist Spezialwissen, das den Strafverteidiger vom Rechtsanwalt unterscheidet, der das bischen Strafrecht auch noch macht.

Zum Thema Zustellugen bitte auch hier schauen: Unsitte Zustellungen

  1. [1]Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist.

Körperverletzung nach Dienstvorschrift

nurse-1159316_640Es gibt ein neues Maßnahmepaket zu Asyl und Flüchtlingen. Ein wohltuender Nebeneffekt: Hilft auch gegen 9/11 und Islamismus.

Nein, ich meine nicht die Abschaffung des Bargeldes. Das war das letzte Maßnahmepaket.

Jetzt geht es um die Abschaffung des Richtervorbehaltes bei der Blutentnahme (§ 81a Abs. 2 StPO).

Der ehemalige Richter am Oberlandesgericht Hamm RA Detlef Burhoff hat es auf den Punkt gebracht:

„Richtervorbehaltsgötterdämmerung“, oder: Finger weg vom Richtervorbehalt bei der Blutentnahme!!!!

Worum geht’s?

Bevor Ihnen ein Arzt mit der Nadel in den Venen rumpiekt, um dem Verdacht nachzugehen, Sie hätten da was im Blut, was zur Strafbarkeit führen könnte, braucht man bisher die Entscheidung einer unabhängigen Person, die nicht der Polizei angehört: Der Richter muß das anordnen.

Das ist höchst unbequem. Da muß man beispielsweise nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes für einen richterlichen Notdienst sorgen.[1]

Manche dieser Richter stellen dann sogar Fragen, die der Strafverteidiger den Akten entnehmen kann. Es soll auch Fälle geben, wo der Richter die Anordnung nicht getroffen hat. Die kommen natürlich nicht auf unseren Tisch. Überhaupt scheint es keine diesbezüglichen Statistiken zu geben. [2]

Als besondere Rechtswohltat für den Betroffenen (das ist der mit der Kanüle im Arm), soll dieser Richtervorbehalt abgeschafft werden. Dann geht es nämlich für den Betroffenen schneller, er muß nicht so lange warten.[3]

Entscheiden soll künftig (so der Verkehrsgerichtstag) eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft. Das nannte man früher Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft. Die Namensänderung hat sicherlich genausoviel geändert wie Änderungen von „unehelich“ in „nichtehelich“.

Der Polizist soll also künftig über eine Körperverletzung durch den Staat am Bürger entscheiden. Ihm wird das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Menschen anvertraut. Er ist an Weisungen seines Dienstvorgesetzten gebunden. Ob wohl eine zentrale Dienstvorschrift erlassen wird?

Der Entwurf sieht die Übertragung auf den Staatsanwalt vor. Dieser hat eine akademische Ausbildung hinter sich, dieselbe Qualifikation wie der Richter und er kostet auch nicht weniger, ist aber auch den Weisungen seiner Dienstvorgesetzten unterworfen.

Was soll das?

Ersparnisse? Ja. An Rechtsstaatlichkeit und Vertrauen.

  1. [1]Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der konkreten strafprozessualen Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz
    (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 11. Juni 2010 – 2 BvR 1046/08 –, Rn. 26, juris)
  2. [2]Wenn doch: Bitte Nachricht über die Kommentarfunktion oder per Mail an Ben@DrSchmitz.de
  3. [3]Das ist kein blanker Zynismus des Verteidigers, sondern eine der Begründungen für den Vorschlag, siehe Burhoff weiter oben.

Zielfahndung

binoculars-918821_640Selbst für den Strafverteidiger ist eine Zielfahndungsakte selten und daher faszinierend.

An die Akte der Zielfahnder kommt man wohl nur in den seltensten Fällen. Aber die Staatsanwaltschaft sammelt ab und an den Schriftverkehr mit den Zielfahndern und die ergangenen Beschlüsse in einem separaten Heft, genannt Zielfahndung.

Gutmenschen aufgepaßt, die Ihr nichts zu befürchten habt!

Trau, schau, wem!

Ein bislang ehrenwerter Bürger, welch ein Verbrecher – so jedenfalls die Vorwürfe der Anklage – hat sich seiner Verhaftung und damit auch der Verhandlung entzogen. Abermillionen soll er hinterzogen haben. Vor der Steuer. Umsatzsteuer – Der Fachmann ahnt worum es geht.

„Wir kriegen sie alle.“

Die besonders schlimmen Finger läßt man von Zielfahndern suchen. Und, wirklich, die sind gut, die Teams.

Jahrelang, das ist keine Seltenheit, suchen sie den Beschuldigten-Angeschuldigten-Angeklagten-Verurteilten.

Die Liste der abgehörten Telephonanschlüsse liest wich wie das Who is Who. Keiner von denen ahnt, daß er abgehört wurde. Einige sind sogar dauerhaft observiert worden. Warum? Sie waren mit dem Täter (z.T. eng) befreundet.

Also, liebe Gutmenschen, die ihr nichts zu befürchten habt: Fragt Eure Freunde, ob der Einhaltung ihrer Steuerpflichten. Oder ob sie vielleicht sexuelle Neigungen haben, die …

Der Richter unterschreibt die erforderlichen Beschlüsse, schließlich sind die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt. Wenn der Zielfahnder mit seiner überlegenen Sachkenntnis schreibt, daß man anders nicht an die Zielperson gelangt, ist das halt so.

§ 100a StPO Telekommunikationsüberwachung

(1) Auch ohne Wissen der Betroffenen darf die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet werden, wenn

3. die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

(2) Schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 sind:

4. aus dem Asylgesetz:
a) Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Abs. 3, …

Lehrstunde des Grauens

Carsten Hoenig und wir verfolgen als Strafverteidiger die Durchsuchungen im Zusammenhang mit DroidJack mit wachsendem Entsetzen.

Uns wurde freundlicherweise der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichtes Gießen zugespielt und uns geht es wie CRH: Wir können es kaum glauben. Ich gehe davon aus, daß die uns vorliegenden Beschlüsse identisch sind. Ausschließlich der Verdacht des Kaufs des Programms führte entgegen der klaren Rechtslage zu den Durchsuchungen.

DroidJack

Dazu passen natürlich Bestrebungen, Barzahlungen zu unterbinden.

Der übliche Textbaustein für einen Durchsuchungsbeschluß vieler Staatsanwaltschaften lautet:

weil aufgrund von Tatsachen zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, nämlich …

,

den die Richter natürlich übernehmen. Macht viel zu viel Arbeit, etwas am Entwurf der Staatsanwaltschaft zu ändern, die den Entwurf bereits auf dem Papier des Gerichtes ausdruckt, folglich werden Aktenzeichen und Datum regelmäßig mit der Hand eingetragen.

Diese Tatsachen verschweigt der Beschluß dann aber tunlich. Sie wären im Beschluß konkret zu bezeichnen. Stattdessen wird darauf verwiesen, daß der Tatverdacht auf den Ermittlungen der ZIT und des Bundeskrminalamtes beruht. Eigentlich kann sich der Staatsanwalt doch die Begründung sparen und schreiben „Der Verdacht ergibt sich aus den aktenkundigen Tatsachen, die ich überprüfte und für überzeugend beurteilte.“

Und das uns hier besonders interessierende Merkmal, daß zum legalen Erwerb weitere objektive Merkmale hinzutreten müssen, umgeht der Beschluß „brilliant“ [1]:

  1. Die Software enthält keine legitimen Funktionalitäten und taugt damit nur für Straftaten. [2]
  2. Dies läßt einen nachfolgenden Einsatz der Schadsoftware zur Begehung von Straftagen als sehr wahrscheinlich erscheinen.
  3. Unter Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungswerte bestehe daher der Verdacht, daß er die Software zur Vorbereitung der Straftaten erworben und bereits – wie beabsichtigt – verwendet hat.
  4. Da der Bösewicht Geld für die Software bezahlt hat ist die Annahme begründet, daß er versuchen wird, mit den Einnahmen aus dem betrügerischen Einsatz der Opferdaten die Ausgaben für die Software zu kompensieren.

Das traut sich nichtmal eine Studentin im 1. Semester angemessen zu kommentieren.

Mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität ZIT in Gießen haben wir schon zuvor Erfahrungen gesammelt, die hierzu passen.

Wenn die Herren Richter am Bundesverfassungsgericht diese Nachrichten lesen, werden sie sich sicherlich erstaunt die Augen reiben. Mehrere legale „Nutzer“ von Schadsoftware hatten Verfassungsbeschwerde gegen die Vorschrift des § 202c StGB erhoben und das Gericht hat die Beschwerde nicht angenommen – 2 BvR 2233/07 -. Die Beschwerdeführer seien nicht von der Norm unmittelbar betroffen und die Verfassungshüter führten ausführlich aus, daß schließlich noch mehr zur Straftat hinzugehöre als der Besitz der Schadsoftware (vgl. Kommentar 3)

  1. [1]Die Verwendung des Begriffes ist hier aus blankem Zynismus erfolgt
  2. [2]Lieber Leser, sicherlich haben Sie sich auch schon die Frage gestellt, wie man wohl ein Programm zur Abwehr von DroidJack entwickelt ohne im Besitz des Programms zu sein?

DroidJack Durchsuchungen – einfach mal so

744569_web_R_B_by_Tim Reckmann_pixelio.deNicht nur bundesweite Durchsuchungen bei Käufern der Software DroidJack, sondern eine konzertierte Aktion bei der in Zusammenarbeit mit Europol auch in Großbritannien, Frankreich, Belgien und der Schweiz Wohnungen durchsucht wurden.

Interessant ist die Erklärung der Staatsanwaltschaft, daß den Käufern das verbotene Ausspähen von Daten und Computerbetrug vorgeworfen wird. Die Software ließe sich ausschließlich illegal verwenden.

Obwohl Agenturmeldung, scheint sie nicht besonders verbreitet worden zu sein. SPON hat sich des Themas angenommen und ein Betroffener berichtet auf dem gulli-board

Es scheint sich keiner mehr darüber aufzuregen, ich komme mir vor wie der einsame Mahner in der Wüste.

Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob man die Software auch legal nutzen kann, was ziemlich wahrscheinlich ist. Der Erwerb und Besitz des Programmes ist legal. Die Strafverfolgungsbehörden schließen aus dem legalen Erwerb einer Software messerscharf, daß sie auch illegal genutzt wird und beantragen den Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses. Und das Gericht macht mit. Wohlgemerkt: Hier hat ein Richter entschieden, daß das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gebrochen werden darf, da die gesetzlichen Voraussetzungen (Tatverdacht) vorlägen.

Hatten wir das nicht schon’mal? Hat sich nicht ein berühmter Richter am Bundesgerichtshof in der ZEIT dafür entschuldigt? [1]

Das BVerfG hat im Edathy-Beschluß nicht formal entschieden, daß

die von ihm (Edathy) als verfassungsrechtlich grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob ein strafprozessualer Anfangsverdacht auch an ein ausschließlich legales Verhalten des Beschuldigten ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte anknüpfen könne, ist daher nicht entscheidungserheblich.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 74/2014 vom 29. August 2014

Aber klar auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach weitere Anhaltspunkte vorliegen müssen.

In der Rechtsprechung ist andererseits auch geklärt, dass ein Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat durch ein an sich legales Verhalten begründet werden kann, wenn weitere Anhaltspunkte hinzutreten.
Fundstelle wie oben, Hervorhebungen hier

In den DroidJack-Fällen wird wohl das Bundesverfassungsgericht die grundsätzlich bedeutsame Frage beantworten müssen. Und ich habe keinen Zweifel wie die Antwort aussehen wird. Sie ist selbst in Kleinkommentaren zur StPO beantwortet. Jeder Idiot kann sich die Antwort denken. Ansonsten passiert das, was Fischer (s.o) vorgedacht hat:

Verheerender als die praktische Sinnlosigkeit einer solchen Strafverfolgung ist der Verlust ihrer Legitimität. Es ist, so lautet die Botschaft, weder möglich noch nützlich, noch ausreichend, sein Verhalten an den gesetzlich bestimmten Grenzen zu orientieren. Denn die immer höhere, immer weiter vorverlagerte Bestrafung … führt – gegen alle Ankündigungen der Rechtspolitiker – in Wahrheit nicht dazu, dass jene sich für das Recht (also das Erlaubte) und gegen das Unrecht entscheiden können oder auch nur wollen. Und wenn sie es täten, hülfe es ihnen nichts: Die Bemühung, nur und gerade das zu tun, was noch erlaubt ist, begründet erst recht den Verdacht, dass die wahren Verbrechen jetzt bloß verschleiert werden sollen.
Auch hier wieder: Hervorhebung durch uns

Den Kommentaren „Ich finde das richtig“ sei nochmal Fischer (s.o.) entgegengehalten:

Der vernichtenden Gewalt des Redlichen kann nur entkommen, wer sie freudig begrüßt und aktiv unterstützt. Gerechtfertigt wird dies mit der goldenen Regel aller Stammtische: Wer nichts zu verbergen hat, muss auch nichts befürchten. Ganz ähnlich sieht man das in Nordkorea.

Ich werde versuchen dranzubleiben. Pfeifen Sie bitte!

Update 28.10.2015 10:04h
Hier die PM der in unserer Kanzlei sehr beliebten ZIT [2], die hier nicht durch besondere Professionalität aufgefallen ist. Auffällig dafür der Briefkopf (die Pressemitteilung rufen Sie auf: Hier!):

ZIT

Bild Grundgesetz © Tim Reckmann/pixelio.de

  1. [1]Vorsitzender Richter am BGH Thomas Fischer: Bitte entschuldigen Sie, Herr Edathy
  2. [2]Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität.